Saubere Autos, dreckige Praxis
Hersteller liefern sauberere Autos in die EU, verhökern in der Schweiz aber dieselben Modelle ohne Partikelfilter. Der Grund: Dem Bundesrat ist saubere Luft weniger wichtig als der EU.
Inhalt
saldo 9/2005
11.05.2005
Marc Meschenmoser
Ganz Europa ruft nach Dieselautos mit Partikelfiltern. Dies seit in der EU die Behörden gezwungen sind, auf zu hohe Feinstaubbelastungen in der Luft zu reagieren. Derzeit werden etwa in Berlin und München Fahrverbote für Dieselautos ohne Filter diskutiert. Diese halten 99 Prozent der giftigen Russpartikel zurück. Der Schweizer Bundesrat hingegen entschied sich im März gegen ein Filter-Obligatorium, obwohl auch hier die Grenzwerte laufend verletzt werden (saldo 7/05).
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Ganz Europa ruft nach Dieselautos mit Partikelfiltern. Dies seit in der EU die Behörden gezwungen sind, auf zu hohe Feinstaubbelastungen in der Luft zu reagieren. Derzeit werden etwa in Berlin und München Fahrverbote für Dieselautos ohne Filter diskutiert. Diese halten 99 Prozent der giftigen Russpartikel zurück. Der Schweizer Bundesrat hingegen entschied sich im März gegen ein Filter-Obligatorium, obwohl auch hier die Grenzwerte laufend verletzt werden (saldo 7/05).
Ausland: Gleiche Modelle mit Filter - ohne Aufpreis
Diese Politik hat zur Folge, dass die Autohersteller neue, abgasarme Dieselfahrzeuge zuerst in EU-Länder liefern - und in der Schweiz so lange wie möglich Autos ohne Filter anbieten. Die Abgasreiniger sind Mangelware, nachdem sich vor allem deutsche Autohersteller jahrelang dagegen gesträubt haben. Selbst die Pioniere Citroën und Peugeot leiden unter der Knappheit und beliefern jene Länder mit saubereren Modellen, in denen Fahrverbote für filterlose Autos drohen.
Das Beispiel von Jean Klein (Name geändert) aus Steinach SG bestätigt dies. Er wollte hier einen Citroën Xsara Picasso mit Partikelfilter kaufen. Ohne Erfolg. Klein: «Alle Garagisten sagten, das Auto sei nur ohne Filter erhältlich.» Damit gab sich der umweltbewusste Fahrer nicht zufrieden und sah sich in Süddeutschland und Vorarlberg um. Resultat: Alle Händler boten das exakt gleiche Modell mit Filter an - ohne Aufpreis. Klein: «In der Schweiz müssen Importeure jetzt ihre alten Stinker loswerden.»
Peugeot Schweiz entschloss sich letzten Februar, keine Filter mehr in die handgeschaltete 2.0-Liter-Limousine 807 einzubauen - während Österreich und Deutschland weiterhin serienmässig beliefert werden. VW bestätigt Lieferprobleme in alle europäischen Länder, während BMW die Schweiz bevorzugt beliefern will. Bis zu den offiziellen Händlern scheint das jedoch nicht durchgedrungen zu sein: saldo erkundigte sich nach dem BMW 320 d mit Filter und erhielt mehrmals eine Absage: «Momentan nicht lieferbar.» Honda erwartet, dass die Schweiz frühestens Mitte 2006 erstmals beliefert wird. Sprecherin Silvia Blattner: «Zuerst liefern wir Filter dorthin, wo das die Politik am heftigsten fordert: nach Deutschland und Österreich.»
Ford: «Schweiz liegt weit hinten auf der Prioritätenliste»
Immerhin: Ford will erste Schweizer Modelle ab August mit Filtern ausrüsten. Doch Sprecherin Sandra Wüst gibt zu: «Unsere Werke liefern Partikelfilter-Autos zuerst in Länder, wo der politische Druck gross ist, beispielsweise nach Deutschland oder Österreich. Die Schweiz liegt weit hinten auf der Prioritätenliste.» Konsequenz: Die Grenzwerte werden in der Schweiz weiterhin regelmässig überschritten. Jährlich sterben 3700 Menschen an Feinstaub.
«Schweizer Politiker unterschätzen die gravierenden Folgen von Feinstaub massiv», betont Adrian Schmid vom Verkehrsclub der Schweiz. «Jetzt müssen zumindest Besitzer von Partikelfilter-Autos steuerlich bevorzugt werden.» Bruno Oberle, Vizedirektor des Schweizer Umwelt-Bundesamts, fordert: «Diese Massnahme muss schnellstens eingeführt werden. Dann steigt auch hier der Druck, damit sich die Importeure bequemen, die Schweiz mit Filtern zu beliefern.»
Dieselfilter: So einfach ist Direktimport
Wenn Hersteller keine Partikelfilter-Autos in die Schweiz liefern, sind umweltbewusste Fahrer gezwungen, ennet der Grenze einzukaufen. Dies funktioniert problemlos: Alle in der EU zugelassenen Fahrzeuge dürfen in der Schweiz eingelöst werden. Die Werksgarantie gilt uneingeschränkt. Oft liefern die offiziellen Garagisten die notwendigen Papiere (EU-Zertifikat und Abgaswartungsdokument) selbst mit.
Am Zoll müssen die Schweizer Käufer vom Rechnungsbetrag 4 Prozent Autosteuer und 7,6 Prozent Mehrwertsteuer bezahlen. Dafür kann die ausländische Mehrwertsteuer zurück- gefordert werden.