Brig. Der Zug aus Domodossola mit Ziel Genf kommt mit 5 Minuten Verspätung an. Rund 70 Passagiere wollen Richtung Bern weiterreisen und hoffen, dass der Anschlusszug wartet. 

Dumm: Dieser ist nicht nebenan startklar, sondern drei Gleise weiter. Ältere Leute mit vollen Einkaufstaschen hetzen die Rampe hinunter,  verschnaufen, dann die Treppe hinauf, ein grosses Gedränge. Die Sportlichen unter den Reisenden sprinten und erwischen den Zug.  Andere, von Locarno mit ihren Koffern durchs Centovalli gereist, sind chancenlos. 

Ich habe gerade einen Fuss auf die Einstiegs­treppe gesetzt, da pfeift die Zugchefin. Sie will den Zug abfahren lassen und hebt ihre Hand. Ich blockiere die Türe und rufe: «Da wollen noch viele Leute drauf!» Sie trocken: «Und wir wollen nicht noch mehr Verspätung!» Ich: «Es ist gefährlich, einen Zug abzufertigen, wenn ganze Gruppen übers Perron hetzen.»  – «Geben Sie jetzt die Türe frei!» – «Das ist nicht richtig, was hier passiert.» – «Geben Sie die Türe frei!» – «Nein, bis Bern ho­len Sie die 5 Minuten locker wieder auf!» – «Geben Sie die Türe frei, ich mache eine Anzeige!» – «Gerne, und ich mache eine Beschwerde. Sie denken an sich statt an die Kunden.»

Fünf Personen bedankten sich später bei mir. Für Gesprächsstoff im Zug war gesorgt. Warum wartet ein Anschlusszug in Brig nicht auf verspätete Reisende aus Italien? Die Verspätung wurde ja durch die Bahn, nicht durch die Kunden verursacht. Warum wartet der Anschlusszug nicht am gleichen Perron, wenns pressiert? Wie gross muss der Druck von oben sein, dass Zugchefs Leute einfach stehen lassen?

Das war offenbar nur der Vorgeschmack. Die SBB wollen «versuchsweise« Anschlusszüge nicht mehr abwarten. Sie lassen also ihre Kunden dafür büssen, dass die Bahn den Betrieb nicht im Griff hat. Bei den SBB ist offenbar nicht der Kunde König, sondern ein gewisser Andreas Meyer.