Recht bekommen? Schön wärs!

Flugpassagiere sind nicht rechtlos – zumindest auf dem Papier. Im Alltag zeigt sich oft ein ganz anderes Bild.

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K-Tipp 14/2011

03.09.2011

Letzte Aktualisierung:
07.09.2011

Gery Schwager

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Easyjet-Flug EZY 1570 hätte am Abend des 22. Januar von Hurghada nach Genf fliegen sollen. Doch die Maschine hob erst am nächsten Tag ab. Als Grund für die Verspätung gab die Airline «technische Störungen» an.

Passagier Mark Beller (Name geändert) ersuchte Easyjet nach der Rückkehr um 400 Euro Entschädigung. Er stützte sich auf die auch in der Schweiz geltende EU-Verordnung über Fluggastrechte und mehrere Urteile des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg.

Technische Probleme: Airline müsste zahlen

Diese halten u. a. fest, dass Fluggesellschaften den Passagieren bei grossen Verspätungen (wie bei Annullierungen) sogenannte Ausgleichszahlungen gewähren müssen – je nach Flugverzögerung und -distanz zwischen 125 und 600 Euro. Ausgenommen sind Fälle, in denen «aussergewöhnliche Umstände» zum Ausfall oder zur Verspätung geführt haben. Technische Probleme gelten aber laut Gerichtshof grundsätzlich nicht als aussergewöhnliche Umstände.

Deshalb hätte Easyjet wohl zahlen müssen. Das sieht Reiserechtsexperte Rolf Metz ebenso. Nicht aber die Airline: Sie beharrte gegenüber Beller auf dem Standpunkt, bei Verspätungen nicht entschädigungspflichtig zu sein. Und ihr ursprüngliches Eingeständnis, wonach der Flug nach Genf «wegen technischer, nicht ausserordentlicher Gründe verspätet wurde», bezeichnete Easyjet später als Falschinfo einer Mitarbeiterin und sprach plötzlich von einem eindeutig aussergewöhnlichen Umstand.

Keine Busse für Easyjet

Beller akzeptierte das nicht. Er wandte sich ans Bundesamt für Zivilluftfahrt, das in der Schweiz die generelle Einhaltung der Passagierrechtsverordnung sicherzustellen hat. Dort blitzte er zum zweiten Mal ab: Punkto Ausgleichszahlung verwies ihn das Amt ans zuständige Gericht. Zudem teilte es mit, es werde Easyjet nicht büssen. Detailangaben erhielt Beller «aus rechtlichen Gründen» keine.

Doch warum kommt Easyjet ungeschoren davon? Dem K-Tipp sagt das Bundesamt bloss, die Voraussetzung für eine Busse sei nicht gegeben gewesen: Die Airline habe plausibel dargelegt, «dass sie die Passagierrechte korrekt angewendet hatte». Wie das Amt zu dieser Einschätzung gelangte, bleibt offen.

Ähnliche Abfuhren wie Beller erleben viele Passagiere (siehe K-Tipp 13/10). Das nährt den Verdacht: In Sachen Fluggastrechte schalten Airlines bewusst auf stur. Denn von den Aufsichtsbehörden haben sie wenig zu befürchten. Und sie dürfen damit rechnen, dass die meisten Passagiere nach einem doppelten «Njet» aufgeben. Wegen ein paar 100 Euro vor Gericht zu gehen, ist ihnen zu kompliziert.

Entsprechend locker antwortete Easyjet auf die Fragen des K-Tipp zum Fall Beller: «Falls der Passagier der Meinung ist, Ansprüche gegen Easyjet zu haben, Easyjet diese aber bestreitet, so kann er beim dafür zuständigen Zivilrichter Klage erheben.»

Der Gang vor Gericht wäre wohl in vielen Fällen von Erfolg gekrönt. Schweizer Gerichte müssen punkto Passagierrechte die Gerichtspraxis des Europäischen Gerichtshofs zwar nicht «automatisch» anwenden. Doch das Bundesgericht spricht sich für eine direkte Anwendung des EU-Rechts aus, wie Reiserechtler Metz festhält. «Deshalb dürfte ein Schweizer Gericht die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs berücksichtigen und ihr in der Regel folgen.»

Flugpassagiere: So kämpfen Sie für Ihre Rechte

Ihre Rechte als Passagier bei verspäteten, annullierten oder überbuchten Flügen müssen Sie zuerst bei der Airline einfordern. Weitere Infos: K-Tipp 2/10, 2/09, www.ktipp.ch.
Blockt die Airline ab: Bei Flügen aus der Schweiz bzw. bei Flügen mit einer Schweizer oder EU-Fluggesellschaft in die Schweiz wenden Sie sich ans Bundesamt für Zivilluftfahrt (Tel. 031 325 95 96, www.bazl. admin.ch).
Ausgleichszahlung: Klage bei Zivilgericht am Schweizer Sitz der Airline einreichen (Swiss: Basel-Stadt, Easyjet: Genf). Die unterliegende Partei muss Verfahrenskosten, meist auch Parteientschädigung zahlen.

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