Viel Nebel über den Verwaltungskosten
Hilfswerke brauchen einen guten Teil der Spenden für Werbung und Verwaltung - an sich logisch. Doch viele Organisationen machen ein Geheimnis daraus.
Inhalt
saldo 2/2003
05.02.2003
Pasquale Ferrara
Eine Frage, die sich jeder Spender und jede Spenderin stellt: Wie viel von meinem Geld kommt den Bedürftigen direkt zugute? In den Jahresberichten und Broschüren der Hilfswerke finden die Spender viele Zahlen und Grafiken, aber häufig wenig genaue Antworten. Was gehört zum Posten «Kommunikation»? Wo ist der Aufwand für die Werbung verbucht? Was heisst «allgemeine Verwaltung»?
Vielen gemeinnützigen Organisationen fällt es nicht leicht, den Spendern zu sagen, dass sie ein...
Eine Frage, die sich jeder Spender und jede Spenderin stellt: Wie viel von meinem Geld kommt den Bedürftigen direkt zugute? In den Jahresberichten und Broschüren der Hilfswerke finden die Spender viele Zahlen und Grafiken, aber häufig wenig genaue Antworten. Was gehört zum Posten «Kommunikation»? Wo ist der Aufwand für die Werbung verbucht? Was heisst «allgemeine Verwaltung»?
Vielen gemeinnützigen Organisationen fällt es nicht leicht, den Spendern zu sagen, dass sie einen schönen Teil des Geldes für Verwaltung und Werbung aufwenden müssen. «Wir informieren offen», sagt Franz Schüle, Zentralsekretär des Hilfswerks der Evangelischen Kirchen Schweiz (Heks), «aber in der Öffentlichkeit sind tiefe Verwaltungskosten ein Verkaufsargument.»
Immerhin: Wer das Gütesiegel der Stiftung Zewo tragen will, muss seine Zahlen offen legen. Doch auch die Kontrollstelle tut sich schwer, wenn sie die Verwaltungskosten der Hilfswerke vergleichen will. Denn in der Branche wird nicht einheitlich abgerechnet. Beispiel: Es gibt keine allgemein anerkannte Definition, was unter Administration zu verstehen ist und welche Kosten zum konkreten Hilfsprojekt gehören.
Nur zwei Drittel der Spenden fliesst in Hilfsprojekte
Das soll sich bald ändern. Non-Profit-Organisationen haben gemeinsam mit der Schweizerischen Treuhandkammer neue Richtlinien für die Rechnungslegung erarbeitet. Die Zewo will diese Regeln für verbindlich erklären, vor allem für mittlere und grössere Organisationen. «Wir erwarten davon mehr Transparenz», sagt Ariuscha Davatz von der Zewo.
Kassensturz hat erstmals nach einer einheitlichen Definition die Verwaltungskosten von zwölf Hilfswerken untersucht. Resultat: Zwischen 16 und 31 Prozent des Spenderfrankens gehen in Administration, Werbung und Spendenkampagnen. Bei einigen Hilfswerken fliesst also fast ein Drittel der Spendengelder nicht in direkte Hilfsprojekte.
Schweizer Hilfswerke - eine Milliardenbranche
Der Kampf um Spendengelder wird stetig härter. Um auf sich aufmerksam zu machen, müssen deshalb die Hilfswerke immer mehr in Werbung und Spendenkampagnen investieren. Zu den rund 3000 Hilfswerken, die um Spendengelder buhlen, kommen ständig neue dazu. Vor allem internationale Organisationen drängen auf den lukrativen Schweizer Markt.
Im Jahr 2001 zahlten die Schweizerinnen und Schweizer über eine Milliarde Franken für wohltätige Zwecke ein - der Spendermarkt ist eine Milliardenbranche, in der viele gut qualifizierte Leute ein Auskommen finden. Darum fallen auch die Lohnkosten immer stärker ins Gewicht.
Rega und WWF bezahlen die höchsten Cheflöhne
Nicht bekannt war bisher, wie viel die Chefs der Hilfswerke verdienen. Kassensturz hat deshalb bei über 30 gemeinnützigen Organisationen die Löhne der Geschäftsführer nachgefragt (siehe Tabelle). Für die meisten ist volle Lohntransparenz selbstverständlich. «Wir verlangen auch von unseren Partnern, dass sie die Lohnkosten offen legen. Ausserdem zahlen wir keine Löhne, für die wir uns schämen müssten», sagt Heks-Zentralsekretär Franz Schüle.
Im Durchschnitt erhalten die Geschäftsführer etwas mehr als 130 000 Franken. Am wenigsten verdient der Landesleiter der Heilsarmee Schweiz - nämlich 60 000 Franken brutto jährlich. «Damit kann ich leben», sagt Heilsarmee-Chef Hasse Kjellgren. Die meisten Hilfswerke zahlen ihren Mitarbeitern höhere Löhne. Tenor der Branche: Die Löhne sollen gut sein, aber nicht höher als in vergleichbaren Positionen beim Bund und den Kantonen.
Die höchsten Cheflöhne bezahlen die Rega und der WWF - 200 000 Franken im Jahr. Der Chefposten bei WWF ist zurzeit vakant. Der Interims-Geschäftsführer Christoph Imboden verdient 160 000 Franken im Jahr. «Wir wollen eine schlanke Organisation, aber dafür gute Mitarbeiter. Das sind nun meistens Leute, die in der Privatwirtschaft einen wesentlich höheren Lohn hätten», sagt Imboden.
Die Umweltorganisation hat nach aussen und innen volle Lohntransparenz verwirklicht. Sechs vom Kassensturz befragte Hilfswerke wollten keine genauen Zahlen nennen. Zu ihnen gehören bekannte Institutionen wie die Aids-Hilfe, die Krebsliga oder Pro Infirmis. Pro Infirmis will im nächsten Jahresbericht erstmals Eckdaten zu den Löhnen veröffentlichen.
Hilfsorganisationen
Informieren Sie sich, bevor Sie eine Spende machen
- Überlegen Sie zuerst, welche Anliegen Sie mit Ihrer Spende unterstützen wollen.
- Fragen Sie sich, ob Sie genügend über die Organisation und ihre Projekte wissen. Schauen Sie sich die Unterlagen an: Sind darin Zweck, Notwendigkeit und Umfang des Vorhabens beschrieben? Holen Sie Auskünfte direkt bei der sammelnden Organisation ein.
- Bevorzugen Sie Organisationen, die über aussagekräftige Jahresberichte und -rechnungen verfügen und diese zugänglich machen.
- Wenn Sie an der Haustüre, auf der Strasse oder telefonisch um Spenden gebeten werden, verlangen Sie Unterlagen und einen Einzahlungsschein.
- Lassen Sie sich nicht zum Spenden drängen! Es ist Ihre freie Entscheidung, ob, wann und wem Sie spenden.
- Treffen Sie eine Auswahl. Es ist wirkungsvoller, einige sorgfältig ausgesuchte Organisationen mit einem grösseren Betrag zu unterstützen, als die verfügbaren Mittel auf zahlreiche Organisationen zu verteilen. So können Sie sich auch intensiver mit den von Ihnen ausgewählten Organisationen befassen.
- Achten Sie auf das Gütesiegel der schweizerischen Fachstelle für gemeinnützige, Spenden sammelnde Organisationen (Zewo). Damit ausgezeichnete Organisationen sind gemeinnützig und erfüllen die Standards der Zewo.
Diese Tipps hat die Zewo herausgegeben. Weitere Informationen finden Sie im Internet unter www.zewo.ch
So viel verdient die Chefetage
Hilfswerk - Direktorenlohn
Heilsarmee Schweiz - Fr. 60000.-
World Vision - Fr. 95100.- 1
Médecins sans Frontières - Fr. 97800.-
Erklärung von Bern - Fr. 97900.-
Brot für alle - Fr. 120000.- 1
Helvetas - Fr. 130650.- 2
Greenpeace Schweiz - Fr. 132100.-
Amnesty International - Fr. 134000.-
Lungenliga Schweiz - Fr. 140000.-
Schweizerisches Arbeiterhilfswerk - Fr. 142000.-
Caritas Schweiz - Fr. 143000.- 3
Heks - Fr. 146000.-
Fastenopfer - Fr. 150000.-
Pro Juventute - Fr. 166000.-
Stiftung Kinderdorf Pestalozzi - Fr. 178000.- 4
Rega - Fr. 200000.- 5
WWF Schweiz - Fr. 200005.-
Schweiz. Rotes Kreuz - keine Angaben 6
Schweiz. MS-Gesellschaft - keine Angaben
Pro Senectute - keine Angaben 7
Krebsliga - keine Angaben
Aids-Hilfe - keine Angaben
Pro Infirmis - keine Angaben 8
1 Durchschnittlicher Brutto-Jahreslohn der Geschäftsleitung
2 Maximallohn Stand 1998
3 Maximallohn Geschäftsleitung, Direktor höher
4 Fr. 18 000.- Leistungskomponente
5 ab 40 Jahren pro Jahr plus Fr. 4000.-
6 Höchster Lohn um Faktor 5 höher als tiefster Lohn
7 Höchster Lohn um Faktor 3 höher als tiefster Lohn
8 Höchster Lohn um Faktor 3,2 höher als tiefster Lohn