Annelies Graf (Name geändert) aus Rickenbach SZ wurde um ihr Erspartes gebracht. Verkäufer der Firma WK Wertkontor GmbH mit Sitz in Gütersloh (D) riefen sie im Jahr 2016 an. Die 76-jährige Rentnerin kaufte ihnen seither für rund 70'000 Franken mehrere Nachdrucke historischer Bücher ab, sogenannte Faksimiles.
«Man sagte mir, deren Wert werde steigen», erzählt Graf dem K-Tipp. Die Bücher habe sie als eine Art Altersvorsorge gekauft. Das erwies sich als Irrtum. Heute ist sie auf Ergänzungsleistungen angewiesen.
Graf bezahlte beispielsweise 3999 Franken für den «Atlas Heinrichs VIII.» und 2499 Franken für die «Schätze der Buchmalerei – von Liebe und Leidenschaft». Doch diese Bücher sind weit weniger wert. In der deutschen Fernsehsendung «Spiegel TV» schätzte ein Gutachter den Wert ähnlicher Bücher auf nicht mehr als 30 bis 50 Franken.
Grundsätzlich ist etwas so viel wert, wie jemand bereit ist, dafür zu bezahlen. Darauf weist Wertkontor Kunden in einem Informationsbrief hin: «Die Wert-entwicklung von Faksimiles unterliegt den gleichen Bedingungen wie zum Beispiel der Kunstmarkt: Angebot und Nachfrage regeln den Preis.» Auf Anfrage des K-Tipp sagt das Zürcher Auktionshaus Koller, die «Schätze der Buchmalerei» würden bei Auktionen 300 bis 500 Franken und der «Atlas Heinrichs VIII.» zwischen 800 und 1200 Franken einbringen.
Der K-Tipp versuchte, die Bücher auf der Auktionsplattform Ricardo.ch zu verkaufen. Doch niemand gab ein Gebot ab. Auch die Firma Wertkontor wollte die Bücher nicht zurückkaufen. Auf eine Anfrage des K-Tipp reagierte sie nicht.
11'200 Franken für einen Registereintrag
Annelies Graf wurde von weiteren Verkäufern kontaktiert. 2022 stand bei ihr plötzlich ein Mitarbeiter eines Gutachters namens Jürgen Stanislau aus Berlin vor der Tür. Die Seniorin liess sich von ihm ein «Premium Gutachten» für drei Bücher der WK Wertkontor erstellen. Dafür verlangte der Mann 3200 Franken. Die Bücher – alle in der Originalverpackung – habe er kurz angeschaut, erzählt Graf. «Er sagte, sie befänden sich in einem Topzustand.» Gegenüber dem K-Tipp sagt Jürgen Stanislau, die Werke würden grundsätzlich vor Ort in Augenschein genommen und geprüft.
Im Juni dieses Jahres wurde Graf schliesslich von einem Mann namens Umed Hasan kontaktiert. Er ist Geschäftsführer der W & W Mediathek GmbH mit Sitz in Stadel bei Winterthur ZH. Seine Firma sei in der Lage, Graf beim Verkauf der Bücher zu helfen, behauptete Hasan. «Er wusste genau, welche Bücher ich habe», sagt die Rentnerin. Ein Vertreter sei vorbeigekommen und habe die Dienstleistung für 4000 bis 9000 Franken offeriert. Doch Graf lehnte ab. «Ich hatte kein Geld mehr», sagt sie. Welche Dienstleistungen die W & W Mediathek GmbH erbringt, verriet Umed Hasan dem K-Tipp auf Anfrage nicht.
Auch Vera Milic (Name geändert) aus Bachenbülach ZH liess sich von WK Wertkontor über Jahre Bücher andrehen. Die 72-Jährige gab dafür laut ihrer Tochter über 100'000 Franken aus. Sie kaufte etwa die «Vita des heiligen Georg» für 13'999 Franken. Vor rund einem Jahr erhielt sie Besuch eines Vertreters der E & K Buch-Kunstregister GmbH mit Sitz in Berlin. Er behauptete, mit einem Eintrag bei Buch-Kunstregister könne Milic ihre Bücher verkaufen. Sie unterschrieb einen «Gold»-Vertrag zum Preis von nicht weniger als 11'200 Franken. Die Firma verpflichtete sich im Gegenzug bloss, drei Bücher in einem Internetregister zu erfassen. Doch dort gibt es unzählige Angebote dieser Art. Eine Kaufanfrage erhielt Milic nie.
Die Zürcherin forderte ihr Geld zurück – vergeblich: Die Firma Buch-Kunstregister reagierte selbst auf Briefe eines Rechtsanwaltes nicht. Auch eine Anfrage des K-Tipp blieb unbeantwortet.
Bücherkauf: Das sollte man wissen
Grundsätzlich ist ein Kaufvertrag für beide Parteien verbindlich. Davon ausgenommen sind Haustürgeschäfte, die am Telefon oder an der Haustür abgeschlossen wurden. Diese kann man innert 14 Tagen widerrufen – ohne Angabe von Gründen.
Weist der Verkäufer korrekt auf das Widerrufsrecht hin – wie die WK Wertkontor GmbH in ihrem Informationsschreiben – und ist die Frist für den Widerruf abgelaufen, können Kunden innert einem Jahr seit Vertragsabschluss Übervorteilung geltend machen. Eine solche liegt vor, wenn ein offensichtliches Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht und der Verkäufer die Unerfahrenheit des Kunden ausgenutzt hat.
Liegt der Kauf mehr als ein Jahr zurück, können Kunden den Vertrag wegen absichtlicher Täuschung anfechten und geltend machen, sie seien über den Wert der Bücher getäuscht worden.