Das Glücksspiel beginnt bereits beim Betreiber
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Haus & Garten 1/1999
01.05.1999
Über 400 Web-Sites von Spielerorganisatoren laden zum Glücksspiel. Aber: Eine Kontrolle über die Betreiber dieser Spiele ist fast unmöglich.
Der Zigarrenrauch vernebelt die Sicht auf den Bildschirm, die knisternde Atmosphäre verrät Spannung: Otmar Haas aus Windisch AG fährt mit dem Cursor ohne zu zögern auf den 100-Franken-Schein auf dem Bildschirm und drückt. «Die Wette gilt», krächzt blechern eine Stimme aus dem Lautsprecher. Haas hat soeben seinen Einsatz auf Sieg i...
Über 400 Web-Sites von Spielerorganisatoren laden zum Glücksspiel. Aber: Eine Kontrolle über die Betreiber dieser Spiele ist fast unmöglich.
Der Zigarrenrauch vernebelt die Sicht auf den Bildschirm, die knisternde Atmosphäre verrät Spannung: Otmar Haas aus Windisch AG fährt mit dem Cursor ohne zu zögern auf den 100-Franken-Schein auf dem Bildschirm und drückt. «Die Wette gilt», krächzt blechern eine Stimme aus dem Lautsprecher. Haas hat soeben seinen Einsatz auf Sieg im Basketballspiel der Indiana Pacers gegen die Chicago Bulls gesetzt. Ein ziemlich sicherer Tipp zwar, doch der Nervenkitzel bleibt.
Der 40-Jährige spielt seit drei Monaten jeden Tag im Cyberspace um Geld. Bilanz: «Etwa gleich viel gewonnen wie zerronnen», gibt er zu. Da hat er allerdings noch Glück gehabt, denn die meisten Spieler stecken tief im Minus.
Immer mehr Gambler frönen dem Glücksspiel zu Hause am Bildschirm. Wer beim wöchentlichen Sport-Toto-Wetten auf Sieg, Unentschieden oder Niederlage von Fussballmannschaften zu wenig Nervenkitzel verspürt, wird sich früher oder später im Internet auf die Suche nach geeigneten Web-Sites machen. Über 400 Adressen von Spielorganisatoren sind im Netz. Gespielt wird per Kreditkarte oder mittels eines Kontos, das beim jeweiligen Site-Eigentümer eingerichtet wird.
Die weltweite Dimension des Internets kompliziert aber eine wirksame Kontrolle bezüglich Seriosität und Herkunft der Anbieter. «Jeder Gauner kann eine Web-Site aufmachen, die Einlagen der Klienten abkassieren und verschwinden», heisst es in einem Bericht der Abteilung Computer und Kommunikationspolitik der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).
Und auch beim Bundesamt für Polizeiwesen (BAP) warnt man vor Abzockern, die mit prall gefüllten Kundenkonten spurlos aus dem Cyberspace verschwinden können. «Das Risiko beginnt nicht erst mit dem Wetteinsatz, sondern bereits mit der Kontoeröffnung bei einem Betreiber», sagt Internet-Polizist Christian Hess vom BAP.
Für den einzelnen Internet-Kunden ist es sehr schwierig abzuschätzen, ob das Unternehmen, bei dem er seine Spiel- und Wetteinsätze tätigt, seriös ist und einen sicheren und transparenten Spiel- und Wettbetrieb garantiert. «Es bestehen aufgrund der weit verzweigten Geschäftsverbindungen und der Internationalität rechtliche Schwierigkeiten, Guthaben einzufordern», warnt Hess. Im Klartext: Wer sich im Internet aufs Wetten einlässt, muss mit einem Totalverlust rechnen.
Diese Befürchtung unterstützt auch ein Blick in die Homepage der Fachzeitschrift «Rolling Good Times Online» (www.rgtonline.com), die mehrere Adressen von Wettanbietern aufführt, die sich sang- und klanglos aus dem Netz verabschiedet haben, nachdem sie die Spielerkonten leer geräumt hatten. Wie gross der Schaden ist, weiss niemand genau. Da sind auch die Kontrolleure der OECD machtlos, denn die Betreiberadressen lassen sich nach einem Rückzug nur mehr schwer herausfinden.
Dies könnte die Chance für diejenigen Betreiber von Internet-Spielwetten sein, bei denen die dahinter stehende Firma bekannt ist. Eine davon ist die Globalwetten GmbH, die vom österreichischen Feldkirch aus operiert. Dahinter steckt die Spielautomatenherstellerin Escor aus Düdingen FR, welche die Wettseite «bet&win» betreibt.
Sie ist nach Österreich ausgewichen, weil die Veranstaltung entsprechender Glücksspiele von der Schweiz aus verboten ist. «Unser Engagement im Bereich Internet-Wetten ist bisher erfolgreich. Nicht zuletzt deswegen, weil man weiss, wer wir sind», meint Christian Vollmer, Verwaltungsratspräsident.
Vorsicht ist aber immer am Platz. Denn bis heute gibt es kein Rating über die entsprechenden Angebote; weder eine weisse noch eine schwarze Liste.
Remy Buchschacher