Firmenübergabe: Regeln Sie Wahl des Nachfolgers rechtzeitig!
Jedes Jahr verschwinden in der Schweiz rund 4000 Unternehmen und damit 10 000 Arbeitsplätze, weil sich kein Nachfolger finden lässt. Häufigster Grund: Die Nachfolgefrage wird so lange verdrängt, bis es zu spät ist.
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K-Geld 5/2005
12.10.2005
Fredy Hämmerli
Das älteste Familienunternehmen der Welt ist im Jahr 578 im japanischen Osaka gegründet worden. Die Firma Kongo Gumi baut seit 1427 Jahren Tempel und wird inzwischen in der 40. Generation geführt.
Davon können Schweizer Familienunternehmer nur träumen. Nur etwa zwei Drittel der Betriebe bleiben in der Familie. Den Wechsel zur dritten Generation schafft bloss noch jedes dritte Unternehmen. Die vierte Generation erleben gar nur noch 16 Prozent. D...
Das älteste Familienunternehmen der Welt ist im Jahr 578 im japanischen Osaka gegründet worden. Die Firma Kongo Gumi baut seit 1427 Jahren Tempel und wird inzwischen in der 40. Generation geführt.
Davon können Schweizer Familienunternehmer nur träumen. Nur etwa zwei Drittel der Betriebe bleiben in der Familie. Den Wechsel zur dritten Generation schafft bloss noch jedes dritte Unternehmen. Die vierte Generation erleben gar nur noch 16 Prozent. Die durchschnittliche Lebensdauer eines Schweizer Familienunternehmens beträgt 24 Jahre.
Auch für Angela (57) und Alzio Zoratti (70) war nach der dritten Generation Schluss. Bis Mitte Jahr führten sie die traditionsreiche Berner Altstadtbeiz «Falken». Jetzt hat das Wirtepaar das Restaurant, das Angela Zorattis Grosseltern 1923 übernommen hatten, verpachtet. In der eigenen Familie wollte niemand ins Gastgewerbe einsteigen. Nach langem Suchen gab das Wirtepaar ein Inserat in den Berner Lokalzeitungen auf und wurde fündig: In Helene Hebeisen, der langjährigen Wirtin der Berner «Zunft zur Webern», meldete sich eine würdige Nachfolgerin.
«So einfach geht es nur selten», sagt Marcel Jans, Partner bei der Treuhandfirma BDO Visura. Besonders die kleineren und mittleren Unternehmen haben oft grosse Schwierigkeiten, eine geeignete Nachfolgelösung zu finden. Rund die Hälfte aller KMU muss deswegen den Betrieb einstellen. Das sind jährlich zwischen 3000 und 5000 Unternehmen. Mehr als doppelt so viele Arbeitsplätze gehen aus diesem Grund Jahr für Jahr verloren, wie Analysen der Schweizerischen Vereinigung für Unternehmensnachfolge KMU-next und der Privaten Hochschule Wirtschaft (PHW) in Zürich ergeben haben.
«Viele Unternehmer nehmen ihre Nachfolge viel zu spät an die Hand», sagt PHW-Rektor Lukas Scherer. «In mehr als der Hälfte aller Einzelfirmen wurden keinerlei Vorkehren getroffen, was dereinst mit dem Unternehmen geschehen soll.» Dabei sei eine frühzeitige Planung der wichtigste Schritt für eine erfolgreiche Nachfolgeregelung.
Jörg Müller-Ganz, Partner in der Helbling Management Consulting AG, macht dafür «geheime Ängste» verantwortlich, Angst vor Macht- und Statusverlust und davor, in ein «schwarzes Loch» zu fallen. Das kann fatale Folgen haben.
Früh und systematisch hat auch Urs Baumann (65) von der Lantal in Langenthal seine Nachfolge an die Hand genommen. Seine beiden Töchter konnten aus familiären Gründen nicht in den Betrieb einsteigen, den Baumanns Grossvater gegründet hatte.
Zusammen mit Beratern von Ernst & Young hielt er deshalb ausserhalb seines Unternehmens, das mit textilen Sitzbezügen für Transportmittel wie Flugzeuge und Eisenbahnwagen gross geworden war, Ausschau nach einem Nachfolger.
Und er hatte Erfolg: Rund 60 Unternehmer und Investoren interessierten sich für die Fabrik mit rund 400 Beschäftigten und knapp 100 Millionen Franken Umsatz.
Baumanns Wahl fiel auf den 48-jährigen Urs Rickenbacher. Er hatte seine Managementqualitäten schon bei Kuoni, Jelmoli und zuletzt bei USM unter Beweis gestellt. «Vor allem aber hat die Chemie gestimmt», sagt Baumann. Wichtiger als ein guter Preis war ihm, dass sein Nachfolger auch seine Wertvorstellungen teilen würde.
Die Verhandlungen und der Kennenlernprozess dauerten über zwei Jahre. Inzwischen hat Rickenbacher die operative Leitung übernommen, Baumann hat sich auf den Posten des Verwaltungsratspräsidenten zurückgezogen. «Er steht mir mit seinem immensen Fachwissen jederzeit zur Verfügung», sagt Urs Rickenbacher.
Die Übernahme wäre ohne Bankkredite und Darlehen der bisherigen Eigentümer nicht zu Stande gekommen. Das ist häufig der Fall, denn meist kann niemand den Kaufpreis bar auf den Tisch blättern. Die neuen Unternehmer müssen Bankkredite und Darlehen aus den künftigen Erträgen tilgen.
Doch genau dies verhindert in vielen Fällen ein umstrittener Bundesgerichtsentscheid vom 11. Juni 2004. Das oberste Gericht hat nämlich befunden, dass der ehemalige Besitzer seinen Ertrag aus dem Unternehmensverkauf als Einkommen versteuern muss, sofern der neue Eigentümer den Kauf mit Fremdkapital finanziert hat. Hätte der Käufer hingegen genügend Eigenkapital gehabt, wäre der Ertrag des Verkäufers steuerfreier Kapitalgewinn (BGE 2A.331/ 2003).
Praktisch sind aber nur Grosskonzerne in der Lage, ein Unternehmen ohne Kredite aufzukaufen. Und die zeigen gerade an kleinen und mittleren Unternehmen in aller Regel wenig Interesse.
Dieser Bundesgerichtsentscheid verunmöglicht viele Nachfolgeregelungen. Das haben inzwischen auch die Politiker erkannt. Finanzminister Hans-Rudolf Merz will Abhilfe schaffen. Die nötige Gesetzesänderung wird voraussichtlich allerdings erst 2008 in Kraft treten.
«Für viele Unternehmer heisst das, noch einmal drei Jahre arbeiten», sagt Bernhard Zwahlen, Partner und Steuerexperte bei Ernst & Young. Denn die anfallende Steuerlast wäre für viele Kleinunternehmer praktisch untragbar, zumal sie als Darlehensgeber an ihren Nachfolger das Geld selbst ja erst über die Jahre erhalten sollen.
Glücklich also, wer sein Unternehmen einfach seinen Kindern übergeben kann. Doch auch da besteht keine Garantie für einen reibungslosen Übergang. Häufig hat dies rechtliche beziehungsweise finanzielle Gründe. Denn sobald mehrere erbberechtigte Nachkommen vorhanden sind, müssen sie als Miteigentümer ins Unternehmen eingebunden oder ausbezahlt werden. Und dafür fehlt häufig das Geld, so dass ein externer Käufer gesucht werden muss, nur um die Erbansprüche der Nachkommen befriedigen zu können.
Nachfolgeregelung früh planen
- Nehmen Sie die Nachfolgeplanung rund 15 Jahre vor der Geschäftsübergabe an die Hand.
- Besprechen Sie alle Fragen offen und ehrlich mit Ihrer Familie.
- Stellen Sie einen Qualifikationskatalog auf, den der Nachfolger oder die Nachfolgerin erfüllen soll.
- Suchen Sie nicht nach falscher Harmonie. Nicht alle Familienmitglieder eignen sich gleichermassen für die Unternehmensführung.
- Fragen Sie sich, ob Sie Ihrem Sohn oder Ihrer Tochter das Unternehmen auch anvertrauen würden, wenn sie nicht Ihre Kinder wären.
- Suchen Sie interne oder externe Unterstützung bei Rechts-, Steuer- und Unternehmensspezialisten.
- Entschlacken Sie Ihre Firma von allen nicht betriebsnotwendigen Vermögensteilen. Das kostet zwar Einkommenssteuern, macht eine Übernahme finanziell in vielen Fällen aber erst möglich.
- Wandeln Sie Ihre Personengesellschaft spätestens fünf Jahre vor der Stabübergabe in eine Aktiengesellschaft um. Kapitalgewinne sind für Private steuerfrei. Der Liquidationsertrag aus der Einzelfirma ist dagegen steuerpflichtiges Einkommen.
- Setzen Sie Ihre Preisvorstellungen realistisch an. Der Nachfolger sollte den Kaufpreis innerhalb von fünf bis zehn Jahren zurückverdienen können.
- Ermöglichen Sie Ihrem Wunschkandidaten eine gezielte Ausbildung im Hinblick auf die Übernahme des Unternehmens. Kandidaten aus der eigenen Familie sollten ihren Horizont in einem Fremdbetrieb (möglichst im Ausland) erweitern können.
- Setzen Sie nicht alles auf eine Karte, sondern halten Sie sich mehrere Optionen offen.
- Wenn Sie sich einmal entschieden haben, so lösen Sie sich vom Unternehmen und übertragen Sie die Kompetenzen vollständig.
- Kommunizieren Sie Ihren Entscheid Kunden und Mitarbeitenden offen.