Lassen Sie sich nicht über den Tisch ziehen!
Passender Esstisch gesucht? Beratung ist Glückssache, musste SPEZIAL «Haus & Garten» beim Gang durch die grössten acht Möbelhäuser der Schweiz erfahren.
Inhalt
Haus & Garten 2/2006
22.03.2006
Pirmin Schilliger
Ausgangslage für diesen Streifzug durch die Schweizer Möbellandschaft: Gesucht war ein einfacher Auszugstisch für die Stube, an dem sechs bis zehn Personen bequem essen können. Umgesehen und beraten lassen hat sich SPEZIAL inkognito im neuen Möbelcenter «Meierhöfli» in Emmen LU (Interio, Top Tip, Conforama, Möbel Pfister), bei Lipo Möbelposten und Diga (ebenfalls Emmen) sowie bei Ikea in Lyssach BE und bei Hubacher in Rothrist AG.
INTERIO: Der tisch schwankt wie ...
Ausgangslage für diesen Streifzug durch die Schweizer Möbellandschaft: Gesucht war ein einfacher Auszugstisch für die Stube, an dem sechs bis zehn Personen bequem essen können. Umgesehen und beraten lassen hat sich SPEZIAL inkognito im neuen Möbelcenter «Meierhöfli» in Emmen LU (Interio, Top Tip, Conforama, Möbel Pfister), bei Lipo Möbelposten und Diga (ebenfalls Emmen) sowie bei Ikea in Lyssach BE und bei Hubacher in Rothrist AG.
INTERIO: Der tisch schwankt wie ein schiff
Rund zwei Dutzend Tische stehen zur Auswahl. Ins Auge sticht uns sofort ein Holztisch mit einem Eichenfurnier für 850 Franken. Als wir daran leicht rütteln, schwankt der Tisch aber wie ein Schiff. Die meisten Modelle kosten zwischen 350 und 800 Franken. Einen wirklich stabilen Eindruck erweckt ein Möbel aus massivem Eichenholz, verleimt und verzinkt und mit stämmigen Beinen. Doch dieses rustikale Stück dürfte kaum in unsere Wohnung passen.
Vielleicht könnte ein Kombitisch mit einem alufarbenen Metallgestell und einer Platte aus Faserzement unsere Lösung sein? Doch stutzig macht uns der Hinweis «auch im Aussenbereich verwendbar». Ist das gar kein Esstisch für die Wohnung, sondern ein Gartentisch?
Die drei Frauen am Informationsschalter, an die wir uns Hilfe suchend wenden, schauen sich gegenseitig an. Schliesslich sagt eine: «Nein, das ist kein Gartentisch.» «Warum heisst es dann, er sei im Aussenbereich verwendbar?», fragen wir. «Heisst es das denn? Ja, welchen Tisch meinen Sie eigentlich?», so die Verkäuferin. Dieser Tisch sei im Moment sowieso nicht lieferbar. «Und wie ist es mit Opus 1 - dem massiven Eichentisch?», wollen wir wissen. «Auch dieser Tisch ist leider nicht lieferbar! Wir haben Produktionsengpässe, Sie müssen sich drei Monate gedulden.»
Unser Versuch, ein Exemplar zu reservieren, bleibt erfolglos. «Unser Computersystem kann im Moment keine Reservationen erfassen», erklärt die zweite Verkäuferin. Sie empfiehlt uns, in drei Monaten wieder vorbeizukommen. Das hingenen werden wir uns überlegen müssen.
TOP TIP: und plötzlich ist der berater weg
Was kann man von einem Tisch aus massivem Kiefernholz erwarten, der bloss 195 Franken kostet? Als wir uns auf dem ausgezogenen Teil leicht abstützen, kippt das andere Ende in die Höhe, und die Platte biegt sich deutlich durch. Jede weitere Überlegung erübrigt sich eh - der Tisch ist bereits verkauft. «Er lässt sich aber gegen Anzahlung bestellen», erklärt uns einer, der einen Schrank auf einem Wägelchen vorbeischiebt.
Er führt uns von Tisch zu Tisch, demonstriert jeweils den Ausziehmechanismus und lotst uns zu einem Ausstellungsstück, das er für 1300 statt 1650 Franken anbietet. Als wir nach einem Katalog fragen, verweist er auf die Website, dort könne man im Pdf-File alles anschauen. «Wollen Sie kaufen?», fragt er dann abrupt und unverblümt. «Nein, wir möchten einfach sondieren.» Kaum hat er dies vernommen, ist der Möbelberater verschwunden.
CONFORAMA: verständnislose blicke
Die billigsten Tische für 350 Franken hier scheinen zumindest stabiler als eben bei Top Tip. Konkreter interessieren wir uns schliesslich für ein Modell, das sich beidseitig ausziehen und von 180 auf 240 cm verlängern lässt. Doch was ist Melamin-Buche? «Eine gute Frage», antwortet der herbeigerufene Möbelberater, zückt sein Handy und fragt einen Kollegen: Wir erfahren schliesslich, dass es sich um eine Harzbeschichtung handelt. Bei jeder weiteren Frage, die wir stellen, konsultiert unser Möbelberater via Handy seinen Kollegen, der alles bestens zu wissen scheint. Das Problem ist nur, dass unser Berater, während er uns diese Infos weitergibt, völlig verständnislos anblickt. Wortkarg demonstriert er uns dann den Ausziehmechanismus. Er scheint nur darauf zu warten, dass diese ekligen Kunden endlich das Feld räumen - einen Gefallen, den wir ihm gerne erweisen.
MÖBEL PFISTER: Echte beratung
Bockstill wie ein Felsblock halten alle Tische unserem Rütteltest stand. Die Kanten fühlen sich glatt und angenehm an. Das hat natürlich seinen Preis. Die günstigsten Modelle der Pfister-Eigenlinie kosten 1500, Designer-Tische bis 7000 Franken. Nach dem ersten flüchtigen Schnuppern kontaktieren wir den Wohnberater. Er geleitet uns von Tisch zu Tisch, erklärt Unterschiede und Materialien, demonstriert die Ausziehmechanismen, ohne dass wir ihn dazu auffordern, legt sich sogar in seinem eleganten Anzug selber auf die Tischplatte, um die Stabilität zu testen. Entscheidend sei, dass beim Ausziehen die Beine nach aussen mitlaufen würden, erklärt er. Er macht auf Varianten einzelner Modelle aufmerksam, holt den Herstellerkatalog, fragt immer wieder nach unseren Wünschen. «Ein guter Tisch sollte 15 bis 20 Jahre halten», betont er. Ohne uns zu einem Kaufentscheid zu drängen, reicht er uns schliesslich seine Visitenkarte und sagt: «Sie können mich jederzeit anrufen.» Kurzum: Echte Beratung, tadellos, wir sind begeistert.
LIPO MÖBELPOSTEN: kein platz, etwas zu testen
Auf Präsentation wird hier weniger Wert gelegt. Die ausgestellten Möbel sind schon länger nicht mehr poliert worden. Das Mobiliar steht kunterbunt herum, wie bei einem Rampenverkauf. Die Verkaufsberater plaudern munter miteinander, ohne sich weiter um Kunden zu kümmern.
Wir möchten eigentlich nur wissen, aus welchem Material ein Tisch besteht, dessen Kanten gefährlich scharf sind. Der Verkäufer antwortet, der Tisch sei «aus einer Platte». Wir insistieren: «Und die Platte, aus welchem Material ist die?» «Aus Furnier», so der Verkäufer, «furniert und immer massiv.» Wir gebens auf.
Leider stehen die Möbel so eng, dass es keinen Platz gibt, den Ausziehmechanismus zu testen. Statt des gewünschten Katalogs reicht uns der Verkäufer einen Computerausdruck mit Zahlen und unverständlichen Codes.
DIGA DIETHELM: diskret, freundlich, fachkundig
Bodenständig lautet hier das Motto. Beim Empfang geleitet uns die Möbelberaterin, eine ältere Frau, zu den Esstischen: diskret, freundlich und fachkundig. Die Auswahl ist beeindruckend. Es gibt von furniert bis massiv, von Aluminium bis Milchglas und Granit fast alles. Allerdings sind die in kleine Wohnlandschaften eingebetteten Esstische über mehrere Etagen verstreut, was die Übersichtlichkeit erschwert. Unvermittelt fragt die Beraterin, ob wir uns allein weiter umsehen könnten. Broschüren und Visitenkarten werde sie uns beim Ausgang aushändigen, sagt sie und überlässt uns unserem Schicksal.
IKEA: gute hot dogs, wacklige tische
Die Hot Dogs, die vor dem Eingang verkauft werden, schmecken köstlich. Umso enttäuschender sind die Esstische: «Björna» aus massiver Buche wackelt nicht nur bedenklich. Es ächzt und knarrt dort, wo die Platte aufliegt. Und auch «Moment» aus gehärtetem Glas gerät übel ins Schlingern. Auf «Niva» ist bereits aufgetischt. Als wir die Tischplatte berühren, scheppern die Teller, die Gläser vibrieren heftig. Schliesslich inspizieren wir «Ekhard», für bescheidene 645 Franken der teuerste Tisch im Angebot. Eine Seitenkante hat allerdings beträchtlichen Spielraum und wackelt beim geringsten Druck. Da sei beim Montieren gepfuscht worden, wird uns beschieden. Das Besondere dieses Tisches, so signalisiert ein Schild, sei die abschleifbare Platte. Damit müssten wir aber einen Schreiner beauftragen. Ikea selber biete diesen Service nicht an, erklärt die Verkäuferin. Sie blättert und blättert in einem Katalog, weil wir uns auch nach dem Material erkundigt haben, und nuschelt dann etwas von «Holzplatten und Papier». Was uns nicht wirklich weiterhilft...
HUBACHER: da vergeht die lust am kauf
Mit 35 000 m2 der grösste Fachhändler der Schweiz, und weil man bald um weitere 15 000 m2 aufstocke, bald schon der grösste in Europa. Das alles erfahren wir vom Wohnberater, der uns kaum Zeit lässt, die beachtliche Auswahl von mindestens 40 Esstischen eingehender zu betrachten. Dabei hätte Hubacher von günstigen Tischen in der Preisklasse 500 bis 1000 Franken bis zu edleren Designerstücken bis 8000 Franken alles, was das Herz begehrt.
Ob es auch unseren Geschmack treffen würde, können wir nicht prüfen. Denn der Verkäufer drängt uns zu einem, wie er betont, «sensationellen Modell», einem «richtigen Heuler». Über einen Katalog verfügt er zwar nicht, aber er kritzelt uns auf seine Visitenkarte die Webadresse des Herstellers. «Wir geben Ihnen noch 20 Prozent», sagt er unvermittelt. Die Antwort auf die Frage, wie viel der Tisch in Franken denn kosten würde, bleibt er schuldig. Die Eile, mit der er zum Abschluss drängt, verdirbt uns die Lust am Kauf.
Die möbel auf ecken und kanten prüfen!
- Rütteln Sie kräftig an Kommode, Schrank oder Tisch, um die Stabilität zu prüfen.
- Prüfen Sie Tischkanten und -ecken! Stabil und robust sollten sie sein, anderseits weder scharf noch spitz, damit sich niemand daran verletzt.
- Testen Sie bei einem verlängerbaren Tisch den Auszugsmechanismus! Funktioniert er reibungslos, bleibt der ausgezogene Tisch stabil? Oder kippt er, wenn Sie sich aufstützen?
- Schauen Sie die Unterseite der Füsse genau an. Beschädigen diese allenfalls Teppiche, Fliesen oder Parkett?
- Achten Sie darauf, dass Farbbeschichtungen und Furniere nicht bereits Kratzer oder abgeblätterte Stellen aufweisen.
- Prüfen Sie genau nach, ob das verwendete Material nur aufgelegt oder verleimt, ob es verzapft, verzahnt oder verschraubt ist.
- Belasten Sie Tablare, Platten und Bretter: Sie sollten sich nicht durchbiegen. Öffnen und schliessen Sie Schubladen und (Schiebe-)Türen. Am besten sind kugelgelagerte Schienen.
«Unsere bemühungen sind kläglich gescheitert»
SPEZIAL «Haus & Garten» hat die Chefs von Interio, Top Tip und Ikea mit dem Bericht über die Beratungs- und Verkaufsleistungen ihres Personals konfrontiert: «Das Verhalten unserer Verkäufer entspricht überhaupt nicht unseren Richtlinien und Gepflogenheiten», erklärt Thomas Berchtold, Top-Tip-Regionalleiter Mittelland.
«Entsetzt» über die Beratung seiner Leute ist Interio-Unternehmensleiter Peter Blatter. «Es scheint in diesem Fall, als ob all unsere Bemühungen, unser Personal professionell zu schulen, kläglich gescheitert wären.» Denn selbst wenn es sich um einen Ausnahmefall handle: «So etwas darf nicht passieren!»
Und Ikea-Sprecherin Sonja Blöchlinger meint: «Selbst in den hektischeren Zeiten des Ausverkaufs gibt es bei Ikea keine Entschuldigung für eine geringere Beratungsqualität.»