Unter Juristen ist klar: recht haben ist gratis, recht bekommen aber kann ganz schön ins Geld gehen: Seit 2011 gilt in der Schweiz ein neues Zivilprozessgesetz – mit kostspie­ligen Folgen: Die klagende Partei muss die mutmass­lichen Gerichtskosten im Voraus bezahlen.

Das mag für Reiche kein Problem darstellen. Auch nicht für Leute auf dem Existenzminimum – sie müssen keine Gerichts­kosten zahlen. Anders sieht es jedoch für den Mittelstand aus: Der verlangte Kostenvorschuss beträgt je nach Streitsumme schnell mehrere Tausend Franken. Und weil das Prozessieren mit dem neuen Gesetz viel komplizierter wurde, sind die Parteien in der Regel auf einen Anwalt angewiesen. Und auch ­dieser ver­langt oft einen Vorschuss, bevor er tätig wird. Beispiele:

Ein Mieter aus Zürich musste 3300 Franken vorschiessen, damit sich das Gericht überhaupt mit ­seiner Klage befasste. Er  hatte Anspruch auf eine Mietzinsreduktion von 267 Franken pro Monat, weil der Referenzzinssatz für Mieten von 3 auf 1,5 Prozent gesunken war. Hinzu kamen mehr als 10 000 Franken Anwaltskosten. Die Klage wurde schliesslich gutgeheissen.

Ein Arbeitnehmer aus dem Kanton Bern musste dem Regionalgericht Biel 10 500 Franken Vorschuss bezahlen. Er hatte beim Bedienen einer Schäl­maschine für Kartoffeln drei Finger verloren und verlangte vom Betrieb 90 000 Franken Schadenersatz. Die Ma­schine er­füllte seines Erachtens die Sicherheitsstandards nicht. Seine Anwaltskosten belaufen sich auf über 25 000 Franken. Der Fall ist noch hängig.

Auch ohne Gerichts­kostenvorschuss kann Prozessieren ins Geld gehen. Das musste Claudia Bösch aus Ossingen ZH erfahren. Sie verunfallte unverschuldet mit ihrem Roller. Dabei erlitt sie unter anderem einen offenen Handgelenkbruch und ein Schleudertrauma. Ihr Handgelenk ist seither nicht mehr be­lastbar, und sie leidet an Rückenschmerzen.

Die Unfallversicherung Suva übernahm anfangs die Heilungskosten und zahlte ein Taggeld. Nach rund ­einem Jahr stellte sie ihre Zah­lungen ein, obwohl die Gärtnerin laut ihrem Arzt nur noch maximal 60 Prozent arbeiten kann. Bösch wehrt sich seither mit ­Hilfe eines Anwalts gegen die Einstellung der Versicherungsleistungen. Das hat schon über 60 000 Franken gekostet. Die Haftpflichtversicherung des Unfall­verursachers hat erst rund die Hälfte der Anwalts­kosten bezahlt.

Für Isaak Meier, ehe­maliger Professor für Zivilprozessrecht an der Uni Zürich, ist angesichts solcher Kosten der Zugang zu den Gerichten für den Mittelstand nicht mehr gewährleistet. Meier be­dauert dies: «Es scheint kein politischer Wille vorhanden zu sein, das zu ändern.»

«Normalverdienern Zugang ermöglichen»

Eine Rechtsschutzversicherung kommt im Prozessfall für Gerichts- und Anwaltskosten auf. Damit Normalverdiener ihre Rechte vor Gericht einklagen können, hat der K-Tipp nun die K-Tipp Rechtsschutz AG gegründet (siehe Kasten rechts). Sie übernimmt die Kosten ohne Mindeststreitwert oder Selbstbehalt. Sie handelt nur im Interesse der Ver­sicherten und ist – wie der K-Tipp – nicht gewinn­orientiert. Eine Jahres­prämie kostet für Einzelpersonen 200 Franken und für Haushalte 220 Franken.

Isaak Meier begrüsst das: «Es ist der einzige Lösungsansatz, um Normalverdienern den Zugang zu den Gerichten zu ermög­lichen.»