Coop schreibt im Internet: «Von 2010 bis 2022 haben wir unseren ganzen Strom in der Schweiz aus Wasserkraft bezogen.» Auf Nachfrage des K-Tipp stellt sich jedoch heraus: Coop bezieht nicht direkt Strom von Wasserkraftwerken. Vielmehr erwirbt das Unternehmen Strom, der zu mehr als 90 Prozent aus dem internationalen Grosshandel stammt.
Solcher Handelsstrom wird etwa je zur Hälfte aus erneuerbaren Quellen wie Wasser und Sonne sowie aus nicht erneuerbaren Quellen wie Atom- und Kohlekraft hergestellt. Coop kauft für die eingekaufte Strommenge Herkunftsnachweise von Wasserkraftwerken. Auf diese Weise lässt sich der eingekaufte Strom legal als Wasserkraftstrom deklarieren.
Das funktioniert so: Die Stromproduzenten stellen für jede produzierte Kilowattstunde Zertifikate aus. Diese besagen, wo und wie der Strom gewonnen wurde. Stromversorger können diese Zertifikate unabhängig vom physischen Strom kaufen und so den Abnehmern zum Beispiel Atomstrom als Öko-Strom verkaufen (K-Tipp 17/2023).
Etikettenschwindel bei vielen Firmen
Neben Coop behaupten auch Unternehmen wie Migros, Swisscom, Post, Ruag, Holcim, Zurich und UBS, ausschliesslich erneuerbaren Strom zu beziehen. Doch auch sie verwenden gängigen Strom, der mit Zertifikaten auf dem Papier in ökologischen Strom umetikettiert wird.
Für den Klimaexperten Georg Klinger von der Umweltorganisation Greenpeace sind die Versprechen der Firmen irreführend: «Nur wer den Strom wirklich direkt von erneuerbaren Anlagen kauft, soll behaupten dürfen, er beziehe erneuerbaren Strom.»
Coop schreibt, man deklariere den Strom nach dem «üblichen Vorgehen». Andere Unternehmen argumentieren ähnlich. Die Migros sagt, man könne die aktuelle Stromkennzeichnung «sicher kritisch betrachten». Immerhin: Die Migros kauft bei 50 Solar- und Wasserkraftwerken direkt Strom ein. Das deckt aber nur 3,5 Prozent ihres gesamten Stromverbrauchs. Weitere 3,5 Prozent produziert die Migros mit eigenen Solaranlagen. Die Post produziert 10 Prozent ihres Stroms mit Solarmodulen selber, bei Coop und Swisscom sind es einige wenige Prozent.
Greenpeace sagt, man kaufe den ganzen benötigten Strom über die Plattform «Strom von hier» bei Solarkraftwerken. Der Aufpreis zu handelsüblichem Strom beträgt 15 Rappen pro Kilowattstunde.
Firmen fahren generell günstiger, wenn sie statt Strom aus erneuerbaren Quellen solchen mit Ökozertifikat kaufen. Besonders billig sind ausländische Wasserkraftzertifikate: Sie kosten lediglich 0,1 bis 0,5 Rappen pro Kilowattstunde. Für Zertifikate aus der Schweiz zahlt man bis zu 1 Rappen oder mehr. Eine Kilowattstunde Strom kostete im Handel im November rund 10 Rappen.
Patrick Hofstetter von der Umweltorganisation WWF empfiehlt umweltbewussten Unternehmen, erneuerbaren Strom selber zu produzieren oder direkt bei neuen Kraftwerken einzukaufen. Firmen, die Zertifikate verwenden wollen, rät Hofstetter zu Herkunftsnachweisen aus der Schweiz, die mit strengen ökologischen Auflagen verbunden seien. Verlässlich sei das Label «Nature Made Star».