Für den Labortest kaufte der K-Tipp Mitte ­August bei den Grossverteilern weisse und rote Trauben aus konventionellem Anbau. Die Testredaktorin konnte der Versuchung nicht wider­stehen, ass ­einige der ungewaschenen Früchte – und bekam kurz darauf Bauchschmerzen. Nach Erhalt des Laborberichts ahnte sie, warum: Alle Trauben enthielten Rückstände von Pestiziden. 16 der 20 Proben waren hoch bis sehr hoch mit heiklen Substanzen belastet (siehe Tabelle im PDF). Die Früchte stammten aus Italien, Frankreich, Spanien und der Türkei. Schweizer Trauben suchte der K-Tipp in den Läden vergeblich.

Das Labor hatte die Trauben auf über 500 Pestizide hin untersucht. Die ­grösste Menge fand es in der teuren Sorte «Muscat de Hambourg» von Globus. Für rund 16 Milligramm Pestizidrückstände zahlen Kunden der Migros-Tochter fast 15 Franken pro Kilo. Zum Vergleich: In den am wenigsten belasteten Trauben von Denner steckten «nur» 0,13 Milligramm. Gesetzliche Höchstwerte wurden bei keiner Probe über­schritten. 

Der K-Tipp bewertet die Rückstände von Pestiziden zum Schutz der Konsumenten bewusst strenger als das Gesetz. Proben mit mehr als 2 Milligramm pro Kilo wurden als sehr hoch be­lastet beurteilt. Das Gesetz ist ­industriefreundlich und kennt nur Höchstwerte für einzelne Substanzen – aber keine für den Pestizid­cocktail insgesamt. Das nutzen die Landwirte aus und spritzen viele verschiedene Pes­tizide. So können sie die Einzel-­Höchstwerte unterbieten. 

Dazu kommt: Ein Mensch isst pro Tag nicht nur ­Trauben. Er konsumiert viele verschiedene belastete Lebens­mittel, trinkt Wein und Tee. Deshalb ist es wichtig, dass jedes einzelne Produkt von den Her­stellern so ­sauber wie möglich hergestellt wird.

Pestizide mit grossem Risikopotenzial

Mehr als die Hälfte der Trauben war mit vier oder mehr Pestiziden belastet. Die türkischen Trauben aus dem Zürcher Eurospar enthielten sogar 15 Pesti­zide. Wie die Stoffe unter­einander reagieren, wird erst erforscht – von der ­europäischen Lebensmittelsicherheits-Behörde Efsa. 

Das Labor fand in den 20 Proben insgesamt 35 Pestizide: Acht sollen ­Insekten vernichten, die restlichen sollen Pilze ab­töten. Die Stoffe können aber auch für Mensch und Umwelt gefährlich werden. Zehn der gefundenen Pestizide bezeichnet das Schweizer Bundesamt für Landwirtschaft als «Pflanzenschutzmittel mit besonderem Risikopotenzial». 

Deren Wirkstoffe reichern sich laut dem Bundesamt beispielsweise in Wasserlebewesen an, sodass «die Konzentration im Fisch 2000-fach höher ist als ­diejenige im Wasser». Oder sie «beeinträchtigen die Fruchtbarkeit und schädigen das Kind im Mutterleib». Wenden Bauern ­diese Pestizide unsachgemäss an, würden «erhebliche Auswirkungen» drohen. 

Die Pestizide mit besonderem Risikopotenzial steckten in jeder zweiten Probe. Eingekauft wurden sie bei ­Migros, Coop, Aldi, Lidl, Globus und Eurospar. Die türkischen Euro­-spar-­Trauben enthielten fünf ­solche Pestizide. Die Denner-­Probe war frei ­davon.

In 14 Trauben fand das ­Labor Phosphonsäure. Der Stoff soll die Früchte gegen Pilze schützen. Er ist laut dem deutschen Amt für Verbraucherschutz für ­Vögel, Säugetiere und Wasser­organismen ungesund. Nach einem Test an der Haut von Kaninchen wurde die Substanz als «stark ätzend» bewertet. 

In der Schweiz dürfen Pro­dukte nicht mehr als 50 Milligramm Phosphonsäure pro Kilo enthalten. Diesen Höchstwert über­schritten die getesteten Trauben nicht. Die Europäische Union und die Schweiz prüfen zurzeit, ob sie Dünger, die Phosphonsäure enthalten, weiterhin bewilligen wollen. Laut der Organi­sation Bio Suisse sind im Bio-Landbau weder Pflanzenschutzmittel noch Dünger mit Phosphonsäure zugelassen. 

Dank K-Tipp: Spar sperrt Produzenten

Spar reagiert auf die vom K-Tipp nachgewiesenen 15 Pestizide in den türkischen Trauben: «Wir informierten den Lieferanten und sperrten den Produzenten für uns.» 

Andere Händler sehen keinen Grund, zu handeln: Migros, Globus, Aldi und Lidl verweisen ­darauf, dass alle Rückstände unter den gesetzlichen Höchstwerten liegen. Coop schreibt, die Trauben würden mit ­ge­setzlich zugelassenen ­Pflanzenschutzmitteln behandelt. 

 Dass Trauben oft viele verschiedene Pestizide enthalten, belegen auch an­dere Tests: 2016 prüfte das niedersächsische Landesamt für Lebensmittelsicherheit 93 Proben Trauben aus zehn Ländern. Nur vier Produkte waren pestizid­frei. Das Amt fand insgesamt 53 verschiedene chemische Stoffe. Indische Trauben enthielten am meisten Rückstände.

Weitere Tests zeigten: ­Pestizide auf Trauben lassen sich mit Wasser nur zum Teil abwaschen. Selbst das Einweichen oder Abreiben nützt nicht viel. Der Grossteil der heiklen Stoffe dringt tief in die Schale ein.