Michael Fink aus Altendorf SZ nahm Efexor gut ein Jahr lang. Der Arzt hatte ihm das Mittel gegen Depressionen verschrieben, weil Fink eine schwierige Phase im Leben durchmachte. Fink: «Ich hatte aber nicht den Eindruck, an einer wirklichen Depression zu leiden.»
Doch das Mittel hatte Nebenwirkungen, die den Musiker stark beeinträchtigten: «Ich stellte fest, dass mein Kurzzeitgedächtnis sehr nachgelassen hatte.» Und: «Ich war plötzlich nicht mehr in der Lage, gefühlvoll Gitarre zu spielen. Jeder kreative Prozess war gestoppt.»
Dosis nach und nach reduziert – und trotzdem ProblemeFink wollte das Medikament nicht mehr nehmen. Nach Rücksprache mit dem Arzt konnte er zumindest die Dosis halbieren. Doch dadurch bekam er noch mehr gesundheitliche Probleme – er kam auf Entzug: «Ich hatte das Gefühl, als würde mein Gehirn von links nach rechts durch meinen Kopf schwappen. Dazwischen zuckte eine Art Stromschlag durch meinen Kopf – es war unerträglich.» Dazu kamen Kopfschmerzen sowie Seh- und Schlafstörungen. Auch sehr starke Gefühlsschwankungen plagten ihn. Trotzdem konnte der Patient über drei Monate hinweg die Dosis bis auf null reduzieren. Das letzte Efexor nahm er kurz vor Weihnachten 2007. Doch erst jetzt, fast vier Monate später, klingen die Symptome allmählich ab. «Mein Erinnerungsvermögen ist wieder besser, der Kopf nicht mehr so empfindlich», berichtet Fink. «Die Schlafstörungen habe ich noch immer.»
Was den Patienten besonders belastet: Der Arzt nahm ihn nicht ernst. «Er hat mir gesagt, ich sei der Einzige in der Schweiz, der so stark auf das Absetzen von Efexor reagiere.» Doch das stimmt nicht. Medikamente gegen Depressionen sind wegen der Absetzsymptome gefürchtet. In der Kritik stehen auch neuartige Antidepressiva vom Typ SSRI – der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer. Zu dieser Gruppe gehören zum Beispiel die Medikamente Efexor, Sertralin, Citalopram und Paroxetin.
«Absetzsymptome können monatelang anhalten»Bereits Ende der 90er-Jahre gab es in England mehr als 1000 entsprechende Meldungen. Und vor wenigen Jahren schrieb auch das «Arznei-Telegramm»: «Ein offenbar häufiges und quälendes, bislang aber unterschätztes Symptom des SSRI-Entzugs sind stromschlagartige Empfindungen.»
Martin Hatzinger, stellvertretender Chefarzt der Psychiatrischen Poliklinik am Universitätsspital Basel erklärt die Absetzsymptome wie folgt: «Diese modernen Antidepressiva unterstützen die Kommunikation zwischen den Nervenzellen im Gehirn über den Botenstoff Serotonin. Entzieht man dem Gehirn das Medikament zu rasch, kann es an den Nervenzellen zu einem Serotoninmangel kommen.» Doch Patienten sind nicht nur beim abrupten Absetzen gefährdet. Das «Arznei-Telegramm» schreibt: «Absetzsymptome können auch auftreten, wenn die Dosis langsam reduziert wird. Sie können ein bis zwei Wochen, bisweilen monatelang anhalten.»
Swissmedic sieht keinen HandlungsbedarfDennoch raten Fachleute, mit den Medikamenten nicht sofort aufzuhören, sondern nach und nach. Martin Hatzinger: «Ein plötzliches Absetzen kann einen Rückfall provozieren. Deshalb muss das Absetzen unbedingt unter ärztlicher Kontrolle erfolgen.»
Efexor-Herstellerin Wyeth Pharmaceuticals räumt ein, dass mehrere Studien die «unerwünschten Wirkungen» nach dem Absetzen erfasst hätten. Deshalb sollte eine Fachperson die Patienten überwachen. Direktor Christian Manzoni: «Das langsame Absetzen hat sich als bestes Mittel erwiesen.»
Die Heilmittelbehörde Swissmedic sieht keinen Handlungsbedarf. Nicht alle Patienten würden eben in gleicher Weise auf die Medikamente ansprechen. Dies sei das Grundproblem. Wie jemand reagiert, könne man nur im Laufe der Behandlung herausfinden.
Viele Patienten wie Michael Fink müssen sich durch die Entzugssymptome kämpfen – obwohl das Medikament für sie gar nicht das Richtige war. Denn Antidepressiva nützen bei leichten bis mittelschweren Depressionen nicht besser als Scheinpillen. Dies bestätigt auch eine neue Studie aus England (siehe auch Gesundheitstipp 3/08). Nur gerade bei schweren Depressionen können die Medikamente helfen.
Der Arzt Martin Hatzinger: «Je schwerer die Depression des Patienten ist, desto besser kann ein Antidepressivum – im Vergleich zu einem Scheinmedikament – wirken. Das ist seit über 20 Jahren bekannt und klar nachgewiesen.» Deshalb empfehlen Fachleute auch häufig, leichte Depressionen nicht mit Medikamenten, sondern zum Beispiel mithilfe einer Gesprächstherapie zu behandeln.
Medikamente gegen Depressionen: So setzen Sie sie richtig ab- Setzen Sie das Medikament nicht auf eigene Faust ab.
- Besprechen Sie das Vorgehen mit dem Arzt.
- Informieren Sie Ihren Arzt über auftretende Entzugssymptome.
- Reduzieren Sie die Dosis langsam – über Wochen.
- Magnesium oder Massagen helfen gegen Muskelzuckungen.
- Betablocker-Medikamente, Baldrian oder beruhigende Tees können gegen Herzrasen helfen.
- Musik hören, viel ins Freie gehen, Entspannen helfen gegen starke Unruhe oder Traurigkeit.