Wenn es zwischen Bewohnern im Block Krach gibt, steht Hausmeister Martin Roos mittendrin. Er weiss, wo es häufig zu Streitigkeiten kommt und wie er beim Schlichten vorgehen muss.
Martin Roos ist Herr über 224 Wohnungen. «Da brennt es täglich irgendwo», sagt der Hausmeister bei der Bau- und Holzgenossenschaft (Bahoge) in Zürich. Denn wenn Kinder mit ihren Spielgeräten den Weg zum Haus verstellen oder ein Bewohner ausflippt, weil der Nachbar zu Unzeiten überlang duscht, dann ist Martin Roos nicht als Abwart mit Schaufel und Besen gefragt, sondern als sozialer Feuerlöscher und ausserordentlicher Friedensrichter.
In einem Workshop von «Wohnkultur Zürich» hat er gelernt, wie man brenzlige Situationen meistern und einen Streit schlichten kann. Speziell auch dann, wenn im Konflikt verschiedene Kulturen und Mentalitäten eine Rolle spielen. Und wie man vorgehen soll bei Drohungen, bei Schikanen mit Türenknallen oder gar bei mutwilligen Beschädigungen. «Das Wichtigste ist, dass die Leute miteinander reden. So könnten die meisten Konflikte vermieden werden», meint Roos.
Als vor kurzem ein neuer Mieter in die Genossenschaft einzog, beschwerte sich der Bewohner im oberen Stockwerk über den Neuankömmling, bevor dieser seine Wohnwand aufgestellt hatte - Anklagepunkt: zu laute Musik.
Die Abklärungen von Martin Roos ergaben, dass im hellhörigen Haus nicht der Neuzuzüger, sondern der Mieter drei Stockwerke tiefer für den Krach verantwortlich war. «Fälle wie dieser sind typisch. Viele Nachbarschaftsstreitereien beruhen auf Missverständnissen.»
Die häufigsten Konfliktpunkte unter Nachbarn sind Lärm, verursacht durch laute Musik oder Duschen. Laut Martin Roos beginnen viele Fehden auch in den allgemeinen Räumen, wo man - wie zum Beispiel in der Waschküche - Einrichtungen gemeinsam benutzen muss. K-Spezial zeigt auf, wo die konfliktreichsten Orte in einem Mehrfamilienhaus sind und welche Pflichten und Rechte dort gelten.
Waschküche
Ihretwegen kann sich ein eigentlicher Krieg entwickeln. Die eine Partei wäscht immer zu Unzeiten, die andere lässt die Laken tagelang hängen oder putzt den Tumbler nicht. Meistens sorgt in Mehrfamilienhäusern ein spezieller Benutzungsplan für Ordnung. Ein gerechter Plan nimmt Rücksicht auf den grösseren Waschbedarf von Familien mit Kindern oder auf Doppelverdiener-Haushalte, die nur abends oder am Wochenende waschen können.
Wenn die Mieter den von der Hausverwaltung aufgesetzten Waschplan als untauglich empfinden, können sie diesen selber abändern. Voraussetzung ist, dass alle Parteien damit einverstanden sind. Können sich die Bewohner untereinander nicht einigen, kann die Verwaltung einspringen und helfen, eine Lösung zu finden.
Wer sich nicht mit Waschzeiten und Nachbarn herumschlagen möchte, kann eine eigene Waschmaschine in der Wohnung aufstellen, sofern dies der Mietvertrag nicht ausdrücklich verbietet.
Vorplatz, Zufahrt
Wenn die Hausordnung die Benutzung nicht speziell regelt, steht der Vorplatz grundsätzlich jedermann zur Verfügung. So dürfen ihn beispielsweise die Kinder zum Spielen benutzen. Weil die Zufahrt zu den Garagen aber garantiert sein muss, dürfen sie den Platz nicht mit Spielgeräten verstellen.
Prinzipiell muss die Verwaltung beziehungsweise der Hauswart dafür sorgen, dass die Zu- und Wegfahrt zur Garage und zum Parkplatz gewährleistet ist.
Treppenhaus
Stinkende Abfallsäcke vor der Wohnungstür, schmutzige Schuhe oder gar eine Truhe, die das Vorbeigehen zum Slalomlauf macht - da ist Zoff nicht weit.
Weil das Treppenhaus zur Allgemeinfläche gehört, darf die Verwaltung bestimmen, was dort erlaubt ist. Meistens sagts diese klar: Das Treppenhaus ist nicht für private Zwecke bestimmt. Also kann dort weder miefender Abfall deponiert werden noch darf eine Kommode oder ein Kinderwagen dort stehen.
Begründen lässt sich dies auch durch die Vorschriften der Feuerpolizei: Diese verlangt nämlich eine Mindestbreite für den Fluchtweg. Diese Breite variiert von Kanton zu Kanton, beträgt aber im Minimum 1,20 Meter. Ausserdem darf man den Fluchtweg nicht mit möglichen Brandquellen (Holzregale etc.) verstellen.
Balkon
Weil Grillieren auf dem Balkon oft Anlass für Auseinandersetzungen zwischen Mietern ist, verbieten es immer mehr Verwaltungen. Aber: Im Gegensatz zum Treppenhaus gehört der Balkon nicht zur gemeinsamen Zone. Nutzungsvorschriften dürfen den freien Gebrauch deshalb nur bedingt einschränken. Dies gilt auch für das sommerliche Grillieren auf dem Balkon.
Verbieten kann eine Verwaltung zwar die Benutzung eines Holzkohlen-Grills, weil die Gerüche von Anzündern und Rauch massiv sind. Aber solche Geruchsbelästigungen fallen beim Gas- oder Elektro-Grill weg. Den Geruch von brutzelndem Fleisch oder Gemüse müssen sowohl der Vermieter als auch Ihre Nachbarn als normale Auswirkung Ihres Wohnrechts dulden. Solche Düfte könnten schliesslich auch aus einem offenen Küchenfenster wehen.
Aber Vorsicht: «Wenn Sie in Ihrem Mietvertrag ein ausdrückliches Verbot haben, müssen Sie sich daran halten», sagt Erika Wagner vom Mieterinnen- und Mieterverband in Zürich.
Garten
Wenn Kinder im Hinterhof tschuten oder mit dem ersten Schnee eine tolle Schneeballschlacht veranstalten, kann es laut zu und her gehen.
«Gebt Ruhe da unten!», tönt es dann. Dabei müssen die Bewohner Spiellärm tolerieren. Dennoch gilt draussen praktisch das Gleiche wie für Lärm in der Wohnung. Wenn die Hausordnung nicht regelt, was zumutbar ist, gelten die örtlichen Polizeivorschriften. Diese Informationen bekommen Sie beim Mieterverband, der zuständigen Schlichtungsstelle oder bei der Polizei.
Wohnung
Auch wenn man kein Liebhaber von Arien oder Schuberts Liedern ist: Der Opernsängerin nebenan können Sie das Üben nicht verbieten.
Singen oder Musizieren ist jedoch zeitlich beschränkt, mindestens während der allgemeinen Mittags- oder Nachtruhe muss die Sängerin pausieren. Unzulässig sind während dieser Zeit auch lautes Lachen und Grölen.
Normalerweise schreibt die Hausordnung Nachtruhe von 22 bis 7 Uhr vor und bestimmt, dass man den Regler bei Radio, TV-Apparat und CD-Player nur bis Zimmerlautstärke aufdrehen darf.
Jeder empfindet Lautstärke anders. Deshalb ist es meist besser, sich bei andern Nachbarn zu erkundigen, ob ihnen die Duschgeräusche oder das Üben der Berufssängerin ebenfalls auf die Nerven gehen. Denn wenn solche Geräusche die Nachbarn massiv stören, muss der Vermieter einschreiten.
Vier Stunden lang dauerndes Exerzieren von Arien kann die Wohnqualität stark beeinträchtigen. Dies gilt ebenso für regelmässig überlauten Kinderlärm.
So kann ein Mieter seinen Mietvertrag fristlos kündigen, wenn seine Wohnung einen schweren Mangel aufweist, den der Vermieter kennt und nicht innert angemessener Frist beseitigt. Krach aus der Nachbarschaft kann ein solcher Mangel sein. Mieter können auch eine Mietzinsreduktion beantragen.
Übrigens: Wenn Sie während der kommenden Feiertage eine Party planen, die bis in die Morgenstunden dauern soll, rät Ihnen Hausmeister Martin Roos: «Sprechen Sie im Voraus mit den Nachbarn. Dann sind diese häufig flexibel.» Einen möglichen Konflikt können Sie auch verhindern, wenn Sie die betroffenen Nachbarn zu Ihrem Fest einladen.
Stephan Pfäffli
Mein Nachbar treibt mich in den Wahnsinn - wer hilft?
Mit dem Nachbarn sprechen ist das beste Rezept gegen Streitereien. Wenn das nichts bringt, probieren Sie es folgendermassen:
- Massive Störungen können Sie entweder dem Hauswart, dem Vermieter oder der Polizei melden. Voreilige Anzeigen oder Anrufe bei der Polizei können das Klima im Haus jedoch nachhaltig vergiften.
Wenn die Polizei den Lärm als echtes Problem beurteilt, kann sie den Störenfried nach einer ersten Verwarnung verzeigen, was in der Regel eine Busse nach sich zieht. Der Vermieter beziehungsweise die Verwaltung ist laut Gesetz verpflichtet, dem Mieter den ungestörten Gebrauch der Mietsache zu ermöglichen. Demzufolge muss der Hausverwalter etwas unternehmen. Zunächst wird er den Nachbarn ermahnen.
Informationen und Beratung
«Wohnkultur Zürich» unterhält eine auf Mieterinnen und Mieter zugeschnittene Helpline mit Auskunft und Beratung zu Nachbarschaftskonflikten. Hausmeister und andere Interessierte können Einführungskurse in die hiesige Alltagskultur besuchen - zum Beispiel über Hausordnungen oder Abfallentsorgung:
- Wohnkultur Zürich, Kanzleistrasse 80, 8004 Zürich, Helpline, Tel. 01 245 90 30, www.wohnkulturzuerich.ch
- Wohnkultur Zürich ist ein Kind des Vereins Domicil, Zürich, der auf dem Wohnungsmarkt benachteiligten Leuten hilft: Tel. 01 245 90 25
Darf ich ein Haustier halten?
Ja, aber die meisten Formular-Mietverträge fordern für die Haltung von Tieren das schriftliche Einverständnis des Vermieters. Aus welchen Gründen dieser die Zustimmung verweigern kann, hängt vom Mietvertrag und von den Umständen ab. Hat der Vermieter zum Beispiel der Nachbarin die Haltung eines Schäferhundes erlaubt, wird er Ihnen den Pudel nicht verbieten können. Für die Haltung von Kleintieren (wie Zierfische oder Hamster) braucht es jedoch keine Bewilligung.