Geldverdienen auf dem grössten Markt der Welt
Online-Auktionen boomen. Und längst nicht nur unter Computerfreaks. Doch mit dem Boom steigt auch die Gefahr, Betrügern aufzusitzen.
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saldo 8/2004
28.04.2004
Anatol Hug
Die Wohnung von Hans Herren ist voller Erinnerungsstücke. Über Jahrzehnte sammelte der Rentner unzählige Objekte. Jetzt trennt er sich Stück für Stück von seinen kleinen Kostbarkeiten und verkauft sie im Internet. «Mit meiner kleinen Rente kann ich mir nicht viel leisten. Deshalb sind Internetauktionen für mich sehr wertvoll», sagt der 72-Jährige.
Heute bietet er ein kleines Damentäschchen zum Verkauf an. Mindestens 20 Franken will er dafür. Mit seiner Digitalkamera r...
Die Wohnung von Hans Herren ist voller Erinnerungsstücke. Über Jahrzehnte sammelte der Rentner unzählige Objekte. Jetzt trennt er sich Stück für Stück von seinen kleinen Kostbarkeiten und verkauft sie im Internet. «Mit meiner kleinen Rente kann ich mir nicht viel leisten. Deshalb sind Internetauktionen für mich sehr wertvoll», sagt der 72-Jährige.
Heute bietet er ein kleines Damentäschchen zum Verkauf an. Mindestens 20 Franken will er dafür. Mit seiner Digitalkamera rückt er das Täschchen ins beste Licht und liest dann die Fotos in den Computer ein. Er weiss: Wer erfolgreich verkaufen will, muss sein Angebot so attraktiv wie möglich darstellen. Die Technik der Internet-auktion bereitet Hans Herren keine Schwierigkeiten. Die Seiten sind einfach und logisch aufgebaut. Kurz beschreibt er das Täschchen, bestimmt den Einstiegspreis und wie lange die Versteigerung dauert.
Das Angebot auf Internetauktionen ist immens: Vom Traktor bis zum Rolls-Royce, von Occasionsbüchern bis zu Diamantringen und Flugzeugen ist alles zu haben.
Ricardo.ch setzt auf den Schweizer Markt
In der Schweiz kämpfen zwei Auktionsplattformen um die Vormachtstellung: Ebay und Ricardo.ch, die mit 400 000 Mitgliedern derzeit führt. Allein im März dieses Jahres wurden über diese Plattform 100 000 Produkte verkauft. Im Gegensatz zu Ebay setzt Ricardo.ch voll auf den lokalen Markt. Das hat Vorteile. Peter Oertlin, Direktor von Ricardo.ch: «Die Tatsache, dass 99,5 Prozent unserer User in der Schweiz wohnen, macht die Abwicklung eines Verkaufs viel einfacher.»
Anders bei Ebay: Wer ein Produkt über diese Plattform anbietet, erreicht nicht nur die Schweizer, sondern 95 Millionen Ebay-Nutzer weltweit. Und das Geschäft blüht: Der aktuelle Börsenwert von Ebay beträgt 50 Milliarden Dollar - mehr als der gesamte Credit-Suisse-Konzern. Kein Wunder, denn immer mehr Profihändler mit hohem Umsatz nutzen Ebay.
Ebay verdient, wie Ricardo. ch auch, das Geld mit den Kommissionen und sogenannten Einstellgebühren der Anbieter. Ricardo.ch verlangt für die Platzierung eines Angebots zwischen 10 Rappen und Fr. 1.50 und kassiert zwischen 1,5 und 4 Prozent des Verkaufspreises. Bei Ebay beträgt die Einstellgebühr zwischen 35 Rappen und Fr. 3.50, die Kommission liegt zwischen 1,5 und 4 Prozent, bei Waren ab 700 Franken kommt noch eine Gebühr von Fr. 21.70 dazu.
Bewertungsprofil sorgt für bessere Transparenz
Irene Borer versteigert gebrauchte Kinderartikel im Internet. Täglich investiert die Mutter von zwei Kindern zwei Stunden in ihre Auktionen und verschickt bis zu zehn Pakete. Sie weiss: Nur wer schnell liefert, kann sich auf dem virtuellen Marktplatz einen guten Ruf in Form eines positiven Bewertungsprofils aufbauen.
Das Prinzip der Bewertung ist so einfach wie effektiv. Käufer und Verkäufer bewerten sich nach jeder Transaktion danach, ob und wie schnell der Verkäufer geliefert oder der Käufer gezahlt hat. Die Bewertungsprofile kann jeder jederzeit einsehen und sich so ein Bild seines Handelspartners machen. Wer zu viele negative Bewertungen erhält, hat keine Chance mehr auf gute Geschäfte.
Trotz dieser Transparenz warnt IT-Sicherheitsexperte Mischa Szeker davor, den Bewertungsprofilen blind zu vertrauen. «Es ist ein gängiger Trick, dass sich ein Verkäufer ein gutes Profil zulegt, indem er zuerst eine grosse Menge billiger Artikel verkauft und tatsächlich auch ausliefert.» Danach bietet er teure Produkte an - die der Käufer nie erhält (siehe Kasten).
Aufgepasst vor gefälschten Seiten
Betrügereien werden für Auktionsplattformen zunehmend zum Problem, vor allem die rasante Zunahme sogenannter Phishing-Attacken: Gauner verschicken E-Mails im Namen von Unternehmen wie Ebay. Durch Klicken auf einen Link innerhalb des E-Mails gelangt der Nutzer auf eine gefälschte Ebay-Seite und wird aufgefordert, Mitgliedername und Passwort anzugeben. Typisch für Phishing-Attacken ist die Drohung, dass das Konto gesperrt werde, wenn der Nutzer die Angaben nicht übermittelt.
Ein weiteres Sicherheitsproblem ist die Programmiersprache Javascript. Ist sie auf der Angebotsseite installiert, können Betrüger ihre Opfer unbemerkt auf eine gefälschte Log-in-Seite umleiten. Werden dort der Mitgliedername und das Passwort eingegeben, kann ein Gauner sämtliche persönlichen Daten des Nutzers einsehen, abändern und unter dessen Namen Artikel kaufen und verkaufen.
Wer sich also nicht vorsieht, kann schnell zum Opfer werden. Immerhin: Kleinere Beträge sind bei Ricardo.ch für Käufer und Verkäufer bis zu einer Höhe von 250 Franken versichert. Bei Ebay ist nur der Käufer bis zu einem Betrag von 300 Franken geschützt, der Selbstbehalt beträgt 40 Franken. Deshalb gilt: Vorsicht bei teuren Einkäufen über Auktionsplattformen.
So sichern Sie sich ab
- Bewertungsprofil beachten: Je mehr positive Bewertungen ein Käufer hat, desto sicherer ist der Einkauf.
- Angebotspalette prüfen: Hat ein Anbieter früher nur günstige Waren versteigert und handelt plötzlich mit teurer Ware, ist Vorsicht angezeigt.
- Bei teuren Waren auf Dokumente wie Kaufbelege und Garantiezertifikate bestehen. Wer gestohlene Ware kauft, kann sich strafbar machen und Geld und Ware verlieren.
- Skepsis also bei extrem günstigen Angeboten: Es könnten Lockvogelangebote, gestohlene oder gefälschte Ware sein.
- Bei teuren Produkten unbedingt den Verkäufer persönlich kontaktieren. Nicht im Voraus zahlen. Ware möglichst persönlich abholen und bar bezahlen.
- Niemals auf E-Mails antworten, die nach Mitgliedername und Passwort fragen. Seriöse Firmen verschicken keine solchen Nachrichten.
- Vorsicht, wenn Verkäufer die Bezahlung über den Geldtransfer-Service Western Union verlangen. Häufig stecken Betrüger dahinter.
- Bewertung so schnell wie möglich abgeben: Der Käufer- respektive Verkäuferschutz kann verfallen, wenn nicht rechtzeitig eine Bewertung abgegeben wird.
- Die Warenbeschreibung genau lesen. Manchmal wird nur die Verpackung oder die Bedienungsanleitung für ein bestimmtes Produkt angeboten.
- Schwarze Schafe sofort den Auktionsbetreibern melden.