Die Öl- und Gasgewinnung aus Schiefergestein boomt in Nordamerika. Das Überangebot führt gemäss der internationalen Energieagentur in Paris – mit 28 Mitgliederländern, darunter auch die Schweiz – zu sinkenden Preisen.

Swissgas, die Einkaufs­organisation der Schweizer Gasversorger, hält die aktuellen Haushaltspreise in der Schweiz für «vergleichbar» mit jenen in Deutschland. Doch die Zahlen der Energieagentur zeigen: Die umliegenden Länder sind günstiger. Ende letzten Jahres verlangten Deutschland, Österreich und Italien pro Kilowattstunde (KWh) Gas im Schnitt 8,7 Rappen, Frankreich 8,6 Rappen – die Schweiz 10 Rappen. Bei einem Verbrauch für ein Ein­familienhaus von 40 000 KWh/Jahr macht das ­einen Unterschied von über 500 Franken


Stadt Zürich profitiert von Gewinnen

Doch statt die Haushaltstarife zu senken, fahren die Schweizer Erdgas-Versorger lieber hohe Gewinne ein und verteilen gross­zügige Geschenke an ihre Aktionäre. Beispiel Erdgas Zürich: Von Oktober 2010 bis September 2011 re­sultierte ein Gewinn vor ­Steuern von 54,7 Millionen Franken. Von Oktober 2011 bis September 2012 waren es gar 60,4 Millionen. In beiden Jahren flossen Dividenden in Höhe von 14,5 Millionen. Hauptprofiteurin ist die Stadt Zürich, besitzt sie doch 96 Prozent des Aktienkapitals. Das bedeutet für die Zürcher Bevölkerung nichts anderes als eine versteckte Steuer.

Das zweite grosse Ärgernis: Die Gasversorger benachteiligen Privatkunden. «Es gibt keinen Grund, weshalb die Gaspreise bei Haushalten mit vergleichbaren Bezugsprofilen – beispielsweise eine Überbauung mit grösseren Liegenschaften – höher als diejenigen in der Industrie sein sollten», sagt René Baggenstos, Geschäfts­führer der Interessen­gemeinschaft Erdgas und Mitglied der Geschäftsleitung der Energietreuhandfirma ­Enerprice Partners.

Laut Baggenstos können bei den Preisen für die Netzbenutzung Unterschiede gerechtfertigt sein. Nicht aber beim Energiepreis: «Bei ­einer Nutzungsdauer von 3000 Stunden und einem Verbrauch von 3 Gigawattstunden (GWh) kann heute ein Energiepreis von unter 4 Rappen erzielt werden.»

Dieses Beispiel entspricht einer Überbauung mit 150 Wohnungen oder einem mittelgrossen ­Produktionsbetrieb mit Prozess­wärme.    

Erdgas Zürich widerspricht: Bei grösseren Überbauungen, zum Beispiel bei Stockwerkeigentum, kaufe eine zentrale Stelle das Gas ein. Diese werde als Grosskunde behandelt. Private benötigten aber Gas vor allem in Spitzenzeiten im Winter zum Heizen. Deshalb sei der Preis höher als bei In­dustrieunternehmen, die übers ganze Jahr gleichmässig viel Gas beziehen.

Doch das stimmt nicht: Ein Blick in die Entwicklung der Gas-Termingeschäfte an der Börse zeigt nur geringe saisonale Schwankungen.

Immerhin: Jetzt kommt Bewegung in den regulierten Gasmarkt. Seit kurzem können rund 150 Grossunternehmen ihren Versorger frei wählen. Grundlage ist eine Vereinbarung grösserer Industriekunden mit der Gaswirtschaft.


Grosskunden werden privilegiert

Das ist eigentlich eine ­positive Entwicklung, ein Schritt hin zu einem ­liberalisierten Gasmarkt.    Doch stossend ist, dass nur gewisse industrielle Grossverbraucher günstiger einkaufen können, während Privathaushalte und kleinere Vertreter aus Industrie und Gewerbe diese Möglichkeit nicht haben. Die Wettbewerbskommission (Weko) hat reagiert und gemäss Vizedirektorin Carole Söhner-Bührer eine Vorabklärung wegen al­l­fälliger Ungleichbehandlungen gestartet.

Auch Preisüberwacher Stefan Meierhans will es genau wissen: «Die Weko klärt grundsätzliche kartellrechtliche Aspekte ab. Wir wollen jetzt aber wissen, ob ein Preis­miss­brauch vorliegt.» Meierhans will verhindern, dass eine Diskriminierung von Haushalt- und Ge­werbe­kunden stattfindet, die keine freie Wahl des Anbieters haben. Von Swissgas und den regionalen Genossenschaften hat er deshalb Auskunft über die Kalkulation der Preise verlangt.

Für René Baggenstos steht schon jetzt fest: «Die Weko-Vorabklärung wird den Weg zu einem liberalisierten Markt mit günstigeren Preisen frei machen. Die jetzigen Diskriminierungen sind zu gross.»   


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