Mieter einer Wohnung im Zürcher Bezirk Meilen mussten sich vor dem Bezirksgericht Meilen gegen ihren Vermieter wehren. Er hatte gegen sie geklagt und forderte angeblich ausstehende Mietzinse im Betrag von 2000 Franken. Das Gericht wies die Klage ab und gab den Mietern recht. Es sprach ihnen zudem eine Entschädigung von 500 Franken zu – für die Kosten ihres Anwalts. Die tatsächlichen Anwaltskosten betragen in einem solchen Fall ein Mehrfaches davon.
Entschädigung vom Streitwert abhängig
Das Problem: Die Höhe der Parteientschädigungen sind abhängig vom Streitwert. Je grösser der Betrag, um den vor Gericht gestritten wird, desto grösser die Entschädigung an die obsiegende Partei. Bei höheren Streitwerten reicht die Parteientschädigung in der Regel zur Bezahlung der Anwaltskosten. Bei kleineren Forderungen von ein paar Tausend Franken hingegen lohnt sich der Beizug eines Anwalts oft selbst dann nicht, wenn man den Prozess gewinnt. Denn die Anwaltskosten können höher sein als der zugesprochene Betrag.
Der Berner Rechtsanwalt Thomas Tribolet kritisiert, dass die Entschädigungen vor allem beim Arbeitsgericht zu tief sind. «Bei einer Lohnforderung von beispielsweise 8000 Franken wird das Gericht am Schluss eine Entschädigung von kaum mehr als 2500 Franken zusprechen – auch wenn der Aufwand des Anwalts gegen 6000 Franken ausmacht.» Das bedeutet: Die Differenz zwischen 2500 und 6000 Franken muss der Klient zahlen.
Verwaltungsgericht zahlt nur Bruchteil
Stossend ist die Situation etwa auch beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, wo es keinen gesetzlichen Entschädigungstarif gibt. Wer sich dort beispielsweise gegen den Entzug des Fahrausweises oder gegen eine Verfügung des Steueramts wehrt, erhält oft nur einen Bruchteil seiner Anwaltskosten ersetzt, wenn er gewinnt.
Das erlebte ein Beschwerdeführer, der erfolgreich gegen eine Zürcher Gemeinde prozessiert hatte. Seine Anwaltskosten beliefen sich auf Fr. 7971.25. Das Verwaltungsgericht Zürich legte die Entschädigung auf 1500 Franken fest. Es sei dem Gewinner zuzumuten, einen Teil seiner Anwaltskosten selber zu tragen.
Kaspar Plüss ist Dozent für öffentliches Recht an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Winterthur ZH. Er kritisiert diese Praxis: «Es widerspricht dem Gerechtigkeitsgefühl, wenn die obsiegende Partei einen Teil ihres Prozessaufwands tragen muss.»
Gratis-Anwalt nur für Mittellose
Wer nicht in der Lage ist, einen Anwalt zu bezahlen, hat bei guten Prozessaussichten Anspruch auf einen unentgeltlichen Vertreter. Die Voraussetzungen sind allerdings streng. Anspruch haben praktisch nur Leute, die auf dem Existenzminimum leben. Das bedeutet: Einen Prozess kann sich nur leisten, wer fast mittellos ist – oder genügend reich, um die Kosten selber zu tragen. Für alle andern ist das Kostenrisiko oft nur dann tragbar, wenn sie über eine Rechtsschutzversicherung verfügen.
Gut zu wissen: Viele Rechtsstreitigkeiten enden mit einem Kompromiss, einem sogenannten Vergleich. Bei einem Vergleich gibt es nur dann eine Parteientschädigung, wenn beide Parteien sich auf eine Summe einigen. Sonst trägt jede Partei ihre eigenen Anwaltskosten selbst.
So können Sie das Kostenrisiko senken
Lassen Sie sich in Rechtsstreitigkeiten von einem Anwalt vertreten, muss er Sie über die möglichen Kosten informieren. In der Regel wird ein bestimmtes Honorar pro Stunde vereinbart. Darin sind auch Sekretariatskosten inbegriffen.
Vereinbaren Sie mit Ihrem Anwalt ein Kostendach. So können Sie das Kostenrisiko reduzieren. Ist der Betrag erreicht, können Sie frei entscheiden, ob Sie weitere Anwaltskosten in Kauf nehmen oder ohne Anwalt weiterprozessieren wollen.
Falls Ihr Anwalt auf einem Vorschuss besteht: Verlangen Sie eine periodische Abrechnung, damit Sie wissen, wo Sie finanziell stehen.
Überlegen Sie, ob Sie zur Reduktion eines künftigen Prozessrisikos eine Rechtsschutzversicherung abschliessen wollen. Denn diese zahlt in der Regel nur, wenn sie mindestens drei Monate vor dem Streitfall abgeschlossen wurde. Bereits bestehende Rechtsstreitigkeiten lassen sich nicht versichern.
Der K-Tipp ermittelt die kundenfreundlichsten Rechtsschutzversicherungen periodisch mit Umfragen, letztmals im vergangenen Mai (K-Tipp 10/2016).