Bundesrätin Doris Leuthard tat mir leid. Volle drei Stunden sass sie im Nationalrat und musste sich 34 Reden zur Initiative «Pro Service public» anhören. Eine Diskussion war es nicht. Denn alle Parteien waren sich schon vorher einig: Was über 125 000 Unterzeichner aus der Bevölkerung befürworten, ist egal.

Kein Wunder: Absender war keine im Parlament vertretene Partei, sondern das Volk. Also die Kunden jener Bundes­unterneh­men, für die das Parlament verantwortlich ist. Ha­ben Kunden Wünsche zu Qualität und Preis, hört ein guter Unternehmer hin. Politiker hingegen reagieren mit Nichtbeachtung: Nein zu Pro Service public. In der Woche zu­vor hatte der Nationalrat zudem einen Verfassungsartikel beerdigt, der eine minimale Grundversorgung der Bevölkerung festschreiben wollte. 

Vielleicht hat Bundesrätin Leuthard die langweiligen Stunden im Nationalrat dazu ge­nutzt, ihre Gedanken schweifen zu lassen. Ist es richtig, zur Erhöhung des Gewinns Hunderte von Poststellen zu schliessen und Tausende von Briefkästen zu entfernen? Sollen Bahnpassagiere tatsächlich immer häufiger stehen müssen – bei ständig steigenden Billettpreisen? Ist es zu rechtfertigen, dass der Goldesel Swisscom weiterhin überrissene Roaminggebühren kassiert? 

Vielleicht hat sie sich aber am Politbetrieb nur etwas amüsiert. Sie kennt ja die Spielregeln: Gibst du mir, geb ich dir. Wer wie die Parlamentarier ein GA der 1. Klasse gratis erhält, muss sich nicht um steigende Bahnpreise kümmern. Wer für seine Klientel in Bern möglichst viel Geld herausholen will, den stört es nicht, dass pro Jahr rund 1,3 Milliarden Franken aus den Bundesbetrieben in die Bundes- und Kantonskassen fliessen – nichts anderes als verkappte Steuern aus über­höhten Gebühren.

Aber vielleicht stört sich die Bevölkerung daran. Sie wird das letzte Wort haben. Dank den 125 000 Unterzeichnern der Initiative.