Gütesiegel: Hersteller lassen ihrem Erfindergeist freien Lauf
Immer mehr Waren tragen ein Qualitäts-Label. saldo hat einige unter die Lupe genommen. Fazit: Die Siegel sind irreführend – und reine Verkaufstricks.
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saldo 03/2012
12.02.2012
Letzte Aktualisierung:
13.02.2012
Sabine Rindlisbacher
Die deutsche Fachhochschule in Münster hat vor zwei Jahren rund 2000 Konsumenten befragt, was sie von Qualitätsauszeichnungen auf Lebensmitteln halten. Knapp zwei Drittel der Befragten fanden Lebensmittel mit Prüf- und Gütesiegeln vertrauenswürdiger als andere. Fast 80 Prozent hielten Qualitätsauszeichnungen für «nützlich». Für die Hersteller sind solche Auszeichnungen offenbar lukrativ. Acht von zehn Personen gaben an, bei gleich teure...
Die deutsche Fachhochschule in Münster hat vor zwei Jahren rund 2000 Konsumenten befragt, was sie von Qualitätsauszeichnungen auf Lebensmitteln halten. Knapp zwei Drittel der Befragten fanden Lebensmittel mit Prüf- und Gütesiegeln vertrauenswürdiger als andere. Fast 80 Prozent hielten Qualitätsauszeichnungen für «nützlich». Für die Hersteller sind solche Auszeichnungen offenbar lukrativ. Acht von zehn Personen gaben an, bei gleich teurer Ware Produkte mit einem Siegel vorzuziehen.
Eine saldo-Stichprobe zeigt jetzt allerdings: Konsumentinnen und Konsumenten sollten bei Labels misstrauisch sein. Die Kriterien der Prüfinstitute sind lasch. Oder die Hersteller von Waren erfinden die Qualitätssiegel gleich selbst. Einige Beispiele:
Coop-Salz mit «Qualitäts-Garantie»
Coop verkauft das Salz Fleur de Sel de Guérande im Plastikbecher «mit Qualitätsgarantie». 110 Gramm kosten stolze Fr. 9.90. Importeur von Sel Mondo sind die Schweizer Rheinsalinen in Pratteln BL.
Was sagt die aufgedruckte «Qualitätsgarantie» aus? Nichts. Marketingleiter Armin Roos: «Damit wollen wir sagen, dass die Anforderungen des Schweizer Lebensmittelgesetzes erfüllt sind.» Rheinsalinen vergibt die Garantie selbst, eine unabhängige Prüfstelle gibt es nicht. «Wir verstehen uns als Fachstelle für Salz, private Labors sind weniger spezialisiert und wären mit der Qualitätsanalyse überfordert.»
Übrigens: Käufer des teuren Salzes zahlen trotz Qualitätsgarantie mitunter auch für Sandkörnchen, Tonmineralien, Muschelteilchen oder Algen. Mit einem entsprechenden Hinweis auf der Packung will Rheinsalinen «Forderungen von Konsumenten» abweisen können.
Rotel-Küchenmaschine: «Geprüfte Qualität»
«Geprüfte Qualität» steht auf Haushaltgeräten des Herstellers Rotel mit Sitz in Aarburg AG. Laut Produktmanager Hans Schmid hat Rotel die Auszeichnung 2008 eigenhändig entworfen. Die meist aus China stammende Ware überprüfe Rotel selbst, die elektrische Sicherheit kontrolliere TÜV oder GS (Geprüfte Sicherheit).
Doch mit der Rotel-Qualität hapert es. Das zeigen diverse Tests: Das Rotel-Bügeleisen wurde nicht heiss genug (saldo 20/08), der Rotel-Staubsauger entfernte kaum Staub aus dem Teppich (saldo 15/10). Die Küchenmaschine Rotel-Combi-Chef 701 schnitt mit der Note 4,1 am schlechtesten ab («K-Tipp» 20/10). Der Rotel-Toaster gab krebserzeugendes Formaldehyd ab («K-Tipp» 7/07), beim Rotel-Eierkocher bestand Verbrennungsgefahr («K-Tipp» 7/10). Schmid: «Diese Tests sind nicht über alle Zweifel erhaben.» Rotel sei nicht immer besser als andere, aber die Qualität stimme.
Trutenbrustschnitzel der Lidl-«Qualitätsmarke Landjunker»
Lidl verkauft unter der «Qualitätsmarke Landjunker» Fleisch des deutschen Trutenmästers Heidemark. Darauf prangt das Siegel des deutschen Instituts QS (Qualität und Sicherheit).
Die Sendung «Kassensturz» zeigte im Dezember schockierende Bilder eines Heidemark-Betriebs: Zusammengepferchte, kranke Tiere mit abgeschnittenen Schnäbeln. Zwar vergibt das Institut QS das Siegel – laut Sprecherin Mareike Kistemaker ist die Kontrolle aber «ausgegliedert». Die Betriebe prüfen sich «im Rahmen der betrieblichen Eigenkontrolle» selbst. Dazu kommen angekündigte «unabhängige Kontrollen» durch von QS zugelassene Kontrollstellen.
Wie häufig man Heidemark-Betriebe überprüft, verrät QS nicht. Tatsache ist: Die Kontrollstellen erhalten von den Betrieben Geld. Zudem verlangt QS einen «umsatzabhängigen Mitgliederbeitrag»: Verdient Heidemark, verdient auch QS.
Panasonic-Batterien: «Silver, Gold und Platinum Award»
Ein Silver-, Gold- oder Platinum-Award schmückt die Alkali-Batterien von Panasonic Standard Power, Pro Power und Evolta. Kaum lesbar steht darunter der Zusatz: «Internal performance & design testing».
Panasonic gibt zu: Der Elektronikkonzern hat sich die drei Awards aufgrund von «intern durchgeführten Leistungstests» selbst verliehen. Marketingleiter Bruno Wüst findet das richtig: «Wir entschuldigen uns nicht, schliesslich deklarieren wir, dass Panasonic diese Medaillen intern vergibt.»
Glarner Schüblig und Kalberwurst: «Schweizer Fleisch-Fachverband Qualitätswettbewerb Gold»
Die Metzgerei Kern in Ennenda GL schmückt ihren Glarner Schüblig und die Glarner Kalberwurst mit Goldmedaillen des Schweizer Fleisch-Fachverbands SFF. Ein Datum fehlt. Metzger Bruno Kern: «Der Schüblig gewann 2003, die Kalberwurst im Jahr 2000.» Für Kern ist das kein Problem: «Bernhard Russi nennt sich auch noch Olympiasieger, obwohl er es seit 30 Jahren nicht mehr ist.» Gemäss SFF-Direktor Ruedi Hadorn tragen die Medaillen normalerweise Jahreszahlen: «Kern muss diese wegradiert haben.»
Ob SFF-Medaillen überhaupt für Qualität bürgen, ist fraglich: Die Verbandsmitglieder reichen die Erzeugnisse für die Wettbewerbe selbst ein und bezahlen pro Produkt 230 Franken. Eine gute Investition. 2009 gewannen von knapp 1000 Produkten 856 eine Medaille.
Capri-Sonne: «Qualitätskontrolle Institut Fresenius»
Capri-Sonne wirbt auf Verpackungen: «Schon immer: Ohne künstliche Süssstoffe. Ohne künstliche Aromen. Ohne Farb- und Konservierungsstoffe.» Daneben prangt das Qualitätskontrolle-Siegel des deutschen Instituts Fresenius.
Was das Institut prüft, ist nicht ersichtlich. Fresenius-Marketingmanagerin Anke Teichgräber: «Unser Prüfprogamm stellt sicher, dass die Angaben auf der Verpackung korrekt und die Getränke mikrobiologisch einwandfrei sind.» Das Siegel garantiert also nur, dass sich Capri-Sonne ans Gesetz hält.
Auf den Verpackungen sieht man Obstberge, obwohl die Getränke vor allem aus Wasser und Zucker bestehen. Capri-Sonne rechtfertigt sich: Der Fruchtgehalt sei auf allen Verpackungen angegeben. Das Fresenius-Siegel stehe für Qualitätskontrolle und verspreche nicht, dass die Getränke gesund seien.