«In der Regel ist davon auszugehen, dass ein Gebäude vier Gebäudeseiten hat.» Dieser wegweisende Satz stammt nicht von mir. 

Ich habe ihn in einem Informationsschreiben des Kantons Bern an die Gemeinden ge­funden. Das Schreiben umfasst 22 Seiten und enthält Weisungen darüber, wann es für eine Reklame eine Baubewilligung braucht.

Spotten Sie nicht: Schon nur die Sache mit den Gebäudeseiten ist nicht so banal. Denn laut den Weisungen gibt es auch Gebäude mit «Fassadenvor- oder -rücksprüngen». Diese gelten nicht als zusätzliche Gebäudeseite. Aber «bei unregelmässigen Gebäudegrundrissen ist im Einzelfall zu prüfen, wie viele Gebäudeseiten vorliegen». Und: Dächer sind keine Gebäudeseiten, aber «wesentliche Gestaltungselemente».

Ich habe mich durch die 22 Seiten gekämpft. Und ich muss sagen: Unternehmer, die eine Reklame aufstellen wollen, sind arm dran. 

Sie müssen sich ans Strassenverkehrsgesetz halten, an die Signalisationsverordnung, die Verordnung über technische Anforde­rungen an Strassenfahrzeuge, das Um­welt­schutz­gesetz, das Raumplanungsgesetz, das kan­tonale Baugesetz, das Waldgesetz, das See- und Flussufergesetz, das Wasserbaugesetz, das Bewilligungsdekret.

Und auch an Bundesgerichtsurteile: Eines besagt, dass Schaufenster und Schaukästen keine Baubewilligung brauchen. Es sei denn, im Schaufenster stehe ein «gross­formatiger Flachbildschirm, der Standbilder zeigt, die alle 10 Sekunden wechseln» – dann braucht es eine Baubewilligung.

Eine Baubewilligung! Für einen Flachbildschirm! Obs auch für einen Röhrenbildschirm eine braucht, steht nirgends. Wie sähe es aus, wenn die Standbilder fleissiger wechseln ­würden? Oder seltener? Vielleicht müsste der Kanton Bern seine Weisungen noch leicht ergänzen. So 150 Seiten sollten reichen.