«Diese Schutzräume bringen nichts»

Die Luftschutzkeller-Lobby war im Nationalrat erfolgreich: Die teuren Schutzräume bleiben obligatorisch.

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saldo 12/2011

19.06.2011

Letzte Aktualisierung:
21.06.2011

Thomas Lattmann

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Der Schutzraum in jedem Haus ist eine Schweizer Institution. Im Jahr 1963 beschloss das Parlament, für alle Bewohner einen Schutzraumplatz bereitzustellen. Heute verfügt die Schweiz über mehr als 300 000 mehrheitlich private Schutzräume mit 8,6 Millionen Plätzen – fast 1 Million mehr als Einwohner.

12 Milliarden Franken mussten die Liegenschaftsbesitzer für Betonbunker ausgeben. Verwendung finden die teuren Betonabteile vornehmlich als Abstellkammern, Weinkeller und Probelokale für Musikbands.

Am 9. März – zwei Tage vor dem Erdbeben in Fukushima – wollte der Nationalrat den alten Zopf abschneiden. Die Argumente: Ein grosser Krieg in Europa und der Einsatz von Atomwaffen seien heute sehr unwahrscheinlich. Zudem wurde die Schutzwirkung von Bunkern in Katastrophenfällen stark angezweifelt.

Doch nachdem der Ständerat für die Beibehaltung der Bunkerbaupflicht gestimmt hatte, kippte der Nationalrat Anfang Juni seinen ursprünglichen Entscheid. Dafür gekämpft hat eine «Arbeitsgemeinschaft Schutz und Sicherheit», eine Vereinigung der Hersteller von Zivilschutztechnik und deren Zulieferer: Sie sahen ihren staatlich garantierten Absatzmarkt gefährdet. In dieser Not kam ihnen das Reaktorunglück in Fukushima zu Hilfe.

Nur: Gerade Fukushima hat gezeigt, dass die Bevölkerung bei einem AKW-Unfall am besten so rasch wie möglich das Weite sucht, statt sich in einem Bunker zu verschanzen. Selbst die Notfallkonzepte des Bundes sehen seit Anfang 2011 die Evakuierung der Bevölkerung als geeignete Massnahme vor, wenn nach einem Strahlenunfall in einem bestimmten Gebiet mit einer länger dauernden radioaktiven Belastung zu rechnen ist.

Nur bei einer vorübergehenden radioaktiven Belastung von einigen Stunden wird noch der Schutzraum empfohlen. In einem solchen Fall schützt aber auch ein gewöhnlicher Keller. Begrenzt ist die Schutzwirkung von Bunkern auch bei Explosionen konventioneller Bomben: Direkttreffern halten sie nicht stand.

Hausbesitzer zahlen bis zu 3200 Franken

Als Bauunternehmer profitiert SVP-Ständerat This Jenny vom Bau von Zivilschutzbunkern. Trotzdem sagt er: «Diese Schutzräume bringen nichts. Ich kann mir kein Szenario vorstellen, in dem sie die Bevölkerung wirklich schützen würden.»

Dennoch müssen private Bauherren weiterhin für Schutzräume bezahlen: Für kleinere Häuser muss der Gemeinde, respektive dem Kanton weiterhin eine Ersatzabgabe geleistet werden. Zwar weniger als bisher, aber immer noch ein erklecklicher Betrag. Für ein 6-Zimmer-Einfamilienhaus werden bis zu 3200 Franken fällig.

Bei Mehrfamilienhäusern ab 38 Zimmern muss in der Regel ein Schutzraum erstellt werden. Das verursacht Mehrkosten von ungefähr 20 000 Franken. Auch für den Unterhalt der Schutzräume und der zivilschutztechnischen Einrichtungen müssen die Eigentümer aufkommen.

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