Zalando fragt: «Basel, are you ready?» Die Lungenliga möchte wissen: «Würden Sie tagsüber am liebsten schlafen?» Und Swisslos erkundigt sich: «Ist heute dein Glückstag?» 

Solchen Fragen begegnen Schweizer Bahnkunden auf dem Weg zum Zug auf Schritt und Tritt. Dabei sind die Reisenden nicht an Fragen interessiert, sondern an Antworten. Sie möchten wissen: Wo fährt mein Zug? Führt er einen Speisewagen? Hat es ein Veloabteil – und wenn ja: Wo genau?

Wer Antworten auf diese und andere Fragen möchte, der wurde früher rasch fündig. Heute muss er sich auf die Suche machen. Das zeigt ein Augenschein des K-Tipp in drei der grössten Bahnhöfe:

  • Bern: Im Bahnhof hat es keine einzige weisse Zugankunftstabelle auf Papier. In der Bahnhofshalle gibts nicht einmal mehr gelbe Tabellen mit den Abfahrtszeiten.
  • Zürich: In der Bahnhofshalle fehlen die weissen Ankunftstabellen ebenso wie in den Passagen Gessnerallee und Sihlquai.
  • Basel: Auf der grossen Passerelle hats einzig beim Ausgang Gundeldingen Ankunfts- und Abfahrts­tabellen.

Die Bildschirme sind kein vollwertiger Ersatz. Denn sie zeigen nur die Züge an, die in den nächsten 20 bis 30 Minuten ankommen und abfahren. Und trotz moderner Technik ist der Informations­gehalt geringer als auf den Papierplakaten: Auf den Bildschirmen fehlen Informationen zu Speise-, Bistro- und Barwagen, Veloabteil und Velo­reser­va­tion. 

Ausserdem gibt es in den Bahnhöfen nur ganz we­nige Bildschirme, die die Ankunftszeiten anzeigen. Dabei sind Leute, die jemanden vom Zug abholen wollen, darauf angewiesen.

Abfahrtstabellen «nehmen Platz weg»

Laut Pressesprecherin Lea Meyer stellen die SBB ­weniger gelbe und weisse Tabellen auf, weil sie «Platz wegnehmen und die Sicht in den Personenunter­führungen und Hallen stark einschränken». Manchenorts ist es tatsächlich eng. Erstaunlich deshalb, dass Reklameplakate in grosser Zahl Platz haben. Ebenso wie Verpflegungsstände und Gratiszeitungs-Boxen. Selbst zu Stosszeiten dürfen junge Leute alle möglichen Gratismuster verteilen.

Kaum mehr zu finden sind übrigens auch die blauen Plakate mit der «Formation der Züge». Sie informieren darüber, wo genau 1.- und 2.-Klass-­Wagen sind, wo Speise­wagen, Bistro- oder Barwagen, Behindertenplätze, Veloabteile und Familienwagen. Sie hingen früher in Unterführungen, Passagen und auf Passerellen. So konnten sich die Passagiere rasch informieren, welche Treppe oder Rampe sie nehmen mussten. Heute müssen Reisende aufs Geratewohl aufs Perron gehen. Häufig landen sie am falschen Zugsende.

Die Plakate mit der «Formation der Züge» hängen inzwischen nur noch auf den Perrons. Und in vielen Bahnhöfen sind darauf nurmehr die internationalen Züge zu finden. «Im Laufe des Jahres gibt es immer mehr Forma­tionsänderungen», erklärt Lea Meyer, «daher sind die Plakate bald nicht mehr aktuell.» Die internatio­nalen Züge sind deshalb noch aufgeführt, weil dort wegen der Platzreserva­tionen die Wagennummern wichtig sind.

Weniger Zugsinfos auf den Anzeigetafeln

Meyer hebt auch hervor, dass die Bahnhöfe heute «mit modernen Anzeige­geräten ausgerüstet» seien. «Diese bilden die ak­tuelle Formation ab. Damit ist sichergestellt, dass alle ­Angaben stimmen und aktuell sind.» Der Haken: Diese «modernen Anzeigegeräte» liefern noch weniger Infos als die alten Geräte mit Faltblattanzeige (K-Tipp 4/2015).

Überhaupt scheint für die SBB das Kerngeschäft, der Bahnbetrieb, immer mehr in den Hintergrund zu rücken: In Bern befinden sich die Billettschalter mittlerweile einen Stock über der Bahnhofshalle. Der Wartesaal ist in einem Zwischengeschoss, und die Schliessfächer befinden sich in einem Abstellraum. Dafür haben McDonald’s, Starbucks und Läden wie Swatch in der Bahnhofs­halle Platz gefunden.

Es ist wohl doch so: Kommerz kommt vor Kundenservice.