Tanken und einkaufen: Massive Preisunterschiede
Eine saldo-Stichprobe zeigt, dass in manchen Deutschschweizer Autobahnraststätten einiges im Argen liegt. Die Betreiber geloben Besserung.
Inhalt
saldo 7/2006
12.04.2006
Lorenz Heinzer
Hohe Benzinpreise, teure Lebensmittel, und sogar der Gang zur Toilette kostet mancherorts - saldo hat vom 9. bis 13. März acht Deutschschweizer Autobahnraststätten besucht und bewertet. Bei der Stichprobe wurde von einer Familie ausgegangen, die günstig essen, einige Güter des täglichen Bedarfs einkaufen, den Autotank füllen und sich von den Strapazen der Fahrt erholen möchte. Ausserdem wollte saldo wissen, wie kinderfreundlich die Raststätte ist, ob Picknicker willkommen sind und man au...
Hohe Benzinpreise, teure Lebensmittel, und sogar der Gang zur Toilette kostet mancherorts - saldo hat vom 9. bis 13. März acht Deutschschweizer Autobahnraststätten besucht und bewertet. Bei der Stichprobe wurde von einer Familie ausgegangen, die günstig essen, einige Güter des täglichen Bedarfs einkaufen, den Autotank füllen und sich von den Strapazen der Fahrt erholen möchte. Ausserdem wollte saldo wissen, wie kinderfreundlich die Raststätte ist, ob Picknicker willkommen sind und man auch spätabends noch ein heisses Getränk und etwas zu essen bekommt.
Warenkorb: Von Fr. 17.10 bis 31 Franken
Das gastronomische Angebot war in allen getesteten Betrieben in Ordnung. Die Preise für ein einfaches Mittagessen bewegten sich zwischen Fr. 22.70 und Fr. 27.50, wobei kein grosser Unterschied zwischen bedienten und Selbstbedienungslokalen auszumachen war. Das Personal zeigte sich allgemein freundlich und hilfsbereit. Auch an der Sauberkeit gab es nirgends etwas zu bemängeln. Erhebliche Differenzen traten hingegen bei den Lebensmittel- und Benzinpreisen zu Tage. Im günstigsten Raststätten-Shop kostete der saldo-Warenkorb Fr. 17.10, im teuersten 31 Franken. Für einen Liter Bleifrei bezahlte man am Stichtag zwischen Fr. 1.595 und Fr. 1.74.
Insgesamt am besten schnitt die Raststätte Würenlos ab. Das Flaggschiff der Mövenpick-Gruppe wurde letztes Jahr für 23 Millionen Franken saniert. Seitdem lässt der an der A 1 zwischen Zürich und Baden gelegene Brückenbau kaum noch Wünsche offen. Insbesondere das Einkaufsangebot schlägt die Konkurrenz um Längen. Unter dem Dach des markanten Baus finden sich neu nicht weniger als 23 Läden. Für Kinder gibt es einen separaten Wickelraum, einen schönen umzäunten Spielplatz und innen eine grosszügige Spielecke. Das Selbstbedienungsrestaurant bietet zudem eine «Babystation» mit Mikrowellenofen und Fläschchenwärmer.
Grossbetriebe kommen im saldo-Vergleich generell besser weg als kleinere Rastanlagen. Der Grund liegt auf der Hand: Je höher der Umsatz, desto mehr kann den Gästen geboten werden. Ein entscheidender Faktor ist dabei die Verkehrsdichte: Unter dem Würenloser «Fressbalken» brausen täglich fast 110000 Fahrzeuge durch. Angenommen, in jedem sitzen durchschnittlich 1,5 Personen, macht das über 60 Millionen potenzielle Kunden im Jahr. An der bei Erstfeld gelegenen Gotthard-Raststätte hingegen fahren pro Tag gerade einmal 21000 Wagen vorbei.
Autogrill Pratteln: Teuer und wenig kinderfreundlich
Grösse allein ist aber nicht alles. Das zeigt das Beispiel Pratteln. Trotz 24-Stunden-Betrieb, schönem Restaurant und diversen Shops reichte es der vom italienischen Verpflegungsgiganten Autogrill betriebenen Shoppingbrücke nur für 35 von 50 möglichen Punkten. Die Gründe: Familien mit Kindern suchen vergeblich nach einem Spielplatz oder einer Spielecke. Ausserdem fehlt ein Vätern zugänglicher Wickeltisch. Abzüge gab es auch für die hohen Benzin- und Lebensmittelpreise. Ein Liter Bleifrei kostete satte 14,5 Rappen mehr als in der günstigsten getesteten Raststätte. Und der saldo-Warenkorb war im «Mercato» von Autogrill mit einem Preis von 31 Franken rund 80 Prozent teurer als in der Würenloser Migros-Filiale.
Das Konzept von Pratteln lasse sich nicht mit dem von anderen Autobahnraststätten vergleichen, findet Beat Grau, Geschäftsführer von Autogrill Schweiz. So setze man im «Mercato» bewusst auf Qualität, Frische und regionale Spezialitäten: «Ein Premiumangebot hat eben seinen Preis.» Der Markt werde aber beobachtet. «Gut möglich, dass wir dem Bedürfnis nach günstigeren Lebensmitteln künftig vermehrt Rechnung tragen werden.» Beim Benzinpreis sieht Grau schon heute Handlungsbedarf: «Wir sind uns des Problems bewusst und suchen derzeit zusammen mit unserem Partner BP nach einer kundenfreundlicheren Lösung.» Der Wickeltisch für die Männertoilette sei ebenfalls bereits bestellt.
«Ich würde Kinder nie unbeaufsichtigt spielen lassen»
Einen Kinderspielplatz wird man in Pratteln aber auch in Zukunft nicht finden: «Kundenbefragungen haben gezeigt, dass das nicht einem Bedürfnis unserer Gäste entspricht», erklärt Grau und weist gleichzeitig auf die Gefahren solcher Anlagen hin. «Ich bin selbst vierfacher Vater und würde meine Kinder in einer Autobahnraststätte nie unbeaufsichtigt spielen lassen. Familien ist mit unseren attraktiven Kindermenüs mehr gedient.»
Auf dem letzten Platz landete die Raststätte Walensee. Negativ ins Gewicht fielen die kostenpflichtigen Toiletten, die hohen Lebensmittelpreise sowie die Tatsache, dass der Picknickplatz auf der anderen Seite der Autobahn gelegen ist. «Wir sind ein kleiner Betrieb und können deshalb nicht so viel bieten wie andere», erklärt Geschäftsleiter Daniel Meier. Auf den Sommer hin wolle er aber auch auf der Südseite ein paar Picknicktische aufstellen. Für Restaurantgäste seien kostenlose Toilettenjetons erhältlich. Fairerweise muss hinzugefügt werden, dass die Raststätte Walensee in einem - leider nicht bewerteten - Punkt obenaus schwingt: Eine schönere Aussicht als aus den grossen Panoramafenstern auf den See und die sieben Churfirsten geniesst man nirgendwo.
Nach diesen acht Kriterien wurden die Anlagen bewertet
- Atmosphäre: Welchen Eindruck macht die Raststätte? Ist die Anlage sauber und gepflegt?
- Restaurant: Fühlt man sich in der Gaststätte wohl? Wie gross ist das Angebot? Was kosten eine Portion Schnitzel mit Pommes frites, 3 dl offenes Cola und ein Kaffee? War das Gericht nicht erhältlich, wurde ein möglichst ähnliches gewählt.
- Einkaufen: Wie breit gefächert ist das Sortiment in den Shops der Autobahnraststätte? Was bezahlt man beim jeweils günstigsten Anbieter für einen bestimmten Warenkorb?
- Kinderfreundlichkeit: Gibt es Kindermenüs? Was kosten sie? Hat es einen Wickeltisch? Bietet die Raststätte innen eine Spielecke und aussen einen Spielplatz?
- Picknickplatz: Wird den Gästen, die ihre Verpflegung mitbringen, eine Infrastruktur geboten? Wo und in welchem Zustand ist der Picknickplatz?
- Benzinpreis: Was kostet ein Liter Bleifrei? Gibt es zwei Tankstellen, wurde jene berücksichtigt, die näher beim Hauptgebäude liegt.
- Toilettenanlage innen: Sind die WCs sauber? Ist die Benutzung kostenlos?
- Öffnungszeiten: Bis um wie viel Uhr kann man in der Raststätte einen Kaffee trinken und ein Sandwich essen?
Bei Raststätten mit Ablegern auf beiden Seiten der Autobahn, aber ohne direkte Verbindung, wurde jeweils der grössere Betrieb berücksichtigt. Raststätten mit Verbindungsgang oder -strasse zählten als Einheit.