Gespeicherte Daten erzählen nicht die ganze Wahrheit
Kreditauskunfteien horten Millionen von Informationen über Konsumenten. Doch längst nicht alle gespeicherten Daten sind richtig - mit teils schwerwiegenden Folgen für die Kunden.
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saldo 9/2005
11.05.2005
Thomas Roth
Haben Sie schon einmal ein Bankdarlehen beantragt? Ist Ihr Auto geleast? Besitzen Sie eine Kreditkarte? Wer mindestens eine dieser drei Fragen mit Ja beantwortet, kann davon ausgehen, dass Angaben über seine Person bei mindestens einer Kreditauskunftei gespeichert sind.
Unter den grössten Datensammlern findet sich die Zentralstelle für Kreditinformation (ZEK) - laut eigenen Angaben «ein Verein, der seine Tätigkeit über das Gebiet der ganzen Schweiz und das Fürstentum Liecht...
Haben Sie schon einmal ein Bankdarlehen beantragt? Ist Ihr Auto geleast? Besitzen Sie eine Kreditkarte? Wer mindestens eine dieser drei Fragen mit Ja beantwortet, kann davon ausgehen, dass Angaben über seine Person bei mindestens einer Kreditauskunftei gespeichert sind.
Unter den grössten Datensammlern findet sich die Zentralstelle für Kreditinformation (ZEK) - laut eigenen Angaben «ein Verein, der seine Tätigkeit über das Gebiet der ganzen Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein ausübt».
Zweck: Detaillierte Überprüfung der Bonität von Kunden
Doch die ZEK funktioniert anders als ein Frauenchor oder ein Verein von Ornithologen: Mitglieder sind vor allem Banken, Kreditkartenherausgeber und auf Leasing spezialisierte Gesellschaften. Daten von rund 1,4 Millionen Personen sind am Vereinssitz in Zürich gespeichert - von Leasing- und Darlehensverträgen über Kreditkartenanträge bis hin zu Pfändungen und Betreibungen.
Die ZEK hat nur ein Ziel: Sie ermöglicht den angeschlossenen Finanzinstituten, die Bonität von Kunden bis ins letzte Detail zu überprüfen. Ob die in die Datenbank eingetragenen Vermerke wirklich stimmen, wird nicht kontrolliert. So liess etwa die Leasinggesellschaft von BMW eine Frau als schlechte Zahlerin eintragen, weil sie den Vertrag gekündigt und eine gesetzlich unzulässige Schlussrechnung nicht beglichen hatte («K-Tipp» 8/05).
Wenn sich die Betroffenen aber wehren, beissen sie häufig auf Granit, wie Dominik Holzer (Name geändert) aus Bern erfahren musste. Holzer hatte einen Konsumkredit bei der Bank Prokredit, die sich heute GEFS Suisse AG nennt. Im Einverständnis mit dem Geldinstitut leistete er für eine gewisse Zeit pünktliche, aber reduzierte Zahlungen. Nachdem Holzer das Darlehen per Ende 2004 abbezahlt hatte, verlangte er bei der ZEK Einsicht in seine Kartei und stiess dabei auf den Begriff «Sondermassnahmen». Holzer intervenierte bei der GEFS, worauf der Eintrag auf «schleppende Abzahlung» abgeändert wurde.
Das bedeutet: Sollte Holzer in den nächsten drei Jahren (so lange bleiben derartige Daten in der Regel gespeichert) eine Kreditkarte oder ein Leasing beantragen, wird er kaum Chancen haben. Denn: «Sondermassnahmen» wird von vielen ZEK-Mitgliederfirmen mit Betreibung oder Pfändung gleichgesetzt - «schleppende Abzahlung» steht für Schuldner, die immer wieder gemahnt werden müssen.
ZEK-Geschäftsführer stören die ungenauen Einträge nicht
Die Folgen solcher Einträge können schwerwiegend sein. Im besten Fall werden Kundinnen und Kunden von Versandhäusern nicht mehr beliefert, im schlechtesten Fall können sie weder ein Auto leasen, noch erhalten sie eine Kreditkarte oder einen Bankkredit. Und das alles, ohne dass die Betroffenen jemals eine Begründung für die Absage erhalten.
ZEK-Geschäftsführer Robert Simmen stört sich nicht im Geringsten an solch ungenauen Formulierungen. Es sei offensichtlich, dass der Kunde «am Rand seiner finanziellen Möglichkeiten» gestanden habe - «und das dürfen andere Banken doch erfahren».
Kosmas Tsiraktsopoulos, Informationschef des eidgenössischen Datenschutzbeauftragten, widerspricht, denn Vermerke bei Kreditauskunfteien dürften nicht zu Nachteilen für die Kunden führen: «Diese Einträge müssen hundertprozentig der Wirklichkeit entsprechen, und in diesem Fall ist das nicht gegeben.»
Noch weiter geht Ludwig A. Minelli, Zürcher Rechtsanwalt und Autor des Buchs «Persönlichkeitsrecht - Persönlichkeitsschutz»: Ein solcher Vermerk bei der ZEK beeinträchtige die Möglichkeit, einen Kredit zu erhalten. «Die Einträge müssen so genau formuliert sein, dass keine falschen Interpretationen möglich sind.» Doch das sind sie in vielen Fällen nicht.
Viele Kunden wissen nicht, dass sie einen Eintrag haben
Zahlreiche Banken und Leasingfirmen übermitteln der ZEK bei einem abgelehnten Kreditgesuch den simplen Eintrag «ohne Begründung abgelehnt» - die Daten sind meist noch für zwei Jahre einsehbar. Minelli hegt ernsthafte Zweifel, ob das Bearbeiten von Daten überhaupt legitim sei, wenn gar nie ein Kreditvertrag zustande gekommen ist.
Unzählige Konsumentinnen und Konsumenten sind in dieser Datenbank registriert, ohne dass sie überhaupt einen Kredit aufgenommen haben oder ein Leasing beanspruchen: Laut ZEK wurden allein im letzten Jahr über 160 000 Anträge wie beispielsweise Konsumkredite und Leasing abgelehnt.
Betroffene haben Anspruch auf die Korrektur ihrer Daten
Wichtig deshalb: Auskunft verlangen, auf einer Korrektur falscher Einträge bestehen und sich nicht unter einem Vorwand abwimmeln lassen. Die Auskunft der ZEK, dass sich eingetragene Personen für eine allfällige Berichtigung an die einzelnen Finanzinstitute wenden müssten, stimmt so nicht. Laut Datenschutzgesetz hat jeder Gespeicherte den Anspruch, direkt beim Betreiber der Datenbank die Korrektur zu verlangen.
Und die ZEK ist nicht die einzige Datenbank in der Schweiz mit Einträgen über finanzielle Angelegenheiten von Privaten: Zu den führenden Anbietern gehören die Deltavista AG in Küsnacht ZH, Infoscore Zoom AG in Schlieren ZH, der Schweizerische Verband Creditreform in St. Gallen und die Intrum Justitia AG in Schwerzenbach ZH.
Die Intrum Justitia hat nach eigenen Angaben Daten von über einer Million Bürgern gesammelt. Das Unternehmen geniesst nicht den besten Ruf. Grund: Die Firma treibt unter anderem unbegründete und fehlerhafte Forderungen ein und stellt fragwürdige Rechnungen (saldo 12/04). Neuerdings belästigt Intrum Justitia auch Personen am Telefon - ohne dass diese je einmal Schulden gehabt hätten («K-Tipp» 9/05).
Intrum Justitia: Profit mit Weiterverkauf von Daten
Intrum Justitia bietet ihre Daten gegen eine stattliche Gebühr allen interessierten Unternehmen an. Wenn etwa ein Gesuch für eine Kreditkarte abgelehnt wird oder ein Versandhaus nur noch gegen Vorauszahlung liefert, können Registrierungen bei Intrum Justitia dafür verantwortlich sein.
So erhalten Sie Auskunft
Jede Person hat gegenüber Datensammlern ein Recht auf Auskunft zu Daten, die über sie gespeichert sind. Das Verfahren ist kostenlos.
- Schreiben Sie eingeschrieben an den Betreiber der Datensammlung.
- Bestehen Sie auf einem vollständigen Ausdruck sämtlicher über Sie gespeicherten Informationen.
- Verlangen Sie Angaben über den Zweck der Sammlung und Angaben über die Empfänger der Daten.
- Bei unrichtigen Daten: Fordern Sie die sofortige Berichtigung oder Vernichtung von unrichtigen Daten.
- Bei Daten, die eine Kreditschädigung bedeuten: Verlangen Sie, dass die Weitergabe an Dritte gesperrt wird.
Die grössten Bonitäts-Datenbanken der Schweiz:
- Deltavista AG Gustav-Siber-Weg 4, 8700 Küsnacht ZH
- Infoscore Zoom AG Ifangstrasse 8, 8952 Schlieren ZH
- Intrum Justitia AG Eschenstrasse 12, 8603 Schwerzenbach ZH
- Schweizerischer Verband Creditreform Teufener Strasse 36, 9000 St. Gallen
- Zentralstelle für Kreditinformation, Toblerstrasse 97, Postfach 382, 8044 Zürich
Musterbriefe für Bonitätsauskünfte finden Sie auf der Homepage des Datenschutzbeauftragten unter www.edsb.ch/d/doku/musterbriefe.
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