Berufsleben
Marianna Dobler, 57, Parfümerie-Verkäuferin bei Marionnaud in Wohlen AG
Inhalt
saldo 19/2008
17.11.2008
Letzte Aktualisierung:
18.11.2008
Anouk Holthuizen
Seit 40 Jahren bin ich Parfümerie-Verkäuferin. Das ist mein Traumjob. Ich beschäftige mich den ganzen Tag mit etwas Schönem: Unsere Kunden wollen sich selbst oder jemand anderem etwas Gutes tun, und ich berate sie dabei.
Die Arbeit ist mit den Jahren viel komplizierter geworden. Als ich meine Lehre in einer Parfümerie an der Bahnhofstrasse in Zürich machte, interessierte sich niemand für den Einfluss der Sonne und der Ernährung auf die ...
Seit 40 Jahren bin ich Parfümerie-Verkäuferin. Das ist mein Traumjob. Ich beschäftige mich den ganzen Tag mit etwas Schönem: Unsere Kunden wollen sich selbst oder jemand anderem etwas Gutes tun, und ich berate sie dabei.
Die Arbeit ist mit den Jahren viel komplizierter geworden. Als ich meine Lehre in einer Parfümerie an der Bahnhofstrasse in Zürich machte, interessierte sich niemand für den Einfluss der Sonne und der Ernährung auf die Haut. Heute sind die Kundinnen und Kunden informierter und kaufen bewusster ein. Die Forschung erweitert ständig unser Wissen, und die Medien berichten ausführlich über Gesundheitsthemen.
Früher gabs keine Pflegelinien für Männer. Als ich jung war, kamen Männer nur in den Laden, wenn sie ein Geschenk für ihre Partnerin brauchten. Oder sie holten sich schnell ein Rasierwasser. Heute ist das Erscheinungsbild von Männern wichtiger; zumindest glauben sie das. Gerade die jungen Männer kaufen ungeniert Pflegeprodukte für sich selbst.
In meinem Beruf darf man nicht stehen bleiben. Ich habe zahlreiche Weiterbildungen gemacht, unter anderem zur Kosmetikfachfrau. Wenn ein Kunde den Laden betritt, brauche ich nur einen kurzen Blick auf sein Gesicht zu werfen und sehe, welcher Hauttyp er ist. Seine Kleidung und Frisur verraten mir, in welcher Ecke ich sein Duftempfinden ansiedeln muss. Aber man kann sich da natürlich irren. Schwierig wird es, wenn ein Kunde ein Parfüm für jemand anderen kauft. Dann frage ich jeweils, wie alt die Person ist und ob sie eher ein sportlicher oder eleganter Typ ist.
Für mich selbst ist Kosmetik das Leben. Ich gehe zu Hause nicht einmal an den Briefkasten, ohne mich schön zu schminken. Kosmetika sind heute gar nicht mehr so teuer, wie man meint. Ich betrachte das als Berufsauslage. Würde ich auf dem Bau arbeiten, müsste ich ja auch ein Gwändli bezahlen. Eine Entschädigung fürs Schminken bekommen wir nicht, aber das ist mir gleich. Ich bin gerne ein Vorbild für die Kundschaft, besonders für die Jungen.
Morgens öffnen wir um 9 Uhr. Wir arbeiten immer zu zweit. Dann mache ich die Kasse parat, kontrolliere die eingegangenen Waren und bereite sie für den Verkauf vor. Auf den Regalen darf es keinen Staub und keine Fingerabdrücke haben. Auch lese ich zwischendrin in Ruhe die Informationen, die wir mit neuen Produkten erhalten. Darin sind die Eigenschaften von Parfüms beschrieben und deren Zielgruppe. Die meisten Düfte hab ich im Kopf; ich kann sie immer einem Stil zuordnen.
Die Klassiker verschwinden zusehends. Viele ältere Kundinnen reagieren richtig traurig, wenn ich sagen muss, dass wir ihr geliebtes Parfüm nicht mehr geliefert bekommen. Mit einem Geruch sind ja oft Erinnerungen verbunden. Aber man sollte nicht ein Leben lang den gleichen Duft tragen. Denn nach einer gewissen Zeit wird der Mensch duftblind und trägt mehr und mehr auf. Ohne zu merken, dass er eine riesige Wolke hinterlässt.
Manchmal wünschen Kundinnen eine Schminkberatung. Das mache ich wahnsinnig gern. Die Frauen fühlen sich schön, wenn sie den Laden verlassen. Sie bewegen sich ganz anders, wenn sie ungeschminkt hereinkommen. Ich glaube deshalb, dass die Emanzipation nicht nur eine innerliche Befreiung war. Sie zeigte sich auch im Wunsch, gut aussehen zu wollen und sich dazu zu bekennen. Sich schön zu fühlen, stärkt das Selbstwertgefühl.