Ein amtlich verordneter Abriss
Nach dem Tod stöbern die Behörden ein letztes Mal in Steuerangaben des Verstorbenen. Das kann die Erben teuer zu stehen kommen.
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saldo 10/2004
26.05.2004
Pasquale Ferrara
Stirbt ein Verwandter, haben die Hinterbliebenen anderes im Kopf als Steuerkram. «Gut, dass wir alles in unserem Ehe- und Erbvertrag geregelt haben», sagte sich Heinz Schweizer, als letzten Sommer seine Frau starb. Doch der Witwer hatte die Rechnung ohne den Berner Amtsschimmel gemacht.
Steuerinventar kostete happige 3800 Franken
Der Kanton schickte Heinz Schweizer zum Notar, um ein sogenanntes Steuerinventar zu erstellen. So will es das Berner Gesetz ab e...
Stirbt ein Verwandter, haben die Hinterbliebenen anderes im Kopf als Steuerkram. «Gut, dass wir alles in unserem Ehe- und Erbvertrag geregelt haben», sagte sich Heinz Schweizer, als letzten Sommer seine Frau starb. Doch der Witwer hatte die Rechnung ohne den Berner Amtsschimmel gemacht.
Steuerinventar kostete happige 3800 Franken
Der Kanton schickte Heinz Schweizer zum Notar, um ein sogenanntes Steuerinventar zu erstellen. So will es das Berner Gesetz ab einem Vermögen von 100 000 Franken. «Mit dem Vertrag und den Steuererklärungen ist das schnell erledigt», dachte Schweizer. Doch er irrte auch hier: Für den ganzen Aufwand des Notariatsbüros erhielt er eine Rechnung von 3800 Franken.
«Ich finde es stossend, dass der Bürger das zahlen muss. Der Kanton will ja etwas wissen und nicht ich», ärgert sich Heinz Schweizer. Sein Ärger ist berechtigt. Denn nicht nur in Bern, in der ganzen Schweiz verlangen die Steuerbehörden bei einem Todesfall von den Erben eine Übersicht über das Vermögen der Verstorbenen. Doch in vielen Kantonen ist das gratis, in einigen kostet es nur eine geringe Gebühr.
In Bern ist das Steuerinventar hingegen eine feudale Quelle für die freiberuflichen Notare: Sie können neben ihrer Arbeit auch eine Grundgebühr verrechnen, und zwar proportional zum Vermögen. Bei Heinz Schweizer machte allein diese Gebühr 2000 Franken aus. Was der Witwer kaum fassen konnte: Als Basis für die Berechnung wird das sogenannte Rohvermögen berücksichtigt. Das heisst, auch die Hypothekarschuld zählt als Vermögen.
Erbrechtsexperte Thomas Gabathuler kann Heinz Schweizer verstehen: «Die Steuerveranlagung ist eine ureigene Aufgabe des Staates, die er nicht einfach outsourcen und dafür noch Geld kassieren kann.» Schliesslich will der Staat mit dem Steuerinventar vor allem eines: kontrollieren, ob der Verstorbene noch unversteuertes Vermögen hat.
Erbschaftsinventar: Einzig der Notar profitiert
Mit Erfolg: Rund 30 Prozent aller Steuerhinterziehungen kommen erst nach dem Tod zum Vorschein. Die Erben müssen dann Nachsteuern zahlen. «Der Staat büsst die Erben aber nicht», sagt Gabathuler. Viele Erben nutzen darum die Gelegenheit, das Vermögen vor den Steuerbehörden offen zu legen.
«Die Notare sind Fachpersonen, die den Erben viel Arbeit abnehmen und sie auch beraten können», verteidigt Justizinspektorin Andrea Frost-Hirschi das Berner System. Dass die Erben die Kosten übernehmen und nicht der Steuerzahler, sei gerechter.
Bei Heinz Schweizer fielen weder Nach- noch Erbschaftssteuern an, noch hatte er die Beratung nötig. Profitiert hat nur der Notar.