Der Operationsbericht des Universitätsspitals Basel aus dem Frühling vergangenen Jahres beginnt so: «Am 21. und 22. Mai stellte sich die Patientin auf der Notfallstation vor.» Die Patientin, die 32-jährige Ina Bullwinkel aus Basel, leide «seit Durchführung des Corona-Abstrichs» unter wiederkehrendem Nasenbluten.
Die Ärzte protokollierten eine «massive Blutung» im Bereich des Nasendachs, ungefähr auf der Höhe der Augen. Um die Blutung zu stoppen, operierten die Ärzte Bullwinkel zweimal. Die Eingriffe wirkten: Seither hat die Baslerin kein Nasenbluten mehr.
Nase bei Covid-Test verletzt
Fünf Tage vor dem Besuch der Notfallstation hatte Ina Bullwinkel einen Covid-Schnelltest machen müssen – im Basler Bethesda-Spital, kurz vor der Geburt ihrer Tochter. Laut Bullwinkel führte die Hebamme das Stäbchen mit viel zu viel Druck in die Nase ein. «Als die Hebamme es herauszog, war es blutig», erinnert sich Bullwinkel. «Sie hat sich auch gleich entschuldigt.» Unmittelbar nach dem Test habe ihre Nase leicht geblutet, nach ihrer Entlassung sei es dann immer wieder zu starken Blutungen gekommen.
In den Patientenakten hält das Bethesda-Spital da-zu lediglich fest: «17. Mai 2022, 22.25 Uhr: Covid-Schnelltest, da 38,2 Grad Fieber.» Ein Fehler oder eine Verletzung der Patientin wird in den Akten nicht erwähnt. Daran stört sich Ina Bullwinkel. Denn: Fehlt ein Beleg, kann sie vom Bethesda-Spital keine Entschädigung für allfällige Folgeschäden verlangen. Voraussetzung für eine Entschädigung wäre ein in den Akten dokumentierter Behandlungsfehler.
Die Ärztin Martina Frei berät für die Zeitschrift «Gesundheitstipp» Leserinnen und Leser in medizinischen Fragen. Ein misslungener Covid-Test ist laut Frei eine naheliegende Erklärung für die ungewöhnlich tiefe Verletzung von Ina Bullwinkels Nase und die wiederkehrenden massiven Blutungen.
Das Bethesda-Spital hält gegenüber dem K-Tipp fest: «In der gewissenhaft geführten Dokumentation rund um die Geburt der Frau wurde nichts erwähnt bezüglich eines blutenden Corona-Tests oder leichten Nasenblutens.» Aus diesen Gründen lehne das Spital eine Verantwortung ab.
Ina Bullwinkel ist kein Einzelfall. Denn Konflikte nach ärztlichen Behandlungen gibt es immer wieder. Die Stiftung SPO Patientenorganisation sagt, man berate wöchentlich mehrere Patientinnen und Patienten, aus deren Sicht etwas schiefgegangen ist, ohne dass dazu in den vom Gesundheitspersonal ausgefüllten Akten Ausführungen zu finden sind.
Tipp: Patienten, die einen Behandlungsfehler vermuten, sollten diesen möglichst rasch von einem anderen Arzt oder Spital dokumentieren lassen.
Auch Zeugenaussagen, Fotos, Videos oder Tonaufnahmen können als Beweismittel dienen. Anschliessend können sich Betroffene an eine Beratungsstelle oder einen spezialisierten Anwalt wenden. Eine landesweite Telefon-Hotline für dringende Fälle bietet die Stiftung SPO Patientenorganisation unter Tel. 0900 56 70 47. Und die Rechtsberatungsstelle für Unfallopfer ist unter Tel. 0800 707 277 jeweils vormittags erreichbar.
Übrigens: Der Berufsverband der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) empfiehlt seinen Mitgliedern in einem Leitfaden: «Fehlereingeständnisse oder eine Anerkennung der Haftung sind nicht angebracht.» Hintergrund dieser Empfehlung: Die Berufshaftplichtversicherungen verbieten es den Versicherten, Schuldeingeständnisse zu machen, bevor der Sachverhalt und die rechtliche Situation von der Versicherung abgeklärt worden sind.