Schweizer Banken stellen sich taub
Banken behalten Kundengelder in Milliardenhöhe. Deutschland und die EU handeln. Für die Banken wird es eng.
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saldo 18/2006
08.11.2006
Franco Tonozzi
Provisionen von Fonds-Verkäufern gehören grundsätzlich dem Kunden. Banken dürfen von Dritten kein Geld entgegennehmen und behalten - schon gar nicht hinter dem Rücken ihrer Auftraggeber, den Kunden. So sieht es das Schweizer Bundesgericht (saldo 16/06). Und so sieht es auch das höchste Gericht in Deutschland, der Bundesgerichtshof, im sogenannten Kickback-Urteil.
Als «schwerwiegende Treuewidrigkeit» wird die Tatsache bezeichnet, dass Finanzinstitute heimlich Provisionen ei...
Provisionen von Fonds-Verkäufern gehören grundsätzlich dem Kunden. Banken dürfen von Dritten kein Geld entgegennehmen und behalten - schon gar nicht hinter dem Rücken ihrer Auftraggeber, den Kunden. So sieht es das Schweizer Bundesgericht (saldo 16/06). Und so sieht es auch das höchste Gericht in Deutschland, der Bundesgerichtshof, im sogenannten Kickback-Urteil.
Als «schwerwiegende Treuewidrigkeit» wird die Tatsache bezeichnet, dass Finanzinstitute heimlich Provisionen einstreichen. Sogar das Europäische Parlament hielt letzten März fest: Banken handeln nicht «ehrlich, redlich und professionell im bestmöglichen Interesse des Kunden», wenn sie sich von Dritten bezahlen lassen - ob heimlich oder offen. Eine entsprechende EU-Richtlinie muss von den Mitgliedstaaten bis spätestens Februar umgesetzt werden.
Erlaubt war das versteckte Abkassieren der Banken nie - weder in Deutschland noch in der Schweiz. Damit das auch dem allerletzten Geldinstitut klar wird, nimmt die deutsche Bundesregierung die Zügel in die Hand: Banken sollen ausdrücklich per Gesetz dazu verpflichtet werden, ihren Kunden sämtliche Zuwendungen Dritter offenzulegen.
Auch UBS und Credit Suisse (CS) geschäften in Deutschland. Werden sie sich an die Regeln halten? Die UBS signalisiert Einlenken. Mediensprecherin Sabine Wössner: «Wenn UBS Deutschland Zahlungen von Dritten erhält, die laut deutschem Recht offengelegt werden müssen, dann macht UBS dies selbstverständlich.»
Schweiz: Banken stellen sich gegen Gerichtsentscheid
In der Schweiz sind UBS und CS aber nicht dazu bereit. Die Banken wimmeln saldo-Leser ab, die sich nach Retrozessionen erkundigen. Zwar bestreiten die Geldinstitute keineswegs, solche Gelder einzustecken, stellen sich aber auf den Standpunkt, das Gerichtsurteil gelte für sie nicht. UBS-Sprecherin Wössner: «Ob die UBS Zahlungen Dritter ihren Kunden offenlegen muss oder nicht, ist im Einzelfall abzuklären und muss rechtlich beurteilt werden.» Ähnlich argumentiert die CS. Ihren Kunden schreibt sie, was die Kommissionen Dritter angehe, sei sie «nicht ablieferungs- und nicht rechenschaftspflichtig».
Das bekam auch eine Kundin der Baden-Württembergischen Südwestbank zu hören. Sie gab nicht auf, zog vor Gericht und erhielt recht: Versteckte Provisionszahlungen sind nicht zulässig. Das Verdikt des Bundesgerichtshofes ist seit Oktober rechtskräftig.
«Das Rechtsverständnis des höchsten Gerichts in Deutschland dürfte wohl mit dem des Schweizer Bundesgerichts identisch sein», sagt Rolf Kuhn von Lutz Rechtsanwälte in Zürich. Also nicht aufgeben. Retrozessionen gehören dem Anleger.
Rückerstattung von Gebühren: Die wichtigsten Fragen und Antworten
Die saldo-Redaktion hat nach dem Beitrag über die Kommissionen der Geldinstitute (saldo 16/06) viele Anfragen von Bankkunden erhalten. Hier die Antworten auf häufige Fragen.
Für welche Fonds hat meine Bank Rückzahlungen erhalten?
Wenn Ihre Bank für Sie Fonds eines anderen Anbieters gekauft hat, erhält sie später einen Teil der von Ihnen bezahlten Gebühren zurück. Beispiel: Sie sind UBS-Kunde und die UBS hat in Ihrem Auftrag Anteile eines Fonds der Credit Suisse gekauft. Oder: Sie sind Kunde einer Kantonalbank, die für Sie einen Swisscanto-Fonds erwirbt. In solchen Fällen fliessen Rückzahlungen. Dies gilt in der Regel auch, wenn Sie einen Fonds bei der Post gekauft haben.
Woher weiss ich, ob ein Fonds von meiner eigenen oder einer anderen Bank stammt?
Diese Information erhalten Sie von Ihrer Bank. Oder Sie nehmen Ihren Depotauszug zur Hand und schauen nach, wie Ihr Fonds heisst. Oft verrät der Name die Herkunft. Zum Beispiel der Fonds CS BF (Lux) Sfr B. Das bedeutet:
CS = Credit Suisse
BF = Bond Fund, englisch für Obligationen-Fonds
(Lux) = Fonds folgt luxemburgischem Recht
Sfr = In Schweizer Franken
B = Gewinn wird reinvestiert.
Was kann ich tun, wenn meine Bank behauptet, dass für meine Fonds keine Gebühren rückerstattet worden sind?
Ihre Bank ist verpflichtet, Sie als Auftraggeber des Fonds-Kaufs wahrheitsgemäss zu informieren. Wenn sie schreibt, dass keine Retros vergütet wurden, kann dies zutreffen. Dann dürfte es sich um einen Fonds Ihrer eigenen Bank handeln.
Meine Bank sagt, sie habe Kommissionen erhalten, will aber nicht sagen wie viel.
Die Banken sind gestützt auf das Auftragsrecht verpflichtet, Ihnen Höhe und Herkunft dieser Kickbacks offenzulegen. Verlangen Sie eine genaue Aufstellung über die Höhe der Zahlungen - und zwar für die letzten zehn Jahre.
Meine Bank gibt zu, Zahlungen Dritter erhalten zu haben. Sie sagt aber, das seien keine Kommissionen, sondern Abgeltungen für den Vertrieb der Fonds. Deshalb bestehe «keine Rechenschafts- und keine Ablieferungspflicht».
So argumentieren UBS und Credit Suisse. Wie Ihre Bank die Zuwendungen Dritter nennt, ist aber unerheblich. Entscheidend ist, dass diese Gelder gestützt auf Ihre Fondskäufe geflossen sind. Damit stehen diese Zuwendungen in direktem Zusammenhang mit Ihrem Auftrag und müssen offengelegt werden.
Meine Bank gibt zu, Rückzahlungen erhalten zu haben. Sie sagt aber, das Geld stehe mir nicht zu, weil ich keinen Vermögensverwaltungsvertrag abgeschlossen hätte.
So argumentieren zum Beispiel die Post, Raiffeisen und die Schwyzer Kantonalbank. Hier gilt: Entscheidend ist, ob zwischen Ihnen und der Bank ein Auftragsverhältnis besteht. Das ist dann der Fall, wenn das Geldinstitut in Ihrem Auftrag Wertschriftenkäufe tätigt und Ihnen die anfallenden Gebühren belastet. Erhalten Banken und Post später einen Teil dieser Gebühren wieder zurück, haben Sie Anspruch darauf. Laut Bundesgericht ist dies immer so, es sei denn, Sie hätten im Wissen um die Höhe dieser Rückerstattung auf das Geld verzichtet.
Was kann ich tun, wenn meine Bank mir Auskunft und Rückzahlung verweigert?
In solchen Fällen bleibt nur eine gerichtliche Klage. Es gibt einige auf solche Fälle spezialisierte Anwälte. Wer eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen hat, kann in der Regel darauf zurückgreifen.