Coop und Migros verkaufen Fleisch von Schweizer Kaninchen «aus tierfreundlicher Haltung» für 30 bis 40 Franken pro Kilo. Die Migros verspricht in ihrer Werbung, dass «die strengen Richtlinien der IP-Suisse-Nutztierhaltung» eingehalten würden, und zeichnet das Fleisch mit dem roten IP-Suisse-Käfer aus. Coop verspricht als Tat Nr. 223 in der Rubrik Taten statt Worte, «nur noch Kaninchenfleisch aus besonders tierfreundlicher Haltung» zu verkaufen.
Diese Versprechen vermitteln ein falsches Bild. Tatsache ist: Die Kaninchen sind während ihres ganzen dreimonatigen Lebens im Stall eingesperrt. Sie leben in Gruppen in einem Gehege von mindestens 2 Quadratmeter Grösse und haben Stroh und Heu zum Graben. Dennoch überlebt jedes dritte Kaninchen nicht einmal die kurze Mastdauer von 90 Tagen.
Eine Studie der Berner Fachhochschule von 2021 belegt diese Zustände. Die Wissenschafterinnen erhoben die Kaninchenbestände von über 30 Schweizer Betrieben und dokumentierten über ein Jahr lang, was mit den Tieren passierte. Resultat: Von insgesamt 100'000 Kaninchen verendeten über 35'000 Tiere vor dem Ende der kurzen Mastdauer. Bei keinem anderen Nutztier in der Landwirtschaft ist das Risiko so hoch, vorzeitig zu sterben. Sogar in der intensiven Pouletmast ist die Sterberate zehn Mal geringer.
Über die Gründe herrscht noch Unklarheit. Studienautorin und Tierärztin Julia Schwarz sagt gegenüber dem K-Tipp: «Ein möglicher Grund könnte die Anfälligkeit schnell wachsender, hochgezüchteter Rassen sein.» Die Forscher wollen diesem Verdacht in einer nächsten Studie nachgehen.
Parasiten und Atemwegserkrankungen
Die Verhältnisse in der Kaninchenmast sind zwar besser als noch vor 20 Jahren. Frühere Berichte des K-Tipp über halbtote Kaninchen mit abgefressenen Ohren schlugen auf den Appetit der Konsumenten. Das Gesetz wurde bezüglich Beschäftigung der Tiere und Mindestgrösse der Gehege verschärft.
Heute kämpfen Kaninchenbauern mit anderen Problemen. Damit etwa Parasiten den Tieren nicht zu stark zusetzen, verfüttern viele Bauern routinemässig Arzneimittelzusätze, auch Kokzidiostatika. Zudem wird fast jedes zweite Kaninchen mit Antibiotika behandelt, zeigt der neuste Bericht der Antibiotikadatenbank des Bundes. Vor allem wegen Verdauungsstörungen und Atemwegserkrankungen. Damit gehören Kaninchen neben den Kälbern und Milchkühen zu den krankheitsanfälligsten Nutztieren auf Bauernhöfen.
Bio-Kaninchen sind selten krank
Ganz anders geht es den Kaninchen in der KAG-Freiland-Haltung von Bio-Bauer Thomas Bigler in Ueberstorf FR. Hier hoppeln die Tiere von März bis November auf der Weide herum. Sie leben in Grossgruppen von 100 bis 200 Tieren. Kannibalismus kommt selten vor. Antibiotika setzt er keine ein, die Tiere werden selten krank. Biglers Kaninchen sind robuster, wachsen langsamer, werden 9 Monate alt und bringen 7 bis 10 Kilo auf die Waage, wenn sie geschlachtet werden.
Zum Vergleich: Ein von Migros oder Coop verkauftes Kaninchen wiegt nach der Intensivmast kurz vor der Schlachtung im Durchschnitt nur 3 Kilo.