Ungesund und sehr gut versteckt
Viele Esswaren enthalten krank machende Transfette. Der arglose Konsument weiss nicht, was wie viel schädliches Fett enthält, weil eine Deklarationspflicht fehlt.
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saldo 9/2004
12.05.2004
Andreas Grämiger
Transfettsäuren stecken in allem, was viele Menschen fürs Leben gerne essen: in Hamburgern, Pommes frites, Chips, Chicken Nuggets, Frühlingsrollen, Brotaufstrichen, Fleisch, Milchprodukten, Schokolade und anderen Schleckereien.
In der Natur kommen Transfette nur in geringen Mengen vor: in Milchprodukten und im Fleisch von Wiederkäuern. In grossen Mengen entstehen sie künstlich, wenn Öl bei hohen Temperaturen gehärtet wird. Gehärtete Fette haben für die Lebensmittelindustr...
Transfettsäuren stecken in allem, was viele Menschen fürs Leben gerne essen: in Hamburgern, Pommes frites, Chips, Chicken Nuggets, Frühlingsrollen, Brotaufstrichen, Fleisch, Milchprodukten, Schokolade und anderen Schleckereien.
In der Natur kommen Transfette nur in geringen Mengen vor: in Milchprodukten und im Fleisch von Wiederkäuern. In grossen Mengen entstehen sie künstlich, wenn Öl bei hohen Temperaturen gehärtet wird. Gehärtete Fette haben für die Lebensmittelindustrie Vorteile: Sie sind fest und stabil, werden weniger schnell ranzig und sind länger haltbar.
Was der Industrie dient, kann für Konsumenten schlimme Folgen haben. Christine Dual-Fleckenstein, Ernährungswissenschafterin an der Universität Zürich: «Transfette und gesättigte Fette erhöhen den Cholesterinspiegel. Damit steigt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, etwa für Herzinfarkt.» Transfette sollen auch das Brustkrebsrisiko erhöhen und laut einer Studie der Universität München sogar das Wachstum von Föten und Säuglingen hemmen.
Der Transfettgehalt, gehütetes Geheimnis der Industrie
Ulrich Strunz, Spitzensportler, Arzt und Co-Autor des Bestsellers «Fit mit Fett», nennt Transfette drum schlicht Killerfette, die Gesundheitsbewusste meiden sollten. Doch der Konsument kann gar nicht wissen, welche Produkte wie viel schädliches Fett enthalten. Strunz: «Der Transfettgehalt in Produkten ist das bestgehütete Geheimnis der Lebensmittelindustrie. Die Killerfette müssen weder auf der Verpackung angegeben werden, noch gibt es irgendwelche Obergrenzen.» Für Strunz ist dies «einer der grössten Lebensmittelskandale».
Kassensturz hat schon im Frühling 1997 versteckte Transfette in Nahrungsmitteln aufgespürt; zusammen mit dem «K-Tipp» liess er 50 Produkte untersuchen. Manche enthielten so gut wie keine Transfettsäure; in vielen Snacks für Kinder steckten aber gewaltige Dosen mit Transfett-Anteilen von über 30 Prozent.
Schon damals forderten Konsumentenschützer, die Industrie solle die schädlichen Fette deklarieren. Doch zu einer Deklarationspflicht konnten sich die Behörden bis heute nicht durchringen. Einzig in der Säuglingsnahrung darf «der Gehalt an Transfettsäure nicht über 4 Prozent des gesamten Fettgehalts liegen», so das Bundesamt für Gesundheit.
Noch immer Transfettanteile bis über 30 Prozent
Wie steht es heute bei den Lebensmitteln? Die Westschweizer TV-Sendung «A Bon Entendeur» wollte es nochmals wissen und liess diverse Produkte auf ihre Fettwerte untersuchen. Wiederum fanden sich Transfettanteile bis über 30 Prozent (siehe Tabelle).
Das müsste nicht sein und ist auch nicht im Sinne der schweizerischen Fettindustrie. Beat Hodler, Fürsprecher von Swiss Olio: «Wir empfehlen, den Anteil an Transfettsäuren tief zu halten.» Das sei möglich, indem die Industrie gehärtete oder teilgehärtete Fette durch Palmfett ersetze oder bei der Härtung der Öle äusserst sorgfältig vorgehe.
Mit geringen Mengen an Transfetten kann ein gesunder Mensch gut fertig werden. Wo aber liegt die Grenze? Noch vor wenigen Jahren legten die Wissenschafter sie bei 5 bis 6 Gramm pro Tag fest. «Heute ist sie bei 2,5 Gramm pro Tag. So viel nimmt in etwa der Durchschnitt der europäischen Bevölkerung zu sich», sagt Christine Dual-Fleckenstein.
Wer häufig ungesund isst, schluckt aber leicht ein Vielfaches der akzeptablen Menge. Bei starken Essern zum Beispiel sind es schnell mehr als 20 Gramm Transfette pro Tag.
Neben den Essgewohnheiten ist ein weiterer Faktor entscheidend. Walter O. Frey, Sportmediziner am Swiss Sports Medical Center in Zürich: «Menschen, die sich viel und intensiv bewegen, haben weniger Probleme mit Fetten - weder mit gesunden noch mit gefährlichen.» Doch die Sportlichen sind in der Minderheit. Etwa ein Drittel der Schweizer Bevölkerung bewegt sich so gut wie gar nicht. Ein weiteres Drittel geht höchstens mal spazieren.
Für die Bewegungsfaulen sind die ungesunden Fette laut Frey besonders gefährlich: «Für das bisschen Fett, das der Körper braucht, bedient er sich bei den leichten, ungesättigten Fetten. Die ungesunden, gesättigten Fette bleiben im Körper gespeichert.» Die Folge: Sie lagern sich an den Wänden der Adern ab und verstopfen sie. «Das ist ein Hochrisikofaktor», so der Sportmediziner. «Kreislaufbeschwerden sind die Todesursache Nummer 1. Und da spielen gesättigte Fette und Transfette eine Hauptrolle.» Deshalb rät die amerikanische Food and Drug Administration (FDA): «Wer die Fettaufnahme reduzieren muss, sollte zuerst die gesättigten Fette und die Transfette verringern.»
Die USA führen die Deklarationspflicht der Fettwerte ein
Im Gegensatz zu den Schweizer Behörden haben die Amerikaner die Zeichen der Zeit erkannt: Ab Januar 2006 besteht eine Deklarationspflicht der Fettwerte. Auf Lebensmitteln muss der Gesamtanteil an Fett angegeben sein, zudem wie viel gesättigtes Fett und Transfett ein Produkt enthält.
Den Transfettanteil per Gesetz einschränken will die FDA jedoch nicht: Der Konsument soll selber entscheiden, ob er ein Produkt kaufen will oder nicht. Dazu die FDA: «Die Amerikaner werden die Informationen haben, die sie brauchen, um den Konsum von gesättigten Fetten und Transfetten einzuschränken.»
Bei einigen Produkten sind auch in der Schweiz die gesättigten und ungesättigten Fettsäuren sowie das Transfett deklariert - die Hersteller tun dies aber freiwillig. Beat Hodler ist überzeugt, dass die Behörden die Deklarationspflicht auch hier einführen werden: «Das ist nur noch eine Frage der Zeit.»
Die FDA schätzt, dass die neue Deklarationspflicht in den USA zwischen 140 und 250 Millionen Dollar kosten wird; die Einsparungen werden aber viel grösser sein. «Wir werden pro Jahr 600 bis 1200 Herzinfarkte vermeiden und 900 bis 1200 Millionen Dollar an medizinischen Kosten und Produktivitätseinbussen einsparen», meint die FDA. «Und wir werden Schmerz und Leid mindern.»
Von guten und von bösen Fetten
Fett ist mehr als nur ein in Verruf geratener Energiebrennstoff und Dickmacher oder Verursacher von Herz-Kreislauf-Erkrankungen», schreibt der Gesundheitspapst Ulrich Strunz in seinem Buch «Fit mit Fett». Denn gewisse Fettsäuren sind wichtig
für eine gute Gesundheit. Deshalb rät Strunz: «Wir müssen lernen, gute Fette von bösen zu unterscheiden.»
Zu meiden sind vor allem Transfette, aber auch gesättigte Fettsäuren; diese sind in den meisten Käsesorten, rotem Fleisch und Würsten enthalten. Erstrebenswert sind dagegen ungesättigte Fette, etwa in Form von Olivenöl; sie sind förderlich für Hirn und Herz und nützlich für den Transport der Vitamine A, D, E und K.
Das ideale Pflanzenöl ist für Strunz das Rapsöl, denn es liefert neben ungesättigten Omega-6-Fetten zusätzlich Omega-3-Fette. «Die Menschen nehmen heute zu wenig Omega-3-Fette auf», mahnt Strunz, dessen Bücher sich millionenfach verkaufen. In den Industrieländern konsumieren die Menschen zwanzigmal mehr Omega-6-Fett in Form von Margarine, Sonnenblumen-, Maiskeim- und Sojaöl; dabei wäre ein Verhältnis zu den Omega-3-Fetten von wenigstens fünf zu eins sinnvoll. Omega-3-Fette sind ausser in Rapsöl auch in Nüssen und Leinsamen enthalten.