Auf Camping-Guides ist kein Verlass
Wie gut sind Campingführer? Der K-Tipp hat vier bekannte Guides unter die Lupe genommen und die Infomationen auf 15 Plätzen überprüft.
Inhalt
K-Tipp 10/2006
17.05.2006
Pirmin Schilliger - redaktion@ktipp.ch
Statt auf dem Campingplatz Lido in Sarnen OW landet man auf einem riesigen Geröllfeld. Bagger und Baumaschinen machen einen irren Lärm - von Wohnwagen und Zelten keine Spur. «Der Campingplatz ist bei den Unwettern im vergangenen August weggeschwemmt worden», erklärt ein Bauarbeiter. Mit einer Wiedereröffnung sei frühestens 2008 zu rechnen, fügt er bei. Der nicht vorhandene Platz in Sarnen ist aber in praktisch allen neuen Campingführern aufgelistet. Nur der TCS-Campingführer hat reagie...
Statt auf dem Campingplatz Lido in Sarnen OW landet man auf einem riesigen Geröllfeld. Bagger und Baumaschinen machen einen irren Lärm - von Wohnwagen und Zelten keine Spur. «Der Campingplatz ist bei den Unwettern im vergangenen August weggeschwemmt worden», erklärt ein Bauarbeiter. Mit einer Wiedereröffnung sei frühestens 2008 zu rechnen, fügt er bei. Der nicht vorhandene Platz in Sarnen ist aber in praktisch allen neuen Campingführern aufgelistet. Nur der TCS-Campingführer hat reagiert und diesen Platz aus dem Verzeichnis gestrichen.
Bei der K-Tipp-Stichprobe auf 15 Campingplätzen in der Zentralschweiz zeigen sich weitere Fehler.
Beispiel Camping Vierwaldstättersee, Merlischachen SZ: Im Schweizer Camping Guide des SCCV (Schweizerischer Camping- und Caravaning-Verband) stimmen weder Preise noch Öffnungszeiten. Ebenfalls gravierend: Es gibt - entgegen den Angaben - weder ein Restaurant noch einen Shop. Platzbetreiber Jürg Lustenberger ist nicht überrascht: «Bei uns ist seit Jahren kein Inspektor mehr aufgetaucht.»
Der SCCV-Geschäftsführer Hans Peter Hildbrand spielt den Ball an die Campingplatzbetreiber zurück. «Viele foutieren sich jeweils um unsere Aufforderung, uns rechtzeitig die neuen Taxen zu melden. Unser Camping-Guide kann deshalb nie hundertprozentig aktuell sein.»
Dem Camper, der sich auf die Angaben verlässt, helfen solche Erklärungen nicht weiter. Häufig reserviert man seinen Traumplatz ja im Voraus.
Je nach Campingführer werden die einzelnen Plätze auch unterschiedlich benotet. «Ein schwerer Mangel, denn die Camper schauen immer zuerst auf die Bewertung», kritisiert Martin Iten vom Camping Bachmattli in Alpnachstad OW.
Die Skala reicht von 1 bis zu 5 Sternen, je nach Lage und Ausstattung eines Platzes. Bei einem Stern ist nicht viel mehr vorhanden als eine Dusche und Toiletten. Fünf Sterne signalisieren höchsten Komfort. Nebst tadelloser Infrastruktur dürfen Gäste sehr gute Dienstleistungen (inklusive Shop, Restaurant, TV-Aufenthaltsraum) sowie Freizeiteinrichtungen (Schwimmbad, Spielplatz usw.) erwarten.
Sterne willkürlich vergeben?
Eigentlich müssten alle Camping-Guides auf ähnliche Noten kommen, würden sie die Bewertungskriterien konsequent durchspielen. Die Verteilung der Sterne mutet stattdessen willkürlich an - manchmal sogar innerhalb eines Guides. Im Führer des SCCV zum Beispiel haben die Campingplätze Buchenhof in Steinen SZ und Buosingen in Lauerz SZ je drei Sterne. Bezüglich Ausstattung, sanitärer Einrichtungen und Gepflegtheit der Anlagen liegen zwischen den beiden Plätzen aber Welten.
Der TCS-Führer wird diesen Unterschieden gerecht und gibt Steinen drei, Lauerz bloss einen Stern, was Buosingen-Platzbetreiber Martin Gisler nicht speziell stört. «Campingführer werden immer weniger wichtig», behauptet er. «Die meisten Gäste informieren sich übers Internet.»
Weitaus strenger und gründlicher als die Schweizer Campingführer bewerten ausländische Guides. Da wären etwa die beiden deutschen ECC und ADAC sowie der - auch in Deutsch erhältliche - holländische ACSI. Er gilt international als die anerkannteste Camping-Bibel. ACSI-Inspektoren kontrollieren die aufgeführten Plätze regelmässig.
«In 20 Jahren keinen Inspektor gesehen»
Zwar reklamiert auch VSC/ Swisscamps ein unabhängiges Bewertungssystem für sich. «Jeder Campingplatz wird im Rhythmus von sechs Jahren von unserer Bewertungskommission neu eingestuft», sagt VSC-Geschäftsführerin Käthi Sommer. Doch Geni Jauch vom Camping am Weg der Schweiz in Flüelen UR versichert: «In den letzten 20 Jahren hat hier kein Inspektor vorbeigeschaut.» Anita Mettler vom Camping Hopfreben in Brunnen SZ bestätigt: «Seriös geprüft werden wir nur von Deutschen und Holländern, nicht aber von Schweizern.» Dieser Missstand soll bald behoben werden. Ab 2007 wollen SCCV, TCS und VSC/Swisscamps gemeinsam Kontrolleure einsetzen.
Die vom K-Tipp begutachteten Camping-Guides haben in weiteren Bereichen beträchtliches Verbesserungspotenzial:
- Preise: Die einzelnen Campingplätze rechnen sehr unterschiedlich ab. Wer wissen möchte, wie viel eine Übernachtung total kostet, muss in den Campingführern meist mindestens ein halbes Dutzend Einzelposten (für Stellplatz, Auto, Übernachtung pro Person, Kur- und Kehrichttaxen, Duschen, Strom usw.) addieren. Transparente Pauschalpreise sind die Ausnahme.
- Anreise: Gewisse Guides - etwa der Camping-Atlas - bleiben dem Leser die Zufahrtsbeschreibung schuldig. Ebenso fehlen Angaben betreffend Distanz zum nächsten Bus oder Bahnhof für Camper, die ohne Auto unterwegs sind.
Oft fehlen Hinweise zur Umgebung
- Umgebung: In die Lagebeschreibung gehören Hinweise zur näheren Umgebung - vor allem, wenn sie das Ferienvergnügen beeinträchtigt.
Die Traumlage des Campings Hopfreben zum Beispiel verliert durch den benachbarten Kiesplatz viel an Charme. Und was das Baden im See betrifft: An der Einmündung der Muota bleibt das Wasser selbst im Hochsommer meist kalt.
- Verfügbarkeit: Camper möchten wissen, ob ein Areal in der Hochsaison jeweils schon mittags ausgebucht ist oder ob ein Durchreisender auch noch gegen Abend Chancen auf einen freien Platz hat.
- Spezialitäten: Nützlich wäre es, wenn der allenfalls spezifische Charakter eines Platzes erwähnt würde. Am Urnersee etwa gilt Flüelen als Surfer-Mekka - wegen der guten Windverhältnisse.
- Leserfreundlichkeit: Wer detaillierte Informationen sucht, muss sich meist durch eine Flut von Piktogrammen und Zeichen kämpfen.
Von mangelhaft bis gut
- Camping-Atlas VSC/Swisscamps.ch
(Fr. 3.-, 110 Seiten, www.swisscamps. ch). Der Atlas listet kurz und knapp die Plätze der 200 Verbandsmitglieder auf, liefert eine Strassenkarte und in Piktogrammen die wichtigsten Infos. Er taugt für den schnellen Überblick, geizt jedoch mit Hinweisen zu Anfahrt und Lage. Mangelhaft sind auch die Preisangaben.
K-Tipp-Bewertung: H
- Schweizer Camping Guide SCCV
(Fr. 15.-, 355 Seiten). Mit Infos zu 350 Plätzen das ausführlichste Verzeichnis. Handlich und leserfreundlich, weil nicht mit Zeichen und Piktogrammen überladen. Wer in Kauf nimmt, dass weder die Klassifizierung noch alle Details stimmen, fährt mit diesem Campingführer nicht schlecht.
K-Tipp-Bewertung: HH
- TCS Camping Führer 2006
(Fr. 21.-, 600 Seiten). 330 Plätze in der Schweiz und 400 in anderen Ländern. Die Angaben sind meist korrekt, die Mischung aus Text und Piktogrammen stimmt. Der Führer orientiert sich an grossen deutschen und holländischen Führern.
K-Tipp-Bewertung: HHH
- ECC-Europa Camping + Caravaning
(Deutschland/Europa, Fr. 26.20, 990 Seiten). 5500 Campingplätze, davon über 200 in der Schweiz. Gute Mischung aus Textbeschreibung und Piktogrammen. Strengere Bewertung als in Schweizer Führern.
K-Tipp-Bewertung: HHHH
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