Am 22. Oktober entscheiden die Stimmberechtigten, wer demnächst im Parlament das Sagen haben soll. Im Nationalrat treten 154 und im Ständerat 34 Politikerinnen und Politiker wieder an, die seit Dezember 2019, dem Beginn der nun zu Ende gehenden Amtszeit, im Bundeshaus sassen.
Der K-Tipp wollte wissen, wer von ihnen ein offenes Ohr für Konsumentenanliegen hatte. Zu diesem Zweck wurden im Nationalrat 161 und im Ständerat 94 Abstimmungen ausgewertet, die für die Konsumentinnen und Konsumenten wichtig waren. Im Fokus standen etwa Mietzinse, Krankenkassenprämien, Pestizide in Trinkwasser und Nahrungsmitteln, Altersrenten, Datenschutz, überhöhte Preise und vieles mehr (siehe Tabelle).
Die wichtigsten Ergebnisse der Auswertung:
- Der Nationalrat stimmte bei 100 der 161 Abstimmungen im Interesse der Konsumenten ab – also bei mehr als 60 Prozent. In der Amtsperiode von 2015 bis 2019 hatte er dies nur bei 13 der vom K-Tipp untersuchten 50 Abstimmungen (26 Prozent) getan. Der Nationalrat wurde nach den letzten Wahlen also konsumentenfreundlicher.
- Getrübt wird dieser Befund durch den Umstand, dass der Ständerat diverse konsumentenfreundliche Entscheide des Nationalrats kippte. Die kleine Kammer stimmte nur bei 39 der 94 ausgewerteten Abstimmungen (41,5 Prozent) im Sinne der Bürgerinnen und Bürger.
- Über 74 für Konsumenten wichtige Gesetze und Vorstösse stimmten beide Räte ab – aber nur 31 davon entschieden sowohl der National- als auch der Ständerat konsumentenfreundlich. So beschlossen sie etwa strengere Regeln für Versicherungsvermittler: Sie reduzierten Provisionen und erhöhten die Hürden für Telefonwerbung. Weiter verboten sie es Buchungsportalen wie Booking.com, den Hotels bei der Direktvermarktung auf deren eigenen Internetseiten Mindestpreise vorzuschreiben. Und sie sagten Ja zu – bescheidenen – Überbrückungsleistungen für Leute, die mit 60 Jahren oder später ausgesteuert werden.
- Von den Wiederkandidierenden zeigten sich im Ständerat Maya Graf (Grüne/BL) und Carlo Sommaruga (SP/GE) am häufigsten konsumentenfreundlich, nämlich bei 81 der 94 Abstimmungen. Im Nationalrat landete Ursula Schneider Schüttel (SP/FR) an der Spitze, die bei 149 der 161 Abstimmungen im Konsumenteninteresse stimmte. Dazu sagt die Freiburgerin: «Konsumentinnen und Konsumenten befinden sich punkto Informationen über Qualität und Preis der Produkte am kürzeren Hebel. Dabei sind gerade Leute mit kleinem Budget auf faire Angebote angewiesen. Deshalb engagiere ich mich für mehr Transparenz und einen besseren Konsumentenschutz.»
Mitte nur mässig konsumentenfreundlich
- Auf der Rangliste nach Konsumentenfreundlichkeit belegen in beiden Parlamentskammern Mitglieder von SP und Grünen die vordersten Ränge. Die erste Parlamen-tarierin, die nicht dem linksgrünen Lager angehört, folgt im Ständerat auf Platz 8 – Heidi Z’graggen (Mitte/UR). Im Nationalrat ist es auf Platz 56 EVP-Präsidentin Lilian Studer aus dem Aargau.
- Im Mittelfeld der Rangliste befinden sich im Ständerat vorab Politiker aus der Mitte-Partei, im Nationalrat auch noch alle Grünliberalen. Am seltensten stimmten in beiden Räten Abgeordnete von SVP und FDP für Konsumentenanliegen.
- Schlusslicht ist im Nationalrat Thomas de Courten (SVP/BL), der bei lediglich 26 der 161 Entscheidungen im Sinne der Konsumenten stimmte. Im Ständerat tragen Martin Schmid (FDP/GR) und Philippe Bauer (FDP/NE) gemeinsam die rote Laterne. Sie zeigten bei nur 15 der 94 Abstimmungen ein offenes Ohr für Konsumentenanliegen.
Philippe Bauer sagt gegenüber dem K-Tipp, «noch nie gegen die Interessen der Konsumenten gestimmt» zu haben. Er habe sich beim Abstimmen stets bemüht, seiner Auffassung von Allgemeinwohl zu folgen – diese stimme offenbar nicht mit der des K-Tipp überein.
In diesem Sinne äussern sich weitere Parlamentarier, die auf den hinteren Rängen landeten. Nationalrat Erich Hess (SVP/BE) hält zudem, ähnlich wie Christian Wasserfallen (FDP/BE), fest: «Mehr Vorschriften führen in der Regel zu höheren Preisen.»
FDP-Präsident Thierry Burkart, Ständerat aus dem Aargau, sagt, seine Partei setze sich «für den mündigen Konsumenten und Bürger ein: weniger Steuern, weniger Bürokratie, dafür mehr im Portemonnaie – kurz: liberale Rezepte».
Und SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi aus Zug meint: «Die SVP setzt sich für tiefere Steuern und Abgaben ein. Das ist konsumentenfreundlicher, als wenn das Duschgel oder der Käse zwei Rappen billiger sind.»
Vorstösse aus allen politischen Lagern
Der K-Tipp berücksichtigte für die Auswertung parlamentarische Abstimmungen sowohl über neue Gesetze als auch über Vorstösse, die für Konsumenten wichtig sind. Diese stammen aus allen politischen Lagern, also auch von bürgerlicher Seite – etwa die Forderung von Mitte-Präsident Gerhard Pfister aus Zug, Schweizer Garagisten im Autohandel vor Knebelverträgen zu schützen. Oder das Anliegen von Ständerat Damian Müller (FDP/LU), erwerbstätige Eltern von schwer kranken Kindern besser zu unterstützen.
Liste der Geschäfte:
Detaillierte Auswertungen des Abstimmungsverhaltens aller Kandidaten, aufgegliedert nach Kantonen: