Die 15-jährige Adelina Wyss wollte in Lausanne ein Jahr lang als Au-pair bei einer Gastfamilie arbeiten und Französisch lernen. Doch schon am Schnuppertag fühlte sich die Jugendliche bei der vermittelten Familie unwohl. Für sie stand fest: Sie wollte wieder weg.
Vier Monate zuvor hatte sich die Jugendliche bei der Vermittlungsorganisation Didac für ein Au-pair-Jahr in der Romandie angemeldet. Sie plante, 12 Stunden pro Woche eine Sprachschule zu besuchen und 30 Stunden bei der Gastfamilie im Haushalt zu arbeiten. Didac verspricht im Vertrag, man versuche bei Unstimmigkeiten, einen Wechsel der Familie zu ermöglichen.
Nach Schnuppertag Vertrag gekündigt
Doch statt der Adresse einer Ersatzfamilie erhielt Adelina nach dem Schnuppertag die Kündigung ihres Au-pair-Vertrags. Die bezahlte Einschreibegebühr von 500 Franken wollte Didac nicht erstatten. Begründung: «unzumutbares Verhalten». Das sieht der Vertrag als Kündigungsgrund ausdrücklich vor. Laut der Vermittlungsorganisation äusserte sich die Gastfamilie negativ über Adelinas Verhalten am Schnuppertag. Die Jugendliche habe beispielsweise laut und oft am Handy telefoniert sowie einige Mal geflucht.
Nach einer Intervention des K-Tipp bei Didac erliess die Firma Adelina Wyss die geforderten 500 Franken. Die verantwortliche Mitarbeiterin räumte gegenüber dem K-Tipp ein, dass man vor der Kündigung zwar mit Adelinas Mutter, aber nicht mit der Jugendlichen gesprochen habe. Normalerweise finde mit Betroffenen ein Gespräch statt.
Adelina wechselte inzwischen zur Organisation Pro Filia Schweiz und liess sich eine andere Au-pair-Stelle vermitteln. Sie absolvierte drei Schnuppertage bei einer neuen Gastfamilie in Estavayer-le-Lac FR. Sie sagt, sie habe sich dort sehr wohl gefühlt, und freut sich nun auf ihr Au-pair-Jahr, das im August beginnt.
Oliver Schneitter ist Geschäftsleiter des Dachverbandes Intermundo zur Förderung von Jugendaustausch. Er kennt das Problem: «Bei Sprachaufenthalten, die Schüler in einer Gastfamilie verbringen, kann es zu Schwierigkeiten kommen. Daher ist es wichtig, dass Betroffene die Familie wechseln können.» Der Verband prüfe bei seinen Mitgliedern, ob es bei Problemen ein faires Beschwerdeverfahren für die Jugendlichen und die Gastfamilien gebe. Mitglieder von Intermundo sind Organisationen wie der RotaryJugendaustausch, Youth for Understanding (YFU) oder Pro Filia.
Familie wechseln: Die Regeln der Vermittler
Ein Vergleich der Verträge verschiedener Au-pair-Stellen-Vermittler zeigt:
- ESL, Boa Lingua und Pro Linguis garantieren bei Problemen einen kostenlosen Wechsel der Gastfamilie innert einiger Tage oder einer Woche.
- Pro Filia garantiert einen Wechsel, verlangt dafür aber 100 Franken.
- Didac und ESL gewährleisten einen Wechsel nur unter dem Vorbehalt, dass der Vertrag nicht wegen unzumutbaren Verhaltens des Jugendlichen gekündigt wird. ESL verpflichtet sich, diesen bei «störendem Verhalten» erst abzumahnen und dann den Vertrag zu kündigen.
- Education First (EF) erwähnt in seinen Bedingungen keine Möglichkeit zum Wechsel der Gastfamilie. Auf Nachfrage des K-Tipp heisst es, ein Wechsel sei «abhängig von den Umständen» ohne Zusatzkosten möglich.
Sprachaufenthalt: So vermeiden Sie Probleme
- Infos zur Vermittlerfirma beschaffen: Verlassen Sie sich nicht allein auf die Angaben eines Vermittlers. Internetforen liefern Erlebnisberichte und Infos zu Gastfamilien. Befragen Sie auch ehemalige Schüler.
- Transparenz verlangen: Einige Sprachreiseveranstalter legen die Namen der Schulen, mit denen sie zusammenarbeiten, nicht offen. Bestehen Sie trotzdem auf den Namen.
- Offerte für den Vertrag einfordern: Verlangen Sie eine Offerte, in der Leistungen und Kosten genau ausgewiesen sind.
- Auf Klassengrösse achten: Wählen Sie eine Schule mit Klassen von zehn bis zwölf Schülern. Zudem sollten Sie sich überlegen,wie viele Stunden Sie täglich für die Schule und für Aufgaben einsetzen möchten und ob Sie ein Diplom erwerben wollen.
- Gastfamilie kontaktieren: Nehmen Sie so früh wie möglich Kontakt zur Gastfamilie auf. Die meisten Organisationen versprechen Kunden Informationen zur Familie bis spätestens eine Woche vor der Reise. Bei Familien, die im gleichen Land wohnen, bieten sich fürs Kennenlernen Schnuppertage an. Bei Familien im Ausland hilft ein Telefon- oder Videogespräch.
- Sich nach Ansprechperson vor Ort erkundigen: Sprachschulen haben stets jemanden vor Ort, den man kontaktieren kann. Zudem bieten viele Vermittler rund um die Uhr ein Notfalltelefon für Jugendliche in deren Muttersprache an. Bei einigen Vermittlern haben Kunden zudem eine Ansprechperson im Heimatland.
- Bei Problemen sofort aktiv werden: Reklamieren Sie sofort schriftlich mit Belegen, falls die Leistung nicht dem Vertrag entspricht. Sprechen Sie auch mit der Gastfamilie und der Vermittlerfirma. Halten Sie etwaige schlechte Erfahrungen schriftlich fest.