Der Preis hat mit Kaufkraft, nicht mit Qualität zu tun
Qualität hat ihren Preis - dieses Vorurteil hält sich hartnäckig. Die Realität sieht aber anders aus: Der Preis hängt in erster Linie vom Portemonnaie des Käufers ab.
Inhalt
Haus & Garten 1/2004
07.01.2004
Marc Meschenmoser
Die Produktetests von K-Tipp und Saldo zeigen es deutlich: Die Qualität eines Produktes hat nichts mit seinem Preis zu tun. Egal, ob Socken, Küchenmesser, Allwetter-Jacken, Körperlotions oder anderes, zu den Testsiegern zählen häufig günstige Produkte. Teure Markenartikel andererseits finden sich auf den hinteren Rängen.
Der Preis einer Dienstleistung oder eines Produkt hängt meist von anderen Kriterien ab:
1. Wie viel sind die Käufer bereit zu zahl...
Die Produktetests von K-Tipp und Saldo zeigen es deutlich: Die Qualität eines Produktes hat nichts mit seinem Preis zu tun. Egal, ob Socken, Küchenmesser, Allwetter-Jacken, Körperlotions oder anderes, zu den Testsiegern zählen häufig günstige Produkte. Teure Markenartikel andererseits finden sich auf den hinteren Rängen.
Der Preis einer Dienstleistung oder eines Produkt hängt meist von anderen Kriterien ab:
1. Wie viel sind die Käufer bereit zu zahlen?
Weltweite Massenproduktion, wegfallende Handelshemnisse und tiefe Transportkosten führen dazu, dass die Hersteller und Grosshändler von bestimmten Produkten ihre Waren länderübergreifend anbieten. Die Konzentration auf den Schweizer Markt ist nur noch im gewerblichen Bereich verbreitet.
Abgesehen davon finden sich aber in ganz Europa oder gar der ganzen Welt identische Produkte in allenfalls leicht veränderter Verpackung. Ein Beispiel dafür ist der schwedische Möbelriese Ikea. In all seinen Läden rund um den Globus kann man die gleichen Möbel kaufen. Die Preise dafür unterscheiden sich von Land zu Land aber massiv.
Das Europäische Verbraucherzentrum fand 2002 in einer Untersuchung heraus, dass einzelne Ikea-Möbel in der Schweiz doppelt so teuer verkauft wurden wie in einigen EU-Staaten. Ikea versprach Besserung und betonte, mit Hochdruck an einem Abbau dieser Preisunterschiede zu arbeiten.
Doch ein Blick aufs aktuelle Ikea-Angebot zeigt: Ikea langt bei den Schweizern immer noch weit kräftiger zu als im benachbarten Ausland, auch wenn die Preisunterschiede nicht mehr derart massiv sind. Das Kinder-Etagenbett Lo ist in Deutschland für umgerechnet Fr. 366.40 zu haben, während es hierzulande Fr. 498.- kostet. Schweizer Ikea-Kunden zahlen also Fr. 131.60 oder 36 Prozent mehr für dasselbe Möbelstück. Oder die Leseleuchte «Takken»: Preis in Österreich Fr. 55.90, Preis in der Schweiz Fr. 79.-. Preisunterschied: 41 Prozent.
Der Verdacht kommt auf, dass Ikea bei der Preisgestaltung auf das Portemonnaie seiner Kunden schaut: Bewohner des Hochlohnlandes Schweiz sollen mehr für die identischen Waren bezahlen.
Ikea bestreitet das. Peter Mager von Ikea Schweiz: «Ziel von Ikea ist es, weltweit einheitliche Preise zu verlangen. Doch vorerst arbeiten wir daran, dass die Preisdifferenz zwischen der Schweiz und den EU-Ländern höchstens 15 Prozent beträgt.» Ikea erstellt laut Mager alle Preise in der Konzernzentrale in Schweden und passt sie dann dem jeweiligen Markt an. Weshalb nicht gleich von Beginn an ein einheitlicher Preis pro Produkt fixiert wird, verschweigt Ikea.
Ikea ist kein Einzelfall. Verlage achten beispielsweise genau darauf, wie viel die Leser für ein Buch zu bezahlen bereit sind. Sandra Benigni, Buchhalterin des angesehenen Ammann-Verlags in Zürich, gibt das gegenüber SPEZIAL offen zu. «Bei Preiskalkulation überlegen wir uns nicht nur, was das Buch effektiv kostet, sondern auch, wie viel wir noch verlangen können, damit es noch gekauft wird. Es ist also eine Mischrechnung: Wie teuer muss es sein, damit die Kosten gedeckt sind? Und wie teuer darf es sein, damit es die Kunden noch kaufen?»
Zudem schreibt der Buchhändlerverband den Schweizer Verlagen vor, dass sie deutschsprachige Bücher in der ganzen Schweiz zum Einheitspreis verkaufen müssen. Diese Buchpreisbindung verteuert Schweizer Bücher enorm, wie eine Stichprobe zeigt. Beispielsweise kostet der momentane Bestseller «Volle Deckung, Mr. Bush» von Michael Moore beim deutschen Internethändler www.amazon.de Fr. 2.- weniger (Fr. 20.60), in Frankreich in der französischen Übersetzung bei Fnac gar nur Fr. 11.10.
Das ist nicht einmal die Hälfte des Preises in der Schweiz: Egal ob bei Orell Füssli in Zürich, Rösslitor in St.Gallen oder dem Internethändler www.buch.ch, der Preis beträgt stets Fr. 22.60.
Da die Buchpreisbindung nur für deutschsprachige Bücher gilt, ist vor allem die Westschweiz attraktiv für ausländische Discount-Ketten wie Fnac. Nach Läden in Genf, Freiburg und Lausanne will Fnac Mitte 2005 aber auch Läden in Zürich, Basel und Bern eröffnen und Bücher, CDs und Videos verkaufen.
Erstes Ziel: Fnac will den günstigsten Preis anbieten. Finden Kunden dasselbe Buch, dieselbe CD, dasselbe Video anderswo zu einem geringeren Preis, zahlt Fnac die Differenz zurück.
Bei den Büchern geht die Billigpreispolitik von Fnac aber nicht auf: So kostet in der Freiburger Fnac-Filiale Michael Moores Buch Fr. 22.60 - genau gleich viel wie anderswo in der Deutschschweiz. Fnac-Generaldirektor Schweiz, Christophe Fond: «Leider sind uns die Hände gebunden. Wir überlegen, wie wir Bücher günstiger verkaufen könnten. Eine Möglichkeit wären Mitgliederrabatte.»
2. Mischkalkulation der Marktmächtigen
Das Musikbusiness wird von fünf Grossen dominiert: 2002 teilten sich Warner, Universal, EMI, Sony und BMG drei Viertel aller Tonträgerverkäufe weltweit. Der Rest verteilt sich auf kleinere, meist unabhängige Plattenfirmen.
Die Musikindustrie ist ein typisches Beispiel dafür, dass die Preise nicht in direktem Zusammenhang mit dem Produkt stehen. Die Hersteller kalkulieren mit einer Mischrechnung je nach Stückzahl, Herstellungskosten und zu erwartenden Verkäufen. Das Risiko, dass ein Grossteil der Songs nicht zu Kassenschlagern werden, berechnen die Plattenfirmen in ihre Preise ein.
Durchschnittliche Erfahrungswerte der Musikbranche zeigen: Vom Verkaufspreis von Fr. 25.- für eine Musik-CD geht mit Fr. 2.25 nur ein kleiner Teil direkt an die Künstler. Fr. 6.- pro verkaufter CD steckt der Verkaufsladen ein, Fr. 1.90 beträgt die Mehrwertsteuer, Fr. 9.30 kassiert die Plattenfirma für Werbung, Videoclip und Marge, Fr. 1.50 kostet das Aufnahmestudio, Fr. 2.- betragen die Vertriebskosten und ganze Fr. -.70 kostet die Herstellung der CD mit Umschlag. Für das Urheberrecht des Komponisten bleiben Fr. 1.35.-.
Doch immer mehr Käufer sind nicht mehr bereit, für drei, vier Musik-CDs gleich viel bezahlen zu müssen wie für ein neues Abspielgerät. Im ersten Halbjahr 2003 ging der Umsatz weltweit um 10,9 Prozent oder 1384 Millionen Franken zurück.
Viele Musikliebhaber laden sich ihre Lieblingstitel entweder gratis oder beispielsweise unter www. directmedia.ch für Fr. 1.65 pro Lied aus dem Internet herunter.
Laut dem Zürcher Musikmanager Oliver Meyer muss die Branche umdenken: «Die Zahl der verkauften CDs geht aufgrund der Internetkonkurrenz drastisch zurück. Über kurz oder lang muss die Musikbranche die Preise massiv senken. Es ist theoretisch bereits heute möglich, neue CDs für 12 Franken zu verkaufen, aber nur, wenn global alles viel billiger produziert wird.»
Sprich: Weniger Verwaltungsaufwand bei den Plattenfirmen, tiefere Gewinnmargen für alle Beteiligten, reduzierte Studiokosten. Aber: Das hätte auch eine noch stärkere Konzentration auf rentable Stars zur Folge.
3. Am teuersten ist das Image
Eine aufwändige Verpackung, ein Glasfläschchen, 50 Milliliter parfümiertes Wasser sowie einige Zusatzstoffe: Fertig ist der «sinnesbetörende Duft». Die Preise von Parfüms stehen für Luxus, die Käufer bezahlen in erster Linie für das Image, mit dem sie sich besprühen und umgeben wollen.
Oder wie sonst lassen sich Preise von Fr. 1298.- für einen Liter Boss-Woman-Parfüm (50ml à Fr. 64.90) rechtfertigen? Der internationale Kosmetika-Hersteller Procter & Gamble stellt die Boss-Parfüms her und legt die Preise fest. René Dominik von Procter & Gamble (Schweiz) AG: «Das sind werbeintensive Prestigeprodukte, ein Teil des höheren Preises begründet sich mit dem Image der Marke.»
4. Fiktive Rabatte auf überrissene Angebote
Achtung: Unseriöse Anbieter im Internet locken Kunden mit Versprechungen wie «bei sofortiger Bestellung bis zu 70 Prozent Rabatt!». Häufig handelt es sich dabei aber um so genannte Mondpreise. Absichtlich wird ein überhöhter ursprünglicher Verkaufspreis genannt, um danach einen riesigen Rabattsatz abziehen zu können.
Das ist illegal. Seriöse Händler können bei korrekter Kalkulation gar nicht solch hohe Rabatte anbieten - ausser für Ladenhüter.
Während der besonders im Januar zahllosen Sonderverkäufe helfen sich gewiefte Kleiderläden auch mit anderen Tricks. Sie kaufen speziell für den Ausverkauf Billigware ein, die vorher nie im Angebot war. Diese verschleudern sie dann zu angeblichen Tiefstpreisen. Ein Indiz für diese Praxis ist, dass bei Markenprodukten der Preis meist nicht so stark reduziert wird wie bei No-Name-Artikeln.