Der SBB-Chef Andreas Meyer kann strahlen. Im vergangenen Jahr erwirtschafteten die SBB einen Reingewinn von 422,5 Millionen Franken – 25 Prozent mehr, als im Vorjahr. Das ist mehr, als der Bundesrat von ihm gefordert hatte (saldo 3/13). Noch vor drei Jahren lag die Gewinnvorgabe der Landesregierung bei 170 Millionen Franken – und vor zehn Jahren bei 24,9 Millionen Franken. Der neuste Überschuss geht auch zum grössten Teil auf die Gewinne im Personenverkehr zurück, in zweiter Linie auf die Erträge aus den Immobilien.

Weniger zufrieden sind die Bahnbenützer. Sie mussten letztes Jahr für ihre Billette deutlich mehr bezahlen. Folge: Jeden Tag fuhren im Durchschnitt rund 10 000 Leute weniger mit den SBB. Und einmal mehr subventionierten die Passagiere den seit Jahren chronisch defizitären Güterverkehr. Im letzten Jahr belief sich der Verlust auf 51 Millionen Franken.


Die Infrastruktur der SBB ist 100 Milliarden Franken wert

Interessant ist auch ein Blick in die Bilanz der SBB: Dort weisen sie immer gerne auf die Schulden von zurzeit knapp 19 Milliarden Franken hin. Aber das ist nur ein Teil der Wahrheit: In der Bilanz hat es wie bei jedem Unternehmen auch Aktiven. Und diese sind tief unter ihrem wirklichen Wert eingesetzt. Die SBB sitzen auf einem wahren Schatz: Der Gesamtwert der bestehenden Infrastruktur beträgt 100 Milliarden Franken. Das geht aus einer 2011 veröffentlichten Nationalfonds-Studie hervor. Titel: «Was kostet das Bauwerk Schweiz in Zukunft und wer bezahlt dafür?» Die Autoren stützen sich dabei auf Angaben von Markus Giger, Leiter Sektion Finanzierung Schiene im Bundesamt für Verkehr. Ausser den vernachlässigbaren Bergbahnen sind in dieser Bewertung alle Bahnen mitgezählt, der Grossteil betrifft die SBB. Zum Vergleich: Das gesamte Strassennetz hat einen Wert von 170,7 Milliarden.


Immobilienwerte durch Abschreibungen laufend reduziert

Wer sich die SBB-Bilanz ansieht, wird den Betrag von 100 Milliarden nicht finden: Dort sind die Sachanlagen und Anlagen im Bau mit einem Nettobuchwert von nur 31,3 Milliarden Franken aufgeführt. Das ist buchhalterisch nicht falsch. Aber es zeigt deutlich, auf welch riesigem Finanzpolster die SBB sitzen. Solche versteckten Reserven sind in der Bilanz erlaubt. Die Buchhalter sprechen dabei von stillen Reserven.

Der Hintergrund dieses Riesenvermögens: Die SBB erhielten Schienen, Bahnhöfe und Immobilien vom Bund – also von den Steuerzahlern – fast geschenkt. Das war im Jahr 1999, als der Bundesrat für die SBB eine eigenständige AG gründete. Damals bilanzierte man alle Werte zu Anschaffungspreisen, nicht zum realen Verkehrswert. Und seither wurden die schon zu tiefen Werte in der Bilanz Jahr für Jahr weiter abgeschrieben, also reduziert.

Pikant: Einen Teil der Liegenschaften hatten die SBB durch Enteignungen zu einem Spottpreis erhalten, wie das Beispiel Zollstrasse beim Hauptbahnhof Zürich zeigt: Die Alternative Liste wollte vom Zürcher Stadtrat wissen, wie die SBB zu diesem Land gekommen sind – wo die SBB heute ein grosses Geschäftshaus mit Wohnungen planen. Der Stadtrat stiess in Archiven auf 19 Verträge aus den Jahren 1855 bis 1880. Für den Quadratmeter bezahlten die SBB zwischen 89 Rappen und Fr. 37.78. Mit der Teuerung gemäss Landesindex der Konsumentenpreise kommt man auf heutige Landpreise zwischen 9 und 391 Franken pro Quadratmeter. Zum Vergleich: Der Quadrat­meterpreis für unbebautes Land im Zürcher Stadtkreis 5 beträgt ­aktuell mehrere Tausend Franken.

Noch deutlicher als beim Grund und Boden wird das prächtige Vermögen der SBB bei einem Blick auf ihren bestehenden Gebäudebesitz. Die SBB sind nicht nur eine Bahn, sie gehören auch zu den grössten Immobilienbesitzern der Schweiz. Bis ins Jahr 2008 bezifferten sie im Geschäftsbericht den Wert ihrer Liegenschaften auf 7,1 Milliarden, ein Jahr später auf 6,3 Milliarden Franken. Dann wandten sie einen Trick an, um praktisch von heute auf morgen wesentlich ärmer dazustehen. Gebäude und Grundstücke wiesen sie nur noch zum Anschaffungswert abzüglich Abschreibungen auf. Das macht im aktuellen Geschäftsbericht nur einen Nettobuchwert von 3,9 Milliarden. Nimmt man die heutigen Mieterträge von 386,5 Millionen und kapitalisiert diese mit einer marktüblichen Rendite von 6 Prozent, erhält man den realistischeren Wert von 6,4 Milliarden Franken.


Zurzeit stehen 80 neue Gebäude­projekte an

Das ist immer noch sehr konservativ gerechnet. Die SBB planen oder realisieren zurzeit nicht weniger als 80 Projekte, darunter die Grossüberbauung beim Zürcher Bahnhof Tiefenbrunnen, in Basel der Prestigebau von Herzog & de Meuron sowie ganze neue Stadtviertel. In Genf-La Praille sollen bald 20 000 Arbeitsplätze und Wohnungen für 6000 Menschen entstehen, in Zürich-Alt­stetten sind mehrere Immobilienkomplexe geplant – und das Prunkstück Europaallee in Zürich mit einem Investitionsvolumen von bis zu 2 Milliarden Franken. Immobilienexperten gehen deshalb von einem Gesamtwert des Gebäudeparks von gegen 10 Milliarden Franken aus. «Die SBB sind mit ihren Immobilien strategisch sehr gut aufgestellt. Die Bahnhöfe und deren Umfeld sind wertvolle Industrie- und Wohnzonen», sagt Rolf Büttiker, langjähriger Solothurner FDP-National- und Ständerat.


«Der Bahnbetrieb sollte selbsttragend sein»

Diese Zonen sind Gold wert. Das weiss auch Büttiker, der als langjähriges Mitglied der Verkehrskommission und der Neat-Aufsichtsdelegation die SBB gut kennt. Er sieht eine Strategie hinter den von den Bahnen veröffentlichten Zahlen: «Die SBB sind Subventionsbezüger. Mit einer schlechteren Darstellung der Rechnung ist es einfacher, zu Geldern zu kommen. Bewusst hat das Unternehmen mit Unterbewertung von Immobilien stille Reserven gebildet.»

Büttiker begrüsst die Idee der EU-Kommission, die Besitzverhältnisse von Infrastruktur und Bahnbetrieb zu trennen: «Der Bund muss wie bei den Strassen als Besitzer der Schienen für die Instandhaltung und den Ausbau verantwortlich sein. Und der Betrieb sollte selbsttragend und nicht mit Subventionen finanziert sein.» Das würde auch den heutigen Subventionsdschungel mit dem Hin-und-her-Schieben von Geldern der öffentlichen Hand überflüssig machen.


Bahndefizit: Schwarzmalerei via Medien

«Das Bahndefizit wächst ungebremst.» So eine Schlagzeile des «Tages-Anzeigers» von Mitte April. Wie ist diese Meldung mit der kürzlich veröffentlichten Jahresrechnung der SBB und dem Rekordgewinn zu vereinbaren? Antwort: Das eine hat mit dem andern nichts zu tun.

Die Zahlen des Bundes beziehen sich auf alle Schweizer Bahnen. Von den im «Tages-Anzeiger» genannten 10,2 Milliarden Franken Defizit im Jahr 2011 sind 9,8 Milliarden rein fiktiv: Sie basieren auf einer theoretischen Betrachtung.

Beispiel: Einige der 55 Schweizer Bahnen erwirtschaften jedes Jahr ein Defizit. Dafür kommt der Bund auf. Müsste er für diesen Betrag ein Darlehen aufnehmen, müsste er Zinsen bezahlen. Ge­flossen ist dieses Geld aber nicht, und ein Darlehen musste der Bund nicht aufnehmen. Gleich ist die Situation bei den Zinsen auf Spezial­finanzierungen (etwa der Neat für den Güterverkehr). Auch hier liegt den Zahlen die theoretische Überlegung zugrunde, dass der Bund Zinsen in Milliardenhöhe bezahlen müsste, wenn er dieses Geld am Markt aufnehmen würde.

Bilanz und Rechnung der SBB hingegen basieren auf einer betriebswirtschaftlichen Rechnung, wie sie jedes Unternehmen macht. Sie berücksichtigt reale Geldflüsse.
Nach betriebswirtschaftlichen Kriterien verbuchten alle Bahnen gemäss Eisenbahnrechnung 2011 im Jahr 2011 einen Ertragsüberschuss von 376 Millionen Franken.


Initiative «pro service public»: Alle angefangenen Bogen jetzt zurücksenden

Mit der Volksinitiative «Pro Service public» wollen ­saldo und «K-Tipp» dafür sorgen, dass Bun­des­be­triebe wie SBB, Post und Swisscom den Bürgern einen guten und bezahlbaren Service bieten.

Unterschriftenbogen können Sie bestellen bei «K-Tipp», «Pro Service public», Postfach 431, 8024 Zürich, über Tel. 044 266 17 17 oder unter www.pro-service­-­public.ch herunter­laden.
Wichtig: Auf einem ­Bogen dürfen sich nur Stimm­be­rech­tigte der­selben politischen ­Gemeinde eintragen.

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