Wenn Schweizer im Ausland ihr Handy benutzen, zahlen sie überrissene Tarife (Roaming-Gebühren). Seit dem letzten September haben die Schweizer Telefonkonzerne damit rund 300 Millionen Franken mehr eingenommen, als in der EU erlaubt wäre. Das zeigt der Online-Zähler auf www.ktipp.ch. Dieser errechnet den totalen Aufpreis, den Schweizer beim Telefonieren im Ausland im Vergleich zu EU-Bürgern zahlen müssen – und den die Schweizer Telecomfirmen einstreichen.


Mehr als ein Drittel lässt Handy zu Hause

Schweizer sind deshalb beim Telefonieren im Ausland gezwungen, Kniffe und Tricks anzuwenden, um die horrenden Kosten zu reduzieren. Das zeigt eine aktuelle K-Tipp-Online-Umfrage, an der sich über 2700 Personen beteiligt haben:

  • Mehr als ein Drittel der Teilnehmer lässt das Handy zu Hause oder braucht es nur im Notfall.
  • Ein weiteres Drittel benutzt ein drahtloses Netzwerk (WLAN) und kommuniziert so via Internet.
  • Jeder fünfte Teilnehmer kauft sich eine SIM-Karte eines Telefonunternehmens des Fe­rien- ­landes und telefoniert so zu dessen tieferen Tarifen.
  • Nur 5 Prozent der Teilnehmer wählen eine der von Schweizer Telefongesellschaften angepriesenen Auslandoptionen. Kein Wunder: Diese Optionen lohnen sich höchstens für extreme Vieltelefonierer.


Wie gross der Ärger über die massiven Roaming-Kosten ist, zeigt auch die von K-Tipp, «Saldo» und «Bon à Savoir» 2011 lancierte Petition: In nur fünf Wochen haben 56 000 Personen das Anliegen unterschrieben.

Die Forderung: Schluss mit dem Roaming-­Wucher! Die Schweizer Mobilfunkfirmen sollen die Roaming-Höchsttarife der EU übernehmen. Denn: Die EU senkt seit 2007 die Roaming-Gebühren ständig. Schweizer zahlen heute beim Tele­fonieren mit dem Handy in der EU bis zu fünfmal so viel wie EU-Bürger.

Dieser Riesenärger hat auch die Politik auf den Plan gerufen: Im Herbst 2011 stimmte der Nationalrat fast einstimmig ­einer Motion von SP-Nationalrätin Ursula Wyss zu, die gleich lautet wie die K-Tipp-Petition. Doch die Wirkung scheint bereits wieder verpufft zu sein: Die vorberatende Kommission des Ständerats hat die Motion auf Eis gelegt.

Sie sei schwierig umzusetzen, so lautete die lapidare Erklärung von Kommissionspräsident Claude Hêche auf Anfrage. Und: Es sei wirksamer, Druck auf die Telecomfirmen auszuüben. Das soll an einem Treffen im Oktober geschehen.


«Die Abzockerei ärgert mich»

Motionärin Ursula Wyss zeigt sich «erstaunt» über den Entscheid der Kommission: «Man hätte auch schon früher die Telecomfirmen anhören können.» Und: «Es ärgert mich, dass die Schweizer Telecom-Konsumenten weiter ab­gezockt werden.»

Zur Petition will sich die Swisscom nicht äussern. Orange und Sunrise lehnen Höchsttarife nach EU-Vorbild ab. Grund für die Roaming-Tarife seien die hohen Gebühren, die ausländische Telecomfirmen den Schweizer Mobilfunkbetreibern belasten, wenn Schweizer Kunden das Handy im Ausland nutzen.

Doch das ist nur eine billige Ausrede: Denn so hoch sind diese Gebühren gar nicht. Das belegt eine Studie des Wissenschaft­lichen Instituts für Infrastruktur und Kommunikationsdienste (WIK) in Bad Honnef (D).

Das Fazit von WIK- ­Direktor Scott Marcus: «Die Gebühren zwischen den Mobilnetzbetreibern rechtfertigen die hohen Preise in der Schweiz nicht.»

Es ist offensichtlich: Hiesige Mobilfunkbetreiber streichen beim Roaming ungebührlich hohe Gewinne ein – und bestreiten dies nicht einmal. In einem Interview im «Bund» sagte Sunrise-Chef Oliver Steil zu den hohen Roaming-Tarifen: «Irgendwo müssen wir ja anständig verdienen.»


Tipps: So verhindert man hohe Roaming-Kosten


Wer im Ausland nicht in die Roaming-Falle tappen will, sollte folgende Tipps beachten:

  • Schalten Sie beim Handy die Combox aus. Denn: Jedes Mal, wenn jemand anruft oder Sie die Combox abhören, entstehen Roaming-Kosten.
  • Schalten Sie bei internetfähigen Handys das Daten-Roaming aus.
  • Besorgen Sie sich ein günstiges Prepaid-Handy und im Reiseland eine SIM-Karte ­einer lokalen Telecomfirma.
  • Nutzen Sie drahtlose Netzwerke (WLAN). Diese sind in der Regel gratis. So können Sie mit einem internetfähigen Handy Programme wie Skype zur kostenlosen Kommunikation benutzen.
  • Sollten Sie auf Ihrer Telefonrechnung unerklärliche Roaming-Kosten finden, können Sie sich dagegen wehren. Ein Musterbrief dazu steht auf www. ktipp.ch zur Ver­fügung.