So hatte sich Marco Nüssli aus Chur die Eingewöhnung seines Sohnes in der Kinderkrippe nicht vorgestellt. Der einjährige Laurin klammerte sich jeden Morgen voller Angst an die Eltern. Der Vater sagt: «Er schrie auch nach zehn Minuten noch herzzerreissend.» Alle Tröstungsversuche scheiterten.
Marco Nüssli und seine Partnerin hatten das Kind im März bei einer Kita in Chur angemeldet. Fünf Tage Betreuung in der Woche kosteten 2200 Franken pro Monat. Nach zwei Wochen Eingewöhnungszeit und drei regulären Wochen ohne Besserung hielten es die Eltern nicht mehr aus. Sie wollten den Vertrag innerhalb der Probezeit auflösen.
Krippe beharrte auf der Kündigungsfrist
Mit einer Vertragsauflösung war die Leiterin der Krippe jedoch nicht einverstanden: Eine Probezeit gebe es nicht. Die Kita hielt an einer Kündigungsfrist von drei Monaten fest, die im Betriebsreglement festgehalten sei. Dieses finde man auf der Internetseite der Kita. Daher seien bis zum Ende der Kündigungsfrist die Betreuungskosten von insgesamt 7240 Franken für drei Monate plus weitere Gebühren geschuldet. 2200 Franken davon zahlten die Nüsslis für den ersten Monat. Den Restbetrag wollten sie jedoch nicht begleichen.
«Die Betreuerin übergab uns bei Vertragsabschluss kein Reglement», erzählt Marco Nüssli. «Und auf der Internetseite konnte man es nicht öffnen.»
Die Kita entgegnete, im Betreuungsvertrag stehe, dass das Betriebsreglement «Bestandteil des Vertrags» sei. Sie bestritt zudem, dass der Internetlink zum Reglement nicht funktioniere.
Vorzeitiger Ausstieg möglich
Tatsächlich können Kinderkrippen den Inhalt ihrer Verträge frei festlegen. Es ist zulässig, auf eine Probezeit zu verzichten und eine Kündigungsfrist zu vereinbaren. Vertragsexperten sind sich aber einig: Bei einem wichtigen Grund kann man einen langen Vertrag vorzeitig auflösen. Das zeigt auch die Gerichtspraxis.
Der St. Galler Rechtsprofessor Arnold F. Rusch und der Winterthurer Anwalt Michael Hochstrasser publizierten bereits im Jahr 2007 einen Fachbeitrag zum Thema Verträge mit Kinderkrippen. Darin kamen sie zum Schluss, dass die Parteien den Vertrag bei «unzumutbaren aussergewöhnlichen Umständen» ohne Kündigungsfrist auflösen dürfen. Das sei beispielsweise der Fall bei einer grossen Gefährdung des Kinds wegen hygienischen Missständen oder unfähigem Personal.
Für einen sofortigen Ausstieg liege hingegen kein hinreichender Grund vor, wenn Eltern die Kündigung verursachen, zum Beispiel bei einem Wohnortwechsel oder Jobverlust.
Lässt sich ein Kind nicht in eine Krippe eingliedern, ist laut den Rechtsexperten eine fristlose Kündigung möglich, wenn die Weiterbetreuung durch die Kita während der Kündigungsfrist unzumutbar ist. Bei der Familie Nüssli stünden die Chancen bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung also nicht schlecht.
Dazu kommt es nun nicht. Als sich der K-Tipp einschaltete, lenkte die Churer Krippe vor kurzem ein. Laut dem Kita-Präsidenten verzichtet man auf weitere Forderungen gegenüber den Eltern. Laurin besucht bereits seit Monaten eine andere Krippe – ohne Probleme.
Das gilt bei Kinderkrippen
- Probezeit: Kindertagesstätten können den Inhalt der Verträge mit den Eltern frei festlegen. In einigen Verträgen ist eine Probezeit von einem Monat vorgesehen. Oft ist im Kleingedruckten auch von einer Eingewöhnungszeit von zwei oder mehr Wochen die Rede. Tipp: Prüfen Sie, ob Sie den Vertrag mit der Kita noch bis zum letzten Tag der Eingewöhnung kündigen dürfen.
- Kündigungsfrist: Nach der Anfangszeit gelten bei den meisten Kitas Kündigungsfristen von einem bis drei Monaten. Wer sein Kind ohne zwingenden Grund vor Ablauf der Kündigungsfrist aus der Krippe nimmt, muss die Kosten weiter zahlen. Man darf davon aber abziehen, was die Krippe ohne das Kind an Kosten einspart, etwa das Geld für Essen. Kann die Krippe den Platz sofort neu besetzen, schulden die Eltern kein Geld mehr.
- Vertragsänderung: Krippen räumen sich in den Verträgen oft das Recht ein, das Reglement einseitig zu ändern. Preiserhöhungen oder schlechtere Vertragsbedingungen sind jedoch nie einseitig möglich – gültig sind sie nur mit Zustimmung der Eltern.
- Aufsicht: Jede Kinderkrippe untersteht einer kantonalen Aufsichtsbehörde. Bei schwerwiegenden Problemen können Eltern das Problem der Aufsichtsbehörde melden.