Der 78-jährige Bernhard Lex aus Berikon AG hat die Zeitschrift «Glückspost» des Ringier-Verlags aus einem einzigen Grund abonniert: der Doppelseite «Finde mich!». Darin suchen Alleinstehende per Inserat einen Partner.
Doch wenn sich Rentner Lex von einer Anzeige angesprochen fühlt, kann er die Inserentin nicht direkt kontaktieren. Die Inserate sind anonym. Bernhard Lex muss eine kostenpflichtige Hotline anrufen. Ein Telefonroboter nimmt den Anruf entgegen. Lex muss die im Inserat angegebene Nummer eintippen, und erst dann wird er mit der Inserentin verbunden. Kosten: Fr. 3.50 pro Anruf und pro Minute. Dieser Tarif ist im Heft gut sichtbar angegeben.
Doch der Rentner erschrak, als er gemäss Telefonrechnung vom September für seine Anrufe auf die Hotline rund 150 Franken bezahlen musste. Grund: Der Betreiber der «Glückspost»-Partnervermittlung hat vergangenen September den Anrufroboter durch einen Call-Center-Mitarbeiter ersetzt, der die Anrufer in ein Gespräch verwickelte: Der Mitarbeiter gab den Anrufern vor, angeblich passende Frauen für sie zu finden.
Ein leeres Versprechen: Keine Frau nahm den Anruf von Leser Lex entgegen. Allein dieser erfolglose Anruf kostete den Partnersuchenden 126 Franken. «Man kommt ins Plaudern und geht dem netten Call-Center-Mitarbeiter auf den Leim», sagt Lex zum K-Tipp. Die hohe Rechnung setze ihn finanziell unter Druck. Lex: «Wie viele andere Pensionierte habe ich ein kleines Budget.»
Eine weitere K-Tipp-Leserin erlebte dasselbe. Auf ihrer Telefonrechnung vom September war ein über 200 Franken teures erfolgloses Gespräch mit dem Call-Center-Mitarbeiter der «Glückspost» belastet. Auch sie wurde am Telefon nie mit einem anderen Kontaktsuchenden verbunden.
Die Ansagen sind sehr langsam gesprochen
Mittlerweile nimmt zwar wieder ein Anrufroboter die Anrufe entgegen. Doch auch der Automat generiert unnötig hohe Kosten: Die Ansagen sind ausführlich und langsam gesprochen. Bis das Telefon beim Inserenten zum ersten Mal klingelt, vergehen immer rund drei Minuten. Dann sind schon Kosten von mindestens 14 Franken angefallen – für einen einzigen Anruf.
Die Ansagen lassen sich nicht überspringen. «Und man ruft sehr oft vergebens an», sagt Bernhard Lex.
Für den 78-Jährigen ist klar: «Einsame Menschen werden von Ringier gnadenlos abgezockt.» Die Mehrheit der «Glückspost»-Leser ist laut Ringier über 60 Jahre alt. Die «Glückspost» hat eine Auflage von rund 100'000 Exemplaren.
Der Verlag nimmt zum Vorwurf, dass «Glückspost»-Leser von Call-Center-Mitarbeitern 30 Minuten und mehr hingehalten werden, nicht Stellung. Zur Kritik an der Hotline verweist Ringier auf den «Vertragspartner» Dating-point.ch. Auf dieser Internetseite ist nur eine anonyme Kontaktadresse ersichtlich – weder eine verantwortliche Person noch eine verantwortliche Firma. Ringier weigert sich, den Namen des Betreibers zu nennen.
Hotline-Betreiber ist kein Unbekannter
Der K-Tipp weiss: Hinter der Hotline steht Oliver Paschaweh. Er ist kein Unbekannter: Seit den 2000er-Jahren wird er immer wieder wegen seiner Firmen und deren teuren Hotlines kritisiert. Der «Beobachter», der heute zu Ringier gehört, warnte bereits 2007 vor diesen Callcentern und berichtete über Geschädigte. Oliver Paschaweh nahm gegenüber dem K-Tipp nicht Stellung.
Ringier sagt auf Nachfrage des K-Tipp, dass man die Zusammenarbeit mit Dating-point.ch Ende Jahr beenden werde. Künftig könnten Singles Inserate in der «Glückspost»-Rubrik «Rendezvous» direkt beim Ringier-Verlag buchen. Diese Inserate sind aber ebenfalls sehr teuer: Kosten für das kleinste 1-spaltige Inserat mit Chiffre: Fr. 189.60 pro Erscheinung.
Partnerbörsen im Internet: Das gilt es zu beachten
Telefon-Hotlines eignen sich nicht für die Partnersuche. Im Internet finden ältere Singles diverse Plattformen, die sich auf ältere Leute spezialisiert haben. Das Magazin «Gesundheitstipp» hat sechs Portale miteinander verglichen: Datearentner.ch, Date50.ch, Zusammen.ch, Zweiterfruehling.ch, 50plus-treff.ch und 50slove.ch. Mit monatlichen Kosten von bis zu 120 Franken sind einige aber recht teuer («Gesundheitstipp» 6/2023).
Das gilt es bei der Partnersuche im Internet zu beachten:
- Verwenden Sie eine E-Mail-Adresse, in der Ihr Vor- und Ihr Nachname nicht vorkommen.
- Seien Sie ehrlich: Geben Sie Ihr richtiges Alter an, und verwenden Sie ein natürliches Bild.
- Lassen Sie sich nicht auf zu lange E-Mail-Wechsel ein. Telefonieren Sie bei Interesse, und machen Sie relativ bald ein Treffen ab.
- Treffen Sie sich an einem neutralen Ort, etwa im Café, oder machen Sie einen Spaziergang.
- Überweisen Sie kein Geld an Leute, die Sie nicht kennen.
- Partnervermittlungsverträge sind nur mit Unterschrift gültig. Sie sind laut Gesetz jederzeit kündbar.
- Abos möglichst per Rechnung bezahlen. Belastungen der Kreditkarte nur akzeptieren, wenn die Beträge persönlich autorisiert wurden. Bei nicht autorisierten Belastungen für automatische Verlängerungen innert 30 Tagen reklamieren und den Betrag nicht bezahlen.