Inkassobüro blind vertraut

Den pauschalen «Verzugsschaden» von Inkassobüros müssen Schuldner nicht zahlen. Doch viele Vormunde wissen das nicht, überweisen ihn – und schaden so ihren Mündeln.

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K-Tipp 01/2011

08.01.2011

Letzte Aktualisierung:
11.01.2011

Ernst Meierhofer

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Die Unsitte der Inkassobüros ist bekannt: Treiben sie Rechnungen ein, schlagen sie zum ursprünglich geschuldeten Betrag stets eine Pauschale für den «Verzugsschaden gem. Art. 106 OR» drauf. Und zwar in willkürlicher Höhe.

Konkreter Fall: Für eine Forderung von 44 Franken verlangte die Inkassofirma Intrum Justitia zusätzlich einen Verzugsschaden von 58 Franken. Doch in dieser pauschalen Form müssen Betroffene ihn nicht zahlen (siehe unten).

Ein von der Berner Gemeinde Reichenbach eingesetzter Vormund wusste das nicht – und zahlte etliche Inkassorechnungen blind in der unzulässigen Höhe. Damit hat er Geld seines Mündels Theodor S. quasi zum Fenster hinausgeworfen.

Amtsvormund beglich zu hohe Rechnungen

Das haben die Gemeindeverantwortlichen von Reichenbach BE in der Zwischenzeit auch eingesehen und Fehler eingestanden. Der amtlich eingesetzte Vormund hatte der Intrum Justitia diverse überhöhte Rechnungen gezahlt, die sein Mündel Theodor S. betrafen.

Jetzt hat die Gemeinde in einen Vergleich eingewilligt und das Mündel entschädigt. Der zuständige Regierungsstatthalter schrieb dem K-Tipp: «Es ist nicht üblich, dass ein Vormund Rechnungen von Inkassobüros inklusive Verzugsschaden bezahlt.»

Bernhard Zaugg und Martin von Känel von der Schuldensanierungsstelle Berner Oberland haben andere Erfahrungen gemacht. «Auf dem Land werden sehr häufig Laien als Vormünder eingesetzt. Da kommt es immer wieder vor, dass Vormünder und Beistände den Verzugsschaden bezahlen.»

Immerhin: Es gibt Gemeinden, die in diesem Punkt klare Anweisungen gegeben haben. Die Stadt Luzern zum Beispiel hat ihre Amtsvormünder offiziell und schriftlich angewiesen, den Verzugsschaden jeweils zu streichen.

Und die Vereinigung Schweizerischer Amtsvormünder (VSAV) hat auf ihrer Homepage einen Text, der sich inhaltlich exakt mit der Luzerner Anweisung deckt.

Verlustscheine: Nie alles zahlen

Übrigens: Oft melden sich Inkassobüros mit alten Verlustscheinen und fordern Bevormundete auf, die alte Schuld jetzt zu begleichen. Solche Verlustscheine stammen aus früheren Privatkonkursen der betreffenden Person.

Auch hier machte der Vormund in Reichenbach BE einen Fehler, indem er alles zahlte. Denn das war wiederum viel zu viel. Inkassobüros kaufen alte Verlustscheine von Gläubigern meist zu nur rund 10 Prozent des ursprünglichen Betrages auf. Also sollte ein Vormund auch entsprechend weniger zahlen. Und das nur, wenn das Mündel inzwischen wieder zu Vermögen gekommen ist.

Verzugsschaden nicht zahlen

Dass Schuldner Mahnungen von Inkassobüros erhalten, kommt häufig vor. Zahlen müssen Schuldner aber nur den ursprünglich geschuldeten Hauptbetrag sowie einen Verzugszins von in der Regel 5 Prozent. Und Mahngebühren, falls diese vertraglich abgemacht waren.

Einen pauschalen Verzugsschaden müssen Sie hingegen nicht zahlen. Das Inkassobüro müsste den Schaden durch die verspätete Zahlung konkret beweisen – und das ist selten möglich. Ein Verspätungsschaden ist meist bereits durch den Verzugszins abgegolten.

Wer den Verzugsschaden streicht, muss sich auch nicht vor Betreibungen fürchten. Die Inkassobüros wissen genau, dass sie damit vor Gericht nicht durchkommen. Ebenso wenig zahlen müssen Sie die übrigen Fantasieposten der Inkassobüros wie Rechtsberaterkosten, Bonitätsprüfungskosten usw.

Detaillierte Informationen zu dieser Thematik finden Sie im «Saldo»-Ratgeber «Betreibung, Pfändung, Privatkonkurs» (211 Seiten, 1. Auflage). Sie können das Buch hier bestellen.

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