Mit der 2. Säule sparen Angestellte nicht nur fürs Alter. In der beruflichen Vorsorge wird ihnen Monat für Monat vom Lohn auch eine Versicherungsprämie abgezogen. Im Fall einer Invalidität vor Erreichen des Pensionsalters haben sie dafür Anspruch auf eine Rente. Bei einem Todesfall vor der Pensionierung erhalten die nächsten Hinterbliebenen Geld. Je nach Branche und Versicherung kostet diese Deckung die Berufstätigen zwischen 0,9 (Informatiker) und 4,8 Lohnprozente (Bauarbeiter). Je gefährlicher der Beruf, desto höher die Abzüge.
Lebensversicherungen: Seit dem Jahr 2005 8,8 Milliarden Gewinn
In diesem Versicherungsgeschäft mischen neben den Pensionskassen auch die Lebensversicherer mit. Und verdienen damit viel Geld, wie die Zahlen der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht zeigen: Im 2011 fiel bei den Lebensversicherern aus diesem Geschäft ein Bruttogewinn von 1,8 Milliarden Franken an. Zwischen 2005 und 2011 betrug der Gewinn zusammengerechnet 8,8 Milliarden Franken. Die den Angestellten vom Lohn abgezogenen Prämien waren doppelt so hoch wie die den Invaliden und Angehörigen der Verstorbenen ausbezahlten Leistungen.
Auch viele Pensionskassen langen zu: Allein die fünf öffentlich-rechtlichen Kassen der Kantone Zürich, Luzern, Schaffhausen, der Stadt Zürich und des Bundes machten 2011 mit überhöhten Risikoprämien einen Gewinn von 180 Millionen Franken. Das zeigen die Geschäftsberichte.
Die überhöhten Prämien in der 2. Säule werden selbst von Jérôme Cosandey von der wirtschaftsnahen Lobby Avenir Suisse kritisiert. Er sagt: «19 von 20 Vorsorgeexperten sind der Meinung, dass die Risikoprämien in den letzten Jahren um 0,5 bis 1 Prozent zu hoch lagen.» Kein Wunder, schreibt er in seiner neuen Publikation vom «sehr profitablen Geschäft mit Risikoprämien».
0,5 bis 1 Prozent zu hohe Prämien klingt nach wenig. Doch hochgerechnet verursachen die überhöhten Pensionskassenabzüge während 40 Jahren Erwerbstätigkeit eine Renteneinbusse von 8 Prozent. Je nach Pensionskasse können die Auswirkungen auf die Rentenhöhe gar noch massiver sein: Bei der günstigsten Vorsorgeeinrichtung muss ein Bauarbeiter heute 3,22 Lohnprozente weniger abgeben als bei der teuersten. Der Finanzmathematiker Florian Bodenmann vom Vergleichsdienst Besser-Vorsorgen in Zürich hat ausgerechnet, was das fürs Alter bedeutet: «Wer über 40 Jahre lang 3,2 Lohnprozente zu viel bezahlt, würde mit einem Wechsel der Pensionskasse ohne zusätzliche Kosten eine um mehr als 25 Prozent höhere Rente erhalten.» Die Wahl des Versicherers ist Sache des Arbeitgebers. Ein Bauarbeiter hat dazu nichts zu sagen.
Bodenmann betont: «Sogar die Lebensversicherungen und Pensionskassen mit sehr tiefen Risikoprämien schreiben in diesem Bereich Gewinn. Dies zeigt, dass die Risikoprämien zu hoch sind.»
Pensionskasse des Bundes verspricht Senkungen
Nur die Pensionskassen der Kantone Zürich, Luzern, Schaffhausen, der Stadt Zürich und des Bundes weisen die Gewinne durch überhöhte Risikoprämien transparent aus. Bei der Publica sind die Prämien satte 2,57 Prozentpunkte zu hoch. Ein Sprecher der Kasse verspricht, dass Sie gesenkt werden. Um wie viel, ist noch unklar.
Sparprämie: Lebensversicherer sahnen auch hier ab
Die Schweizer Lebensversicherungen machen mit der 2. Säule hohe Gewinne. Und das nicht nur wegen überhöhter Prämien für die Risiken Invalidität und Tod, sondern auch aufgrund der Lohnabzüge der Angestellten fürs Alter. Das zeigt eine Analyse, die der Zürcher Versicherungsmathematiker Jürg Jost gestützt auf die Zahlen der Finanzmarktaufsicht erstellte («K-Tipp» 20/2012). Die Ergebnisse: Im letzten Jahr betrug der Gewinn der fünf grössten Lebensversicherer eine halbe Milliarde Franken. Am meisten Gewinn strich die Allianz ein: 7,6 Prozent der Prämien. Sie erwirtschaftete auf den verwalteten Pensionskassenvermögen eine Nettorendite von 3,9 Prozent. Zum Vergleich: Der Bundesrat setzt den Mindestsatz für die Verzinsung des Alterskapitals auch dieses Jahr wieder auf 1,5 Prozent fest.
Das grosse Geldverdienen mit der Pensionskasse soll weitergehen, wenn es nach dem Bundesrat geht: Er will entweder die Renten senken oder den Angestellten 1,5 zusätzliche Prozente vom Lohn abziehen.