Die Treibstoffkonzerne nahmen den Krieg in der Ukraine zum Anlass, die Preise zu erhöhen. Die Schweizer Tanklager waren bei Kriegsausbruch am 24. Februar zwar voll, die Tankstellen verfügten noch über günstig eingekauftes Benzin. Trotzdem schnellte der Preis Anfang März in die Höhe. Laut dem Touring Club Schweiz (TCS) kostete am 11. März ein Liter Benzin im schweizerischen Durchschnitt Fr. 2.11 pro Liter. Das sind 50 Rappen mehr als vor einem Jahr. Diesel ist pro Liter 53 Rappen teurer als im Vorjahr.
Der K-Tipp zeigt, wer von diesem Preisaufschlag profitiert:
Bundeskasse
Von den erwähnten Fr. 2.11 fliesst der grösste Teil in die Bundeskasse, nämlich 92 Rappen (siehe Tabelle im PDF). Davon sind 77 Rappen Mineralölsteuern, die der Staat unabhängig vom Benzinpreis an der Zapfsäule einnimmt. Die Steuer auf einen Liter Diesel beträgt fix 80 Rappen. Laut Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit zahlten Autofahrer im Jahr 2020 total 4,2 Milliarden Franken Mineralölsteuern. Zudem schöpft der Bund vom ganzen Benzinpreis noch 7,7 Prozent als Mehrwertsteuer ab. Je höher der Benzinpreis, desto grösser die Steuereinnahmen für den Bund.
Sollten die Benzin- und Dieselpreise an der Tankstelle das ganze Jahr so hoch bleiben wie im März, nimmt die Bundeskasse auf dem Treibstoff rund 670 Millionen Franken an Mehrwertsteuern ein. Das bestätigt die eidgenössische Steuerverwaltung gegenüber dem K-Tipp. Das wären 220 Millionen mehr als im Jahr 2020. Damals lag der Benzinpreis bei Fr. 1.43, der Dieselpreis bei Fr. 1.54. Pikant: Der Bund berechnet die 7,7 Prozent Mehrwertsteuer vom Totalpreis des Benzins. Das bedeutet: Autofahrer zahlen auch Mehrwertsteuern auf Treibstoffsteuern. Das soll sich nach dem Willen des Nationalrats ändern (Kasten).
Treibstoffkonzerne
Martin Rahn ist stellvertretender Direktor von Carbura, der Schweizerischen Pflichtlagerorganisation für Treib- und Brennstoffe. Er sagt: «Einen Mangel an Mineralöl gab es nie.» Trotzdem gingen die Preise seit Beginn des Ukrainekriegs durch die Decke. Die Schweiz importiert Benzin und Diesel unter anderem aus Raffinerien entlang dem Rhein sowie aus Amsterdam, Rotterdam (beide NL) und Antwerpen (BE). Mitte März 2022 zahlten Importeure für Benzin aus Raffinerien in Rotterdam rund 80 Rappen pro Liter – doppelt so viel wie vor einem Jahr. Darauf deuten Daten der französischen Erdölindustrie Ufip, des finnischen Ölkonzerns Neste und des Deutschen Energieinformationsdienstes hin.
Rheinschiffahrt Rotterdam–Basel
Zurzeit ist der Wasserstand des Rheins niedrig, deshalb kann pro Schiff weniger Treibstoff als üblich transportiert werden. Der Preis für den Schifftransport von Rotterdam nach Basel ist daher laut der Thurgauer Lang Energie AG aktuell vier Mal so hoch wie vor einem Jahr. Auf den Benzinpreis an der Tankstelle wirkt sich das kaum aus. Der Anteil der Frachtkosten ist mit zurzeit 5 Rappen pro Liter klein.
Tankstellenbetreiber
Jedes Jahr vergleicht der Deutsche Energieinformationsdienst die Bruttomargen der Tankstellen in 16 europäischen Ländern. Die Bruttomarge ist die Differenz zwischen dem Einkaufs- und dem Verkaufspreis des Treibstoffs. Ergebnis: Im ersten Halbjahr 2021 blieb den Schweizer Tankstellen im Durchschnitt eine Marge von 31 Rappen pro Liter. Nur in Norwegen war sie höher. In Irland betrug sie 15 Rappen pro Liter, in Österreich 12 Rappen.
Zu den Profiteuren der hohen Schweizer Marge gehören auch die Detailhändler Coop und Migros: Die Coop Mineralöl AG erwirtschaftete im Jahr 2021 einen Nettoerlös von 2,5 Milliarden Franken, die Migrol von 1,4 Milliarden. Stefan Legge, Wirtschaftsexperte an der Universität St. Gallen, sieht die Ursache für die hohe Schweizer Marge im mangelnden Wettbewerb: «Es lohnt sich für Autofahrer meist nicht, mehr als 20 Kilometer zu einer Tankstelle zu fahren, nur um dort allenfalls ein paar Franken zu sparen.»
Tipp: Es kann sich lohnen, Benzinpreise auf der Plattform Benzin-preis.ch zu vergleichen. Unabhängige Tankstellen und Garagen, die markenfreies Benzin verkaufen, sind in der Regel günstiger. Am teuersten ist das Benzin an Autobahnraststätten. Bleifrei 95 kostete zum Beispiel am 9. März an der Autobahnraststätte Glarnerland (Shell) Fr. 2.47 pro Liter – 50 Rappen mehr als bei der Garage Otto Howald AG in Solothurn.
Der Bund schröpft die Autofahrer doppelt
Konsumenten zahlen jedes Jahr rund 600 Millionen Franken Mehrwertsteuern auf Steuern und Gebühren. Das hat die eidgenössische Steuerverwaltung berechnet. Beispiel Benzin und Diesel: Mit jedem Liter Benzin zahlen Autofahrer 77 Rappen in die Bundeskasse – beim Diesel sind es 80 Rappen. Auf den gesamten Treibstoffpreis kommen zusätzlich 7,7 Prozent Mehrwertsteuer. Das heisst: Der Bund verlangt von den Autofahrern eine Mehrwertsteuer auf die Treibstoffsteuer. Das kostet diese 240 Millionen Franken pro Jahr.
Auch bei der Tabaksteuer, der Alkoholsteuer, der CO2-Abgabe, der Schwerverkehrsabgabe und der Automobilsteuer müssen Konsumenten eine Mehrwertsteuer auf die erhobene Steuer zahlen. Die SVP-Nationalräte Franz Grüter und Erich Hess wollen das ändern. Grüter argumentierte unter anderem mit einem Urteil des Bundesgerichts. Dieses entschied im April 2015, dass auf die Radio- und Fernsehgebühr keine Mehrwertsteuer erhoben werden darf.
Mitte März stimmte der Nationalrat Grüters Antrag zu, wonach Konsumenten künftig auf die Mineralölsteuer keine Mehrwertsteuer mehr zahlen sollen. Das nächste Wort hat der Ständerat. Die Mehrwertsteuer auf alle anderen Steuern und Gebühren sollen nach dem Willen der Mehrheit des Nationalrates bestehen bleiben.