Gezähmte Strahlenkanone
Es gibt Studien, deren Resultate Mikrowellenherde zu Todesmaschinen stempeln - und umgekehrt. Tatsache ist: Wie jedes elektrische Gerät ist auch die Mikrowelle bei falschem Gebrauch ein Gefahrenherd.
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K-Tipp 2/2003
29.01.2003
Markus Kellenberger - mkellenberger@ktipp.ch
Am Stammtisch, im Internet und selbst in Broschüren und Büchern zum Thema Elektrosmog wird immer wieder folgende Story aufgewärmt: Ein Koch bricht in der Küche tot zusammen. Die Obduktion ergibt, dass sein Herz regelrecht gebraten ist. Bei darauf folgenden Elektrosmog-Messungen in der Küche wird festgestellt, dass die Türdichtung des Mikrowellenherdes beschädigt ist und der Koch deswegen auf Herzhöhe von einer gebündelten Strahlung getroffen wurde.
Die Geschichte ist erlo...
Am Stammtisch, im Internet und selbst in Broschüren und Büchern zum Thema Elektrosmog wird immer wieder folgende Story aufgewärmt: Ein Koch bricht in der Küche tot zusammen. Die Obduktion ergibt, dass sein Herz regelrecht gebraten ist. Bei darauf folgenden Elektrosmog-Messungen in der Küche wird festgestellt, dass die Türdichtung des Mikrowellenherdes beschädigt ist und der Koch deswegen auf Herzhöhe von einer gebündelten Strahlung getroffen wurde.
Die Geschichte ist erlogen - wie auch jene der alten Dame, die ihren Pudel in der Mikrowelle trocknen wollte und ihn so unabsichtlich tötete. Jeder Versuch, solche Horror-Märchen zu ihrem Ursprung zurückzuverfolgen, endet bei Bekannten, welche die Geschichte auch von Bekannten haben.
Trotzdem wird solcher Blödsinn häufig als Wahrheit weiterverbreitet. Bei einigen Menschen löst das Ängste aus. Und zwar derart, dass sie als Ursache für ständige Kopfschmerzen und andere Beschwerden böse Nachbarn vermuten, die sie mittels eines manipulierten Mikrowellenherdes durch die Wand bestrahlen. So geschehen in einem Mehrfamilienhaus in der Nähe von Nürnberg, nachzulesen unter der Rubrik «Nachrichten» in der letztjährigen Januarausgabe der deutschen Zeitschrift «Welt am Sonntag».
Weitere ähnliche Meldungen riefen Berit Schwarz vom TV-Sender Pro 7 auf den Plan. Vor drei Wochen ging sie der Sache nach und fand mit der Unterstützung von Fachleuten heraus: «Es braucht in diesen Fällen keine Physiker, sondern Psychiater.»
Märchen hin, Hysterie her - mit Mikrowellen ist trotzdem nicht zu spassen, denn jedes eingeschaltete Gerät sendet Streustrahlung aus. «Die liegt in der Regel zwar deutlich unter dem erlaubten Grenzwert», sagt Mirjana Moser, Strahlenschutzexpertin beim Bundesamt für Gesundheit BAG (siehe K-Tipp 1/03). «Wir wissen jedoch, dass es Leute gibt, die hochsensibel auf jegliche Art von Elektrosmog reagieren.»
Josef Peter, Leiter des Instituts für biologische Elektrotechnik Ibes in Illnau ZH, ergänzt: «In unmittelbarer Nähe eines eingeschalteten Mikrowellenherds hats Strahlenwerte wie bei einem Handy.»
Studien belegen, dass diese Strahlung direkt betroffene Körperstellen unnatürlich erwärmen kann. Schwedische Untersuchungen lassen zudem vermuten, dass ständiger und aus nächster Nähe einwirkender Elektrosmog die Entstehung von Kinderleukämie begünstigt.
Für Elektrosmog-Spezialist Peter steht deshalb fest, dass Mikrowellen Beschwerden wie Kopfweh und Depressionen verursachen können. «Allerdings», schränkt er ein, «nimmt die Strahlung mit zunehmendem Abstand vom Gerät rapide ab.» Wer nicht auf die Mikrowelle verzichten möchte, könne sich deshalb relativ einfach schützen (siehe Tipps).
Daran glaubt Umweltbiologe Hans U. Hertel nicht. In einem 1991 veröffentlichten Forschungsrapport hielt Hertel fest: Das Erwärmen von Esswaren durch Mikrowellen verände die darin enthaltenen Eiweisse, was beim Menschen nach dem Essen solcher Speisen zu einer Krebs fördernden Veränderung des Blutbildes führe.
Diese Aussage löste einen Rechtsstreit zwischen Hertel und dem Fachverband Elektroapparate für Haushalt und Gewerbe FEA aus, der bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte führte. Aktueller Stand: Hertel ist es verboten, seine Resultate als wissenschaftlich gesichert darzustellen.
«Für mich steht fest, dass Mikrowellen reines, tödliches Gift sind», sagt Hertel dem K-Tipp und fragt: «Wo bleibt der unumstössliche Gegenbeweis der Elektrolobby?»
Den gibt es nicht, wie Rudolf Bolliger vom FEA eingesteht. «Nach heutigem Wissensstand kann jede Studie widerlegt werden», sagt er. Aber letztlich sei es mit Mikrowellen ähnlich wie mit anderen Energiequellen: «Massvoll und mit Vorsicht angewandt, halten sich mögliche Risiken in Grenzen.»
So reduzieren Sie Elektrosmog aus der Mikrowelle
Die durch Mikrowellen verursachte Strahlenbelastung verringert man relativ einfach:
- Bauen Sie das Gerät in ein mit Blech ausgeschlagenes Fach der Küchenkombination ein oder kleben Sie das Fenster des Gerätes bis auf ein Guckloch mit einer dicken Alufolie zu. Das absorbiert die austretende Strahlung weitgehend.
- Vermeiden Sie Blicke aus kurzer Distanz durch die Glastüre, wenn das Gerät läuft. Mikrowellen können Ihre Augen schädigen. Halten Sie sich nicht unnötig in seiner Nähe auf.
- Überprüfen Sie Türdichtungen und Gehäuse regelmässig auf Beschädigungen. Defekte Geräte nicht benützen und sofort von Fachleuten kontrollieren lassen.
- Weitere Infos zum Thema Elektrosmog erhalten Sie beim Institut für biologische Elektrotechnik Ibes unter der Gratisnummer 0844 844 444.