Preispolitik à la Ikea
Eine Stichprobe von SPEZIAL zeigt: Ikea-Möbel sind zwar vergleichsweise günstig, sie kosten in der Schweiz aber noch immer bis zu 70 Prozent mehr als in Nachbarländern.
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Haus & Garten 1/2005
05.01.2005
Marc Meschenmoser
Das Versprechen der Ikea-Verantwortlichen hörte sich gut an. Manager Beat Fingerhuth gelobte im Mai 2002 gegenüber der Konsumentenzeitschrift Saldo: «Wir arbeiten mit Hochdruck daran, dass die Schweizer Preise spätestens im Herbst 2002 nur noch maximal 15 Prozent von denen in umliegenden Ländern abweichen.» Damals zeigte ein Vergleich in allen europäischen Ländern, dass Ikea in seinen 6 Schweizer Möbelhäusern bei 35 Produkten am teuersten ist.
Immerhin: Einige Artikel si...
Das Versprechen der Ikea-Verantwortlichen hörte sich gut an. Manager Beat Fingerhuth gelobte im Mai 2002 gegenüber der Konsumentenzeitschrift Saldo: «Wir arbeiten mit Hochdruck daran, dass die Schweizer Preise spätestens im Herbst 2002 nur noch maximal 15 Prozent von denen in umliegenden Ländern abweichen.» Damals zeigte ein Vergleich in allen europäischen Ländern, dass Ikea in seinen 6 Schweizer Möbelhäusern bei 35 Produkten am teuersten ist.
Immerhin: Einige Artikel sind günstiger geworden
SPEZIAL wollte jetzt wissen, ob der schwedische Möbelgigant sein Versprechen eingelöst und die Preise gesenkt hat. Fazit: Zwar verlangt Ikea von seinen Schweizer Kunden nicht mehr durchwegs Höchstpreise. Dennoch bestehen weiterhin eklatante Preisunterschiede im Vergleich zu Österreich, Deutschland und Frankreich. Einige Beispiele:
- So kostet etwa der Åsnen-Badezimmerspiegel in der Schweiz Fr. 79.-, während er in Deutschland für umgerechnet Fr. 46.40 zu haben ist - in der Schweiz ist er also 70 Prozent teurer (siehe Tabelle Seite 39).
- Oder der Teppich Tårnby: Er wird in der Schweiz für Fr. 159.- verkauft - das sind 49 Prozent mehr, als man in Frankreich bezahlt (Fr. 106.95).
- Für das Katzenkissen Päls verlangt Ikea in der Schweiz mit Fr. 8.90 rund 44 Prozent mehr als in Deutschland (Fr. 6.20).
- Gar über Fr. 100.- mehr müssen Schweizer Kunden für das Doppelbettgestell Ekkeberg hinblättern: Fr. 395.- statt Fr. 289.10 in Österreich.
Von einheitlichen Preisen kann demnach nach wie vor keine Rede sein. Dies, obwohl sich die Einrichtungsgegenstände von Schweden über die Schweiz bis nach Spanien gleichen wie eine Schraube der anderen.
Doch es gibt auch eine gute Nachricht: Schweizer Kunden müssen nicht mehr in allen Fällen tiefer ins Portemonnaie greifen. So kostet der Esstisch Ekhard mit Fr. 379.- hier knapp die Hälfte weniger als in Frankreich (Fr. 695.95). Und das Karlanda-Eck-sofa 3+2 ist Fr. 335.- günstiger als im westlichen Nachbarland.
Preisdifferenzen betragen «im Schnitt 40 Prozent»
Wer sich also für Möbel mit Namen wie Hagali, Ekkeberg und Pellejöns interessiert, sollte vor der Fahrt ins Ausland die Preise im Internet auf den jeweiligen Landesseiten (www.ikea.ch, www.ikea.de usw.) vergleichen.
Ein Test des europäischen Verbraucherzentrums (EVZ) in Düsseldorf (D) bestätigt die SPEZIAL-Recherche. Das EVZ stiess diesen Sommer auf Preisdifferenzen von bis zu 72 Prozent innerhalb 17 europäischer EU-Länder. Fazit der Konsumentenschützer: «Die Preisdifferenzen sind gewaltig, durchschnittlich über alle Länder hinweg 40 Prozent.»
Die generell hohen Schweizer Preise begründet Ikea-Marketingleiter Carlos Friedrich mit höheren Personal- und Immobilienkosten: «Grundsätzlich legen wir die Preise in der Schweiz selbst fest, mit dem Ziel, immer mindestens 10 bis 15 Prozent billiger als die Konkurrenz zu sein.» Seit 1996 habe man die Preise durchschnittlich um 24 Prozent gesenkt. Friedrich betont immerhin, dass 70 Prozent höhere Preise nicht gerechtfertigt seien (wie das beim erwähnten Badezimmerspiegel der Fall ist) und man «der Sache nachgehen wird».
Allerdings werde Ikea künftig nicht mehr maximale Preisunterschiede von 15 Prozent versprechen. Diese Kehrtwendung erstaunt nicht: Wirtschaftlich sieht der Möbelgigant keinen Grund, an seiner Preispolitik etwas zu ändern. Ikea machte 2003 in der Schweiz über 500 Millionen Franken Umsatz - 12 Prozent mehr als im Vorjahr. Auch weltweit legte der Riese unaufhörlich zu: 21 Milliarden Franken Umsatz in 180 Filialen.
Im Bestreben, die Einkaufspreise tiefstmöglich zu halten, wird die Produktion aber immer mehr vom Mutterland Schweden nach Osteuropa und Asien ausgelagert. China löst das Stammland langsam ab. Immer mehr Hocker, Tische und Gestelle werden zudem in Indien, Bangladesh und Pakistan gefertigt. Weltweit bezieht Ikea Produkte von 2150 Lieferanten, welche die Arbeit zum Teil an unzählige Unterlieferanten auslagern.
Menschenrechtsverstösse bei der Produktion
Die Zeche für Ikeas Streben nach immer tieferen Preisen und höheren Renditen bezahlen Tausende Arbeiterinnen und Arbeiter in den Tiefstlohnländern. Das belegt eine Studie über Arbeitsbedingungen bei Lieferanten in Indien, Vietnam und Bulgarien im Herbst 2003. Die holländische, staatlich mitfinanzierte Drittweltorganisation Somo besuchte die Fabriken und stellte zahlreiche Menschenrechtsverstösse fest. So müssen Angestellte in Indien und Vietnam häufig 7 Tage pro Woche arbeiten, sonst riskieren sie, die Stelle zu verlieren.
Dies steht im krassen Gegensatz zum Ikea-internen Kodex, wonach die rund 10 000 Produkte «sozial verantwortungsvoll produziert werden müssen». Ikea gesteht denn auch, dieses Ziel noch nicht erreicht zu haben.
Handlungsbedarf besteht zudem in Nha Thrang, Vietnam. Dort schafft eine Flechterin pro Tag einen Rattansessel und erhält dafür Fr. 3.50. Das ist zwar mehr als der (unzureichende) gesetzliche Mindestlohn. Nur: Der Lieferant verkauft das Stück an Ikea für Fr. 12.40 weiter, während Schweizer Konsumenten im Laden für den Rattansessel Agen 39 Franken bezahlen.
Von dieser Preispolitik profitiert auch die Ikea-Chefetage. Gründer Ingvar Kamprad ist einer der reichsten Männer der Welt. Laut «Bilanz» verfügt er über ein Vermögen von 15-16 Milliarden Franken.