Potenzmittel Viagra erhält Konkurrenz
Fünf Jahre hatte Viagra das Monopol auf dem Markt der Sexpillen. Jetzt gibt es zwei neue Potenzmittel. Alfred K. hat eines ausprobiert.
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saldo 11/2003
11.06.2003
Susanna Beusch
Krise im Beruf und in der Beziehung: Die Probleme schlugen dem 45-jährigen Alfred K. auf die Potenz. Seine Erektionen wurden schwächer. Im Bett klappte es immer seltener. Der Leistungsdruck, eine genügend starke Erektion zu haben, und die Angst, beim Geschlechtsverkehr zu versagen, machten alles nur noch schlimmer.
Nur 10 Prozent der Männer lassen sich behandeln
Alfred K. ist einer von 500 000 Männern in der Schweiz, die laut Schätzungen der Experten a...
Krise im Beruf und in der Beziehung: Die Probleme schlugen dem 45-jährigen Alfred K. auf die Potenz. Seine Erektionen wurden schwächer. Im Bett klappte es immer seltener. Der Leistungsdruck, eine genügend starke Erektion zu haben, und die Angst, beim Geschlechtsverkehr zu versagen, machten alles nur noch schlimmer.
Nur 10 Prozent der Männer lassen sich behandeln
Alfred K. ist einer von 500 000 Männern in der Schweiz, die laut Schätzungen der Experten an Potenzproblemen leiden. Bei den Männern zwischen 40 und 70 Jahren hat jeder Zweite Mühe, eine Erektion zu haben, die einen Geschlechtsverkehr ermöglicht. Doch nur zehn Prozent der Betroffenen lassen die Störungen vom Arzt abklären und gegebenenfalls behandeln.
«Die Zahl der Patienten, die wegen Potenzproblemen zum Arzt kommen, hat in den letzten fünf Jahren trotz Viagra kaum zugenommen», stellt Kurt Lehmann, Urologe am Kantonsspital Baden, fest. Das ist erstaunlich, denn Viagra gilt als Meilenstein in der Behandlung von Potenzstörungen. 110 000 Pillen werden in der Schweiz jeden Monat abgesetzt. Weltweit ist Viagra eines der meistgekauften Medikamente.
Auch Alfred K. erhielt von seinem Urologen ein Rezept. Die Wirkung der blauen Pille fand er gut, auch wenn sie ihm Kopfweh und Schweissausbrüche bereitete. Ihn störte aber, dass er Sex nun planen musste. «Der Nachteil war, dass ich mit Viagra Geschlechtsverkehr quasi mit der Stoppuhr machen musste. Wenn ich den Zeitpunkt der Wirkung verpasste, konnte ich keine Erektion mehr haben. Dann hatte ich die Pille vergebens genommen.»
Für den Urologen Kurt Lehmann sind solche Erfahrungen nichts Neues. «Viele Patienten klagen darüber, dass sie mit Viagra den Geschlechtsverkehr planen müssen. Wir empfehlen deshalb, die Pille ein bis drei Stunden vor dem Verkehr zu nehmen. Dann muss man weniger gezielt vorgehen.»
Neue Medikamente sollen schneller und länger wirken
24 Millionen Franken gaben die Schweizer letztes Jahr für Viagra aus. Der finanzielle Erfolg des Medikamentes und die Monopolstellung des Herstellers Pfizer trieb die Forschung anderer Pharmakonzerne mächtig an. Jetzt kommen zwei weitere Potenzmittel auf den Markt: Levitra und Cialis. Sie funktionieren nach demselben Muster wie Viagra, sollen aber schneller und länger wirken.
Noch immer glauben viele Menschen, mit Viagra würde sich die Erektion von selber einstellen. Diese Vorstellung ist falsch. Die Pille allein hilft nämlich nicht. Grundvoraussetzung für die Wirkung von Cialis, Levitra und Viagra ist sexuelle Lust. Sie entsteht im Hirn und wird ausgelöst durch stimulierende Bilder, Gerüche, Stimmen und Berührungen.
Die Präparate werden ab 2004 erhältlich sein
Stark vereinfacht beruht die Wirkung von Cialis, Levitra und Viagra darauf, dass sie bei sexueller Lust die Zufuhr und Speicherfähigkeit von Blut in die Schwellkörper im Penis erhöhen und dadurch die Erektion des Penis fördern. Weil die Wirkstoffe der drei Medikamente fast identisch sind, können bei allen dieselben Nebenwirkungen auftreten: Kopfweh, Gesichtsröte, Übelkeit und Schwindel.
Alfred K. hatte die Chance, die Potenzpille Cialis im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie auszuprobieren. Das neue Medikament wirkte gleich gut wie Viagra, zeigte bei ihm aber keine lästigen Nebenwirkungen. Doch im Gegensatz zu Viagra hielt die Wirkung sehr viel länger an. «Wenn ich die Pille um sechs Uhr abends nahm, wusste ich, irgendwann nachts kann ich Geschlechtsverkehr mit meiner Partnerin haben. Und wenn wir gestört wurden, war es später immer noch möglich, eine genügend starke Erektion zu haben.» Die lange Wirkdauer empfand Alfred K. als grossen Vorteil. Sie erlaubt ihm mehr Spontaneität in seiner Sexualität. Anderen Männern ist es unangenehm, ein Medikament einzunehmen, dessen Wirkstoff so lange im Körper bleibt. In solchen Fällen sind Levitra und Viagra besser geeignet. Das Fazit des Urologen Kurt Lehmann: «Die neuen Medikamente erlauben uns, besser auf die Bedürfnisse des Patienten einzugehen und ihm eine massgeschneiderte Therapie anzubieten.» Erhältlich werden die Präparate voraussichtlich 2004 sein.
Ohne Lust geht nichts
Weit verbreitet ist die Vorstellung, mit Viagra stelle sich die Erektion von selber ein. Falsch: Ohne Lust versagen die besten Sexpillen. Die Lust entsteht nämlich im Kopf.
Sinne: Bilder, Stimmen und Fantasie wecken die sexuelle Lust, wichtige Voraussetzung für eine Erektion.
Gehirn: Das Sexualzentrum im Hirn setzt Hormone und Botenstoffe frei. Die Nervensignale gelangen über das Rückenmark in den Unterleib.
Sympathisches Nervensystem: Teile dieses Systems können die Erektionsfähigkeit behindern. Stress und Adrenalin stören die lustfördernden Nervensignale.
Rückenmark: Hier laufen die Reize zusammen, die durch das Berühren des Penis entstehen. Verletzungen wie Bandscheibenvorfall und Querschnittlähmung unterbrechen hier die Signalübermittlung.
Parasympathisches Nervensystem: Schickt Signale zu den Blutgefässen und den Schwellkörpern des Penis, die die Erektion
auslösen und aufrechterhalten.
Penis: Blutgefässe und Schwellkörper füllen sich mit Blut. Die Potenzmittel Cialis, Levitra und Viagra unterstützen diesen Vorgang und verbessern die Erektion.
Gefässerkrankungen sind häufig
Achtzig Prozent aller Potenzstörungen sind organisch bedingt. Am häufigsten sind Gefässerkrankungen. Sie beeinträchtigen Blutzufuhr und Speicherfähigkeit in den Schwellkörpern des Penis, sodass es zu keiner ausreichenden Erektion kommt. Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Bluthochdruck, Arteriosklerose und erhöhter Cholesterinspiegel steigern das Risiko von Erektionsproblemen. Auch Medikamente wie Blutdrucksenker, Antidepressiva und Beruhigungsmittel können die Potenz beeinträchtigen. Seltener sind hormonelle Störungen wie Testosteronmangel oder Störungen bei der Weiterleitung der Nervensignale zum Penis, zum Beispiel nach einer vollständigen Entfernung der Prostata.
Etwa zwanzig Prozent der Störungen sind psychisch bedingt. Stress im Beruf oder Probleme in der Partnerschaft können die Lust auf Sex herabsetzen und die Erektionsfähigkeit beeinträchtigen. Das kann das männliche Selbstvertrauen erschüttern. Die Potenzstörung verstärkt sich unter dem Druck, eine Erektion zu haben, und der Angst, im Bett zu versagen.