Das Fliegen ist zehnmal gefährlicher als Auto fahren
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saldo 14/2000
13.09.2000
Der riesengrosse Irrtum: Fliegen ist die sicherste Transportmethode. In Tat und Wahrheit ist das Flugzeug jedoch viel weniger sicher als Bahn und Auto.
Die aktuellsten Unfälle: Eine Boeing 747 der Japan Airlines verliert am 6. September in Jakarta ein Triebwerk. Ein Airbus A320 der Gulf Air mit 143 Personen stürzt am 23. August vor Bahrain ins Meer. Eine Concorde der Air France mit 113 Personen stürzt am 25. Juli in Paris ab.
Nach jedem Crash beteuern Airlines u...
Der riesengrosse Irrtum: Fliegen ist die sicherste Transportmethode. In Tat und Wahrheit ist das Flugzeug jedoch viel weniger sicher als Bahn und Auto.
Die aktuellsten Unfälle: Eine Boeing 747 der Japan Airlines verliert am 6. September in Jakarta ein Triebwerk. Ein Airbus A320 der Gulf Air mit 143 Personen stürzt am 23. August vor Bahrain ins Meer. Eine Concorde der Air France mit 113 Personen stürzt am 25. Juli in Paris ab.
Nach jedem Crash beteuern Airlines und Luftaufsichtsbehörden, Fliegen sei die sicherste Transportmethode. Dann liefern sie Statistiken nach, die das auch belegen sollen: Beim Fliegen sterben 0,03 Passagiere auf 100 Mio. Kilometer. Bei der Bahn und im Auto trifft es dreimal so viele Passagiere.
Doch diese Rechnung ist falsch: Die Zahlen seien nur deshalb so gut, weil die Distanz das falsche Vergleichsmass sei, schreibt das englische Wissenschaftsmagazin "New Scientist". Fairerweise müsse man die Anzahl Reisen miteinander vergleichen. Und dann schneidet das Flugzeug schlecht ab: Auf 100 Millionen Reisen sterben im Flieger 55 Menschen. Aber nur 4,5 im Auto und 2,5 im Zug.
Diese Zahlen wischt die Luftfahrtindustrie unter den Teppich. Und wenns zu einem Absturz kommt, ist das für Airlines eigentlich auch kein wirkliches Problem. Vorausgesetzt, ihre PR-Strategen leisten gute Arbeit. Den Rest leisten die Versicherungen mit Milliarden-Entschädigungen.
Das beste Beispiel ist der Fall von Swissair Flug 111, der weder zu einem Rückgang der Buchungen noch zu einem Image-Verlust geführt hat. Für Rainer Meier von der SAir Group hat das damit zu tun, "dass wir dem Aspekt Sicherheit immer die allerhöchste Priorität gegeben haben. Vor und nach dem Unglück haben wir immer wieder Sicherheitsmassnahmen getroffen, die nicht zwingend vorgeschrieben waren."
Ein Beispiel: die SR Technics hat nach dem Absturz die gesamte MD-11-Flotte einer Inspektion unterzogen. Dabei fanden Mechaniker eine angeschmorte Lampenhalterung im Cockpit. Diese wurde überall ausgewechselt.
Doch nur einen Steinwurf entfernt stehen die MD-83 von Tochter Crossair. Diese Flugzeuge wurden bislang nicht freiwillig umgerüstet. Aber auch für sie gibt es Umbauanweisungen. Schlimmer noch: Bei der Übernahme der Maschinen von der Swissair ordnete man bei der Crossair an, ein automatisches Löschsystem im Frachtraum aus Gewichtsgründen wieder auszubauen. Das in Zusammenhang mit der SR 111 als gefährlich erkannte Isolationsmaterial Mylar wurde ebenfalls nicht ersetzt. Und auch das seit längerem erhältliche Anti-Kollisionssystem TCAS baut die Crossair nur ein, weil es neu Vorschrift ist.
Das zeigt: Der Preiskampf führt bei Fluggesellschaften mit starkem Wachstum, bei Charter-Airlines und Flugfirmen aus ärmeren Ländern zu massiven Sparübungen. Doch der wirtschaftliche Druck nimmt auch auf die etablierten Firmen zu. Viele Manager können sich nur dank drastischen Kostenreduktionen halten. Abstriche gibts vor allem beim Personal. Offiziell will man bei der SAir Group nichts davon wissen. Insider sehen das anders: Früher war nur das Beste gut genug. Fast ausnahmslos hatten die Piloten eine ETH-Ausbildung genossen. Dann die Pilotenschule der Swissair absolviert. Heute gibt es fast nur noch Piloten, die direkt von der Schulbank oder irgendeinem Beruf ins Cockpit wechseln. Erfahrene Piloten vermissen deshalb das technische Verständnis - was sich in der Luft fatal auswirken kann: 70 Prozent aller Abstürze werden durch menschliche Fehler verursacht.
Tim van Beveren, Max Fischer
Sicherheit - Darauf müssen Sie achten
Grundsätzlich gilt: Je grösser, desto sicherer. Flieger mit weniger als 30 Plätzen fallen oft unter andere Überwachungskriterien (Lateinamerika, Afrika, Asien).
Die Pilotenausbildung ist bei renommierten Gesellschaften in Westeuropa und in den USA gut, selbst bei Chartern. Viele osteuropäische und asiatische Piloten haben Mühe mit der englischen Sprache.
Die unabhängige Firma Aerosecure (Tel. 0049 89 149 26 19) erstellt für 8 Franken ein Profil über eine Fluggesellschaft (Geschichte, Flotte, Personal, Unfälle).
Die amerikanische Luftaufsichtsbehörde zeigt unter www.faa.gov/avr/iasa, welche Länder die internationalen Normen für Flugsicherheit vollständig, nur teilweise oder gar nicht einhalten. Schlecht: Simbabwe, Uruguay, Nicaragua, Honduras und Gambia.
Unter der Adresse www. safestairlines.com finden Reisende alles über 50 internationale Airlines - mit Rating, Flottenbeschrieb, Unglücksfällen. Dazu Charakteristika zu Flugplätzen und Informationen zu Witterungsbedingungen.
Swissair ist trotz der zahlreichen Zwischenfälle in letzter Zeit mit der Note 1 topklassiert.
Zu den schwarzen Schafen (überdurchschnittlich viele Zwischenfälle) zählen zurzeit: Pakistan International Airlines (im Pilotenjargon "Please inform Allah"), China Airlines, Alaska Airlines, Garuda Indonesia, Myanmar Airways, Aeroflot.