Hand aufs Herz: Sind Sie sicher, dass Sie nicht irgendwo noch ein Freizügigkeitskonto haben – also ein Sperrkonto, auf dem Pensionskassen-Kapital aus einer früheren Anstellung deponiert ist? Davon war auch ein selbständiger Handwerker aus dem Kanton Zürich überzeugt. Er liess sich dennoch zu ei-nem Suchauftrag nach sogenannt kontaktlosen Altersguthaben überreden (siehe Kasten Seite 6). Und siehe da: Rund 20 000 Franken lagerten noch auf einem Freizügigkeitskonto. Der Mann war vor Jahrzehnten bei Coop angestellt gewesen.
Dass Versicherte Pensionskassengelder aus den Augen verlieren, ist im komplizierten Altersvorsorge- System der Schweiz keine Seltenheit. Wer nämlich eine Stelle und damit die Pensionskasse des Arbeitgebers verlässt, muss sich selber darum kümmern, was mit seinem Pensionskassengeld zu geschehen hat. Im Normalfall lässt er das Geld an die Vorsorgeeinrichtung seines neuen Arbeitgebers überweisen. Tut er dies nicht – seis, weil er nicht sofort eine neue Stelle antritt, seis aus Unwissenheit oder Nachlässigkeit –, landet das Geld auf einem Freizügigkeitskonto. Und kann in Vergessenheit geraten.
Pro Person bis zu 20 Konten aufgespürt
Gegen diese Möglichkeit ist kaum ein Versicherter gefeit – von Akademikerinnen über Unqualifizierte bis zu ehemaligen Arbeitslosen. Besonders betroffen sind jedoch Arbeitnehmer mit häufigem Stellenwechsel sowie saisonabhängige Branchen wie Gastronomie, Tourismus und Baugewerbe.
Für Versicherte mit unstetem Berufsleben wurden schon bis zu 20 verschiedene Freizügigkeitskonten aufgespürt – pro Person! «Hauptsächlich handelt es sich um Beträge bis 40 000 Franken. Wir haben aber auch schon 300 000 Franken gefunden», sagt Bruno Kälin von der Firma Argus Investment, die im Auftrag von Versicherten nach solchen Geldern sucht.
Ein weiterer Grund, weshalb Altersguthaben in Vergessenheit geraten können: Die Verwalter der Gelder haben den Kontakt zum Kontoinhaber verloren. Das Gesetz verpflichtet sie zwar, «periodisch mit ihren Versicherten in Kontakt zu treten». Verlieren sie diesen, müssen sie
der Zentralstelle 2. Säule (siehe Kasten) Meldung erstatten.
Zentralstelle hat keine Übersicht
Aber: Der Zentralstelle fehlt trotzdem die Übersicht bei den kontaktlosen Konten. Denn dasselbe Gesetz erlaubt Freizügigkeitsstiftungen, die Meldepflicht «ersatzweise» zu erfüllen, indem sie der Zentralstelle pauschal alle ihre Konto-Inhaber mitteilen. «Gerade grosse Institutionen wie Banken und Versicherungen melden mehrheitlich den gesamten Bestand», so Daniel Dürr von der Zentralstelle.
Das ist bequem für die Banken. Und schlecht für die Versicherten. Denn ob der Verwalter mit dem Eigentümer eines Guthabens noch in Verbindung steht, ist für die Zentralstelle aus diesen Daten nicht ersichtlich.
Sie sucht denn auch erst aktiv nach kontaktlosen Guthaben oder der Adresse des Besitzers, wenn ein konkreter Anlass dazu besteht: Etwa, wenn der Eigentümer das Pensionsalter erreicht hat und die Gelder nicht ausbezahlt werden können, weil dessen Aufenthaltsort unbekannt ist, oder weil ein Versicherter einen entsprechenden Auftrag erteilt (siehe Kasten).
Wie viel Geld insgesamt zurzeit auf nachrichtenlosen Freizügigkeitskonten liegt, kann niemand genau sagen. Die Schätzungen reichen von einer bis über vier Milliarden Franken.
Riesengeschäft für die Banken
Auch die Auffangeinrichtung BVG verfügt über keine konkreten Zahlen – obwohl sie das eigentlich müsste. Denn laut Gesetz müssen die Pensionskas-sen die liegengebliebenen Freizügigkeitsgelder spätestens zwei Jahre nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Auffang- einrichtung überweisen.
«Dies wird aber oftmals nicht eingehalten», sagt Markus Stieger von der Auffangeinrichtung. «Es gibt diverse Pensionskassen, die in solchen Fällen die Freizügigkeitsleistungen automatisch an eine Bank überweisen.»
Legal oder nicht – die Geldinstitute freuts: Freizügigkeitskonten sind ein Riesengeschäft. Die Banken können das Kapital langfristig anlegen, vergüten dem Kontoinhaber aber nur wenig Zins. Sie halten sich nicht einmal an den für Pensionskassen geltenden Mindestzinssatz (siehe K-Tipp, Ausgaben 14/15 2007).
Aktuell bieten praktisch alle Banken einen Zinssatz von bloss 1,5 Prozent. Das ist ein Skandal! K-Tipp fordert deshalb in einer Petition faire Zinsen für alle.
Freizügigkeits-Guthaben: Zwei Stellen nehmen Ihnen die Suche ab
Jeder und jede kann nachforschen lassen, ob er noch irgendwo ein nachrichtenloses Freizügigkeitskonto besitzt – und das kostenlos.
Direkte Anfrage: Bei der Zentralstelle 2. Säule. Ihr müssen Banken, Versicherungen und die Auffangeinrichtung BVG nachrichtenlose PK-Guthaben melden. Betroffene oder ihre Nachkommen – mit einer Vollmacht auch Drittpersonen – können einen Suchauftrag erteilen. Ein entsprechendes Formular gibt es unter www. zentralstelle.ch oder bei: Zentralstelle 2. Säule, Postfach 1023, 3000 Bern 14, Tel. 031380 79 75.
Der Dienst ist kostenlos.
Achtung: Findet die Zentralstelle ein Guthaben, muss der Versicherte seine Ansprüche bei der kontoführenden Einrichtung selber durchsetzen.
Indirekte Anfrage: Bei der Privatfirma Argus Investment. Diese hat sich aufs Auffinden von nachrichtenlosen Pensionskassengeldern spezialisiert. Auch Argus Investment sucht via Zentralstelle, nimmt dem Versicherten jedoch so viel Papierkram ab wie möglich, wenn Geld gefunden wurde – auch im Umgang mit Bank, Versicherung oder Auffangeinrichtung.
Kontakt unter www.argusinvestment.ch oder: Argus Investment GmbH, Wilenstrasse 17, 8832 Wollerau, Tel. 044 786 70 90
Achtung: Der Dienst von Argus Investment ist für den Kunden zwar kostenlos. Die Firma arbeitet jedoch mit Banken zusammen und wird von diesen entschädigt, wenn sie gefundene Gelder auf eine ihrer Vertragsbanken umplazieren kann. Der Kunde ist laut Bruno Kälin von Argus Investment aber nicht verpflichtet, sein Geld bei einer der Vertragsbanken anzulegen.