Was draufsteht, ist nicht drin
Absurd – was für Joghurt gilt, muss man bei Tee vergessen: Wer glaubt, dass die abgebildeten Früchte auf der Teepackung tatsächlich enthalten sind, täuscht sich.
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K-Tipp 03/2009
08.02.2009
Letzte Aktualisierung:
10.02.2009
Marco Diener, Daniel Jaggi
Fantastic Cherry heisst ein Früchtetee, den die Migros anbietet. Auf der Packung prangen vollreife Kirschen. Sie machen Lust auf einen heissen, fruchtigen Tee. Aber halt: Im Fantastic-Cherry-Tee hats alles Mögliche – nur keine Kirschen. Das zeigt ein Blick auf die Deklaration. Die Zutaten: Hibiskusblüten, Apfelbestandteile, Brombeerblätter, Aroma, Zitronensäure, Hagebutten- und Orangenschalen. Und Kirschen? Als allerletzte Zutat tauchen «Kirschenstiele&raq...
Fantastic Cherry heisst ein Früchtetee, den die Migros anbietet. Auf der Packung prangen vollreife Kirschen. Sie machen Lust auf einen heissen, fruchtigen Tee. Aber halt: Im Fantastic-Cherry-Tee hats alles Mögliche – nur keine Kirschen. Das zeigt ein Blick auf die Deklaration. Die Zutaten: Hibiskusblüten, Apfelbestandteile, Brombeerblätter, Aroma, Zitronensäure, Hagebutten- und Orangenschalen. Und Kirschen? Als allerletzte Zutat tauchen «Kirschenstiele» auf. Kirschen aber sind nicht drin.
Fantastic Cherry ist kein Einzelfall. Wer angesichts der Abbildungen meint, «Fantastic Berries»-Tee enthalte Beeren, liegt falsch: Von den Brombeeren hats nur «Blätter» drin, von den Erdbeeren immerhin «Bestandteile». Auch Aldi bildet auf der Tee-Packung mit dem Namen «Brombeere, Himbeere» diese Früchte ab. Zugesetzt sind jedoch nur Brombeer- und Himbeer-Aroma. Die Anbieter der Früchtetees sind überhaupt nicht der Meinung, dass sie die Kundschaft mit ihren Verpackungen hinters Licht führen. Das sei «absolut branchenüblich», sagt Aldi-Sprecher Sven Bradke. Zudem stehe auf der Verpackungs-Vorderseite, dass der Tee «aromatisiert» sei. Ähnlich tönts bei der Migros. «Auf die Aromatisierung wird direkt bei der Abbildung hingewiesen», sagt Sprecherin Monika Weibel. Die Verpackungen seien gesetzeskonform. Das stimmt. Die Kennzeichnungsverordnung für Lebensmittel ist ausgesprochen large – und unklar formuliert. So lässt sie zu, dass «an Stelle der Vollfrucht auch Fruchtbestandteile (z. B. die Fruchtschale) verwendet werden».
Laut Gesetz genügt Frucht-Aroma
Als ob das noch nicht reichen würde, heisst es weiter: «Bei aromatisiertem Früchtetee sind Abbildungen von Zutaten auch dann erlaubt, wenn an Stelle dieser Zutaten vorwiegend Aromen zugesetzt sind.» Laut Auskunft des Bundesamts für Gesundheit (BAG) und des Berner Kantonschemikers Otmar Deflorin hat das Wort «vorwiegend» nichts zu bedeuten. Die abgebildeten Früchte müssen nicht mal in Spuren vorhanden sein, bloss als Aroma. Tee ist nur ein Beispiel: Bei verwandten Getränken sowie Zuckerwaren wie Bonbons darf ebenfalls mit reifen Früchten auf der Verpackung geworben werden. Auch diese Produkte werden lediglich aromatisiert. BAG-Sprecherin Sabina Helfer: «Ziel ist es, den Konsumenten aufzuzeigen, welchen Geschmack das Produkt hat.» Nur: Ein schriftlicher Hinweis würde dann auch genügen. Was bei Tee und Zuckerwaren erlaubt ist, verbietet die Verordnung bei allen anderen Lebensmitteln: Sind Früchte auf der Verpackung abgebildet, müssen sie enthalten sein. Das Gesetz ist etwa bei Joghurt sogar noch strenger: Der Früchteanteil muss in Prozenten angegeben werden. Übrigens: Ist von «naturidentischen» Aromen die Rede, handelt es sich um synthetisch hergestellte Aromen.