Zu viel Soja ist ungesund
Das gesunde Image von Soja ist angekratzt. Experten warnen: Soja-Produkte sind wegen ihrer hormonellen Wirkung mit Vorsicht zu geniessen.
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K-Tipp 20/2006
29.11.2006
Bennie Koprio - bennie.koprio@ktipp.ch
Sei es als Tofu, Milchdrink oder Dessert: Soja ist ein Lieferant hochwertiger Proteine und deswegen als Fleischersatz sehr beliebt. Frauen schlucken es ferner als Mittel gegen Wechseljahr-Probleme. Denn Soja enthält Phyto-Östrogene der Gruppe Isoflavone, und zwar in grossen Mengen. Nahrungsergänzungsmittel aus Soja - so die Hersteller - seien deshalb eine natürliche Alternative zur in die Kritik geratenen Hormontherapie.
Der hohe Gehalt des Pflanzenstoffs, der dem weiblichen S...
Sei es als Tofu, Milchdrink oder Dessert: Soja ist ein Lieferant hochwertiger Proteine und deswegen als Fleischersatz sehr beliebt. Frauen schlucken es ferner als Mittel gegen Wechseljahr-Probleme. Denn Soja enthält Phyto-Östrogene der Gruppe Isoflavone, und zwar in grossen Mengen. Nahrungsergänzungsmittel aus Soja - so die Hersteller - seien deshalb eine natürliche Alternative zur in die Kritik geratenen Hormontherapie.
Der hohe Gehalt des Pflanzenstoffs, der dem weiblichen Sexualhormon ähnelt, hat weltweit das Interesse der Wissenschaft geweckt. Das französische Expertengremium Afssa (Agence française de sécurité sanitaire des aliments) hat rund 1500 wissenschaftliche Studien zum Thema analysiert. Schlussfolgerung: «Soja ist nicht a priori harmlos.» Denn Isoflavone können sich negativ auf den Hormonhaushalt auswirken und Tumore fördern.
Ähnliche Wirkung wie die Minipille
Säuglinge, kleine Kinder, Frauen mit Fällen von Brustkrebs in der Familie sowie Schwangere sollten laut Afssa Soja-Produkte und -Nahrungsergänzungsmittel gar nicht oder nur mit Vorsicht konsumieren. Grundsätzlich sollte man die tägliche Dosis von Isoflavonen auf ein Milligramm pro Kilo Körpergewicht beschränken.
«Die Empfehlungen der Afssa kann ich unterschreiben», sagt Josef Schlatter, Lebensmitteltoxikologe des Bundesamts für Gesundheit (BAG). Die empfohlene Höchstmenge von 1 mg/kg Körpergewicht ist seiner Meinung nach sogar grosszügig bemessen. Schlatter: «Eine Studie in England hat gezeigt, dass bereits Mengen von weniger als 1 Milligramm pro Kilo Körpergewicht wirken können wie eine Minipille.»
Besonders heikel ?ndet der BAG-Experte die unkontrollierte Aufnahme von Isoflavonen über Nahrungsergänzungsmittel. Insbesondere, weil vorab Frauen in der Menopause diese Mittel konsumieren - Frauen also, die ein erhöhtes Risiko für Brustkrebs haben. Schlatter: «Es ist experimentell erwiesen, dass Isoflavone das Wachstum von Tumoren fördern können.»
Unklar, ob Soja in der Menopause nützt
Ausserdem: Laut Afssa ist bisher wissenschaftlich nicht nachgewiesen, dass Soja-Nahrungsergänzungsmittel überhaupt gegen Wechseljahr-Beschwerden wirken. Die Tatsache, dass Asiatinnen mit einem traditionell hohen Konsum von Soja-Produkten weniger unter solchen Problemen leiden als Europäerinnen, kann andere Gründe haben. Essgewohnheiten und Lebensumstände in den beiden Kulturen sind sehr verschieden.
Fazit: Sojaprodukte sind laut Lebensmittel-Toxikologe Schlatter wertvolle Nahrungsmittel, «aber man sollte es damit nicht übertreiben. Das gilt in stärkerem Mass auch für Nahrungsergänzungsmittel.»
Hero hat seine Babynahrung nach dem Test vom Markt genommen
Maximal ein Milligramm Isoflavone pro Kilo Körpergewicht: Diese Höchstmenge ist schneller erreicht, als mancher Soja-Liebhaber denkt.
Wie viel Isoflavone ein Soja-Produkt enthält, kann kein Konsument wissen: Der Gehalt ist auf der Packung nicht angegeben. Die Westschweizer Konsumenten-Organisation FRC hat deshalb verschiedene Produkte ins Labor geschickt.
Resultat: Ein Glas Bio-Soja-Drink Coop Naturaplan (2,5 dl) enthält 29,2 mg Isoflavone, dieselbe Menge ist im Drink Sojaline von Migros drin: Eine Person, die 60 kg wiegt, hat damit bereits die Hälfte der täglichen Höchstmenge zu sich genommen. Isst sie noch eine Portion Tofu der Marke Blue Dragon (100 g: 28,5 mg Isoflavone), ist die Grenze bereits erreicht.
Oder: Der 150-Gramm-Becher Bifsoy Bio Dessert Bifidus Vanille bringt es auf 20,5 mg Isoflavone: Isst ein kleines Kind die ganze Portion, hat es die empfohlene Höchstmenge bereits überschritten.
Die FRC hat auch Säuglingsnahrung auf Sojabasis untersuchen lassen. Erschreckend: Wer sein Kind mit 5 bis 6 Schoppen Adapta Bio Soja von Hero füttert, mutet ihm eine tägliche Isoflavon-Menge von bis zu 47,4 mg Phyto-Östrogene zu. Hero hat laut FRC beschlossen, das Produkt vom Markt zu nehmen.
Als schwarzes Schaf unter den getesteten Babynahrungen bezeichnet die Konsumenten-Organisation jedoch Bisoja von Bimbosan: 5 bis 6 Schoppen, mit diesem Pulver zubereitet, ergeben eine Tagesdosis von 62 bis 74,4 mg Isoflavonen.
Sojasauce gehört nicht zu den heiklen Produkten: Sie enthält weit mehr Wasser als Soja.
(ko)