Zahlreiche K-Tipp-Leser beschweren sich über ungewollte Abonnemente von Telecomunternehmen wie Primacall, Suissephone und Freefon (K-Tipp 3/14). Wehren sich getäuschte Kunden gegen die Rechnungen, erhalten manche dicke Post. Der Absender: eine Zürcher Anwaltskanzlei namens Advovox GmbH.
Ein Rechtsanwalt Sven Krüger fordert darin neben angeblich geschuldeten Abogebühren auch «die Kosten unserer Inanspruchnahme». So heisst es in einem Brief an einen K-Tipp-Leser aus Zürich: «Ein Zahlungseingang von insgesamt CHF 517.41, in dem die Rechtsanwaltsgebühr enthalten ist, wird auf dem unten genannten Konto erwartet.» Die Abogebühren machen in diesem Fall Fr. 372.41 aus, 145 Franken verlangt Krüger für sich.
Nur: Dem gegnerischen Anwalt muss man erst dann eine Entschädigung zahlen, wenn man in einem Gerichtsverfahren verliert. Diese Gefahr ist gemäss Stephan Heiniger, Leiter der K-Tipp-Rechtsberatung, aber gering: «Von Primacall und anderen Telecomfirmen getäuschte Kunden können den Vertrag innert eines Jahres anfechten und müssen die geforderten Abogebühren nicht zahlen.»
Betroffene können sich wehren
Laut Stephan Heiniger kommt es neuerdings häufig vor, dass Konsumenten wegen weniger Hundert Franken von Rechtsanwälten gemahnt werden. So erhielt beispielsweise eine Kundin der Online-Partnervermittlungsplattform Elitepartner.ch aus Rüfenacht BE Anfang Februar eine Mahnung der Zürcher Anwaltskanzlei Random Coil GmbH. Neben der angeblich geschuldeten Mitgliedschaftsgebühr von 450 Franken forderte die Kanzlei 125 Franken «Anwaltsgebühren».
Aus Angst vor einer Betreibung beglich die alleinerziehende Mutter die gesamte Forderung der Anwaltskanzlei. Dabei hätte sie sich ebenfalls wehren können: «Streng genommen ist der Mitgliedschaftsvertrag bei Online-Partnervermittlungen nur schriftlich gültig», sagt Stephan Heiniger. Ausserdem sei der Vertrag jederzeit kündbar.
Heiniger rät deshalb betroffenen Konsumenten, sich durch Anwaltsbriefe nicht einschüchtern zu lassen und sich vor der Begleichung einer umstrittenen Forderung juristisch beraten zu lassen.
Rechtsanwalt Sven Krüger sagt, bei der Anwaltsgebühr handle es sich um einen durch den Schuldner zu bezahlenden Verzugsschaden. Er räumt jedoch selber ein, dass diese Meinung umstritten ist. Die Anwaltskanzlei Random Coil nahm zur Anwaltsgebühr keine Stellung.
Anwalt ohne Büro?
K-Tipp-Leser, die von Rechtsanwalt Sven Krüger gemahnt wurden, berichteten von Anrufen aus dem Ausland. Laut dem Zürcher Obergericht, der Aufsichtsbehörde über Zürcher Anwälte, müssen im Anwaltsregister eingetragene Anwälte an der angegebenen Geschäftsadresse tätig und «innert vernünftiger Frist erreichbar» sein.
Der K-Tipp klärte deshalb ab, ob die Anwaltskanzlei Advovox von Sven Krüger wirklich an der angegebenen Adresse an der Badenerstrasse in Zürich zu finden ist.
Doch vor Ort waren keine Büroräume von Sven Krüger auffindbar. Er hat nicht einmal einen Briefkasten.
Der K-Tipp stiess an der angegebenen Adresse hingegen auf die Firma Regus Holding GmbH mit Sitz in Zug. Sie bietet sogenannte virtuelle Büros an. Bei dieser Firma erhält man gegen ein Entgelt eine Geschäftsadresse, ohne Büroräume gemietet zu haben oder dort tätig zu sein. Gemäss der Regus-Empfangsdame hat Sven Krüger ein solches virtuelles Büro und «ist nie da».
Sven Krüger widerspricht: «Meine Kanzleiräume befinden sich an der Badenerstrasse.» Dort halte er sich regelmässig auf.