Verblüffende Auferstehung in der Taschenlampe
Inhalt
saldo 16/2002
09.10.2002
Schweizer kaufen jährlich für 100 Millionen Franken Batterien. Doch mit vermeintlich unbrauchbaren Batterien werfen sie viel Geld wieder weg.
Rolf Zinniker, Wissenschafter der ETH Zürich, hat schon lange einen Verdacht. Ihm ist aufgefallen, dass viele von Batterien gespiesene Hightech-Geräte wie Digitalkameras oder Minidisc- und MP3-Musikabspielgeräte eine hohe Endspannung haben. Wenn diese Spannung unter eine bestimmte Marke fällt, warnt zuerst die Batterieanzeige, dass die...
Schweizer kaufen jährlich für 100 Millionen Franken Batterien. Doch mit vermeintlich unbrauchbaren Batterien werfen sie viel Geld wieder weg.
Rolf Zinniker, Wissenschafter der ETH Zürich, hat schon lange einen Verdacht. Ihm ist aufgefallen, dass viele von Batterien gespiesene Hightech-Geräte wie Digitalkameras oder Minidisc- und MP3-Musikabspielgeräte eine hohe Endspannung haben. Wenn diese Spannung unter eine bestimmte Marke fällt, warnt zuerst die Batterieanzeige, dass die Batterie leer sei. Dann steigt das Gerät aus. Konsumenten wechseln deshalb die Batterien aus, weil sie glauben, die Batterien seien aufgebraucht. Die scheinbar nutzlosen Kraftspender enden in der Altbatterien-Sammelstelle - ein Fehler.
Viele Batterien sind überfordert mit Hightech-Geräten
Zinniker, ein international anerkannter Batterienspezialist, hat zusammen mit Kassensturz in einer Testreihe bei zwölf verschiedenen Batteriemarken und -typen untersucht, wie viel Energie noch in einer Batterie steckt, die eine Digital-Fotokamera zuvor als leer taxiert hatte.
Das Resultat ist überraschend: Bei der teuren Hochleistungsbatterie Duracell Ultra M3 für Fr. 9.50 das Viererpack steigt der Fotoapparat nach 310 geblitzten Bildern aus. Doch in den Batterien hätte es noch Energie für 200 weitere Bilder.
Bei den Billigbatterien Wonder von Coop (Fr. 4.20) und M Power von Migros (Fr. 5.20) meldet die Kamera schon nach 120 Bildern, dass die Kraftspender leer seien. Eine Lüge, denn tatsächlich stecken noch 75 Prozent der Energie drin. Den grössten Teil der Batterieenergie kann die Kamera gar nicht nutzen.
Der Grund für die Entladehemmung: Vor allem die günstigen Batterien sind vom hohen Anspruch der Hightech-Geräte - kurzzeitig grosser Stromverbrauch - überfordert. Die im Test verwendete Digitalkamera hat eine Endspannung von 1,1 Volt. Ihre Batterien sind vom hohen Stromverbrauch stark gefordert. Die Spannung sinkt deshalb schnell von 1,5 Volt auf unter 1,1 Volt. Als Folge schaltet sich die Kamera aus.
Je billiger, desto mehr Restenergie bleibt zurück
Fazit des Tests: Je billiger die Batterie ist, desto mehr Restenergie bleibt unverbraucht darin zurück. Zum Vergleich: Vier teure Lithium-Batterien kosten zwar Fr. 19.80. Ihre Spannung fällt aber erst unter die kritischen 1,1 Volt, wenn die Lithium-Batterie wirklich leer ist. Deshalb schiesst die Kamera mit ihr fünfmal mehr Fotos als mit einer Billigbatterie.
Das Problem für Konsumenten: Bei den meisten älteren strombetriebenen Geräten können sie klar erkennen, wenn die Batterie wirklich leer ist. Die Taschenlampe glüht nur noch, das Spielzeugauto kommt kaum mehr vorwärts, die Fernbedienung sendet keine Impulse mehr. Bei den Hightech-Geräten müssen sich die Konsumenten aber auf die nicht überprüfbare Elektronik des Gerätes verlassen.
Weil immer mehr Hightech-Geräte auf den Markt kommen, vermutete Rolf Zinniker, dass entsprechend mehr halb volle Batterien im Abfall landen. Kassensturz sammelte zwischen Mai und Juli in verschiedenen Sammelstellen von Grossverteilern und Fachgeschäften insgesamt 600 Batterien. In Zusammenarbeit mit dem ETH-Wissenschafter wollte Kassensturz herausfinden: Wie viele der 3800 Tonnen Batterien, welche Schweizer Konsumenten und Konsumentinnen jedes Jahr in den Müll werfen, sind noch brauchbar? Zinniker entlud die Altbatterien und berechnete für jede einzelne die noch vorhandene Energie.
Altbatterien: 56 Prozent noch brauchbar
Das Resultat: Weit gehend oder ganz leer ist rund ein Drittel der Altbatterien. Ein Drittel ist zwar benutzt, aber immer noch in brauchbarem Zustand. Und ein Drittel der Batterien ist wenig gebraucht oder teilweise sogar neuwertig - in den 600 Altbatterien fand Zinniker Energie für 210 neue Batterien.
Energizer, weltweit grösster Hersteller von Batterien, beschreibt in einem internen Papier, ab welcher Restenergie eine Batterie noch als gut zu bezeichnen ist. Gemäss diesem Merkblatt sind 353 der 600 von Kassensturz getesteten Batterien noch gut, was 56 Prozent aller gesammelten Altbatterien entspricht.
«Ich habe angenommen, dass es noch brauchbare Batterien unter den entsorgten hat», sagt Wissenschafter Zinniker. «Dass aber ein so grosser Anteil noch brauchbar ist, hätte ich nicht erwartet. Mit diesen Batterien werfen die Konsumenten viel Geld weg.»
Erstaunlich dabei: Duracell und Energizer bieten Batterien mit einem aufgedruckten Teststreifen an. Damit lässt sich per Fingerdruck feststellen, wie viel Energie noch in der Batterie steckt - ein Service, den Konsumenten offensichtlich nicht verstehen oder nicht nutzen. Unter den Altbatterien hatte es genau gleich viele gute Energizer-Batterien mit und ohne Teststreifen.
Aufklärung der Konsumenten ist unbedingt nötig
Schweizerinnen und Schweizer kaufen jedes Jahr rund 80 Millionen Batterien. 55 Millionen Stück davon sind Alkali-Batterien. Und davon - das zeigt jetzt erstmals die Kassensturz-Untersuchung - werfen sie einen grossen Teil fast halb voll wieder weg - auf Kosten des Portemonnaies und der Umwelt.
Hans-Peter Fahrni, Abfall-Chef beim Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft, sieht Handlungsbedarf: «Wir müssen Konsumenten und Konsumentinnen immer wieder informieren, wie man Batterien richtig einsetzt. Und wir müssen schauen, ob bei gewissen Sammelstellen nicht ein Messgerät installiert werden muss, bei dem die Leute selber schauen können, ob die Batterie leer ist oder ob sie noch eine Restladung hat.»
Peter Basler
Alte Batterien können weiter verwendet werden
- Wenn eine Batterie in einem komplizierten Gerät wie zum Beispiel einer Digitalkamera nicht mehr funktioniert, kann sie in einem einfacheren Gerät mit weniger Stromverbrauch noch lange ihren Dienst tun. Deshalb scheinbar leere Batterien aus der Digitalkamera, dem Fotoblitz oder dem Minidisc-Musikabspielgerät umplatzieren in Spielzeug, Taschenlampe, Radio oder Wecker. Der Grund: Eine Digitalkamera braucht mindestens 1,1 bis 1,3 Volt Spannung. Eine Wanduhr aber nur rund 0,8 Volt. Deshalb tuts die angebrauchte Kamerabatterie in der Wanduhr noch lange.
- Für Stromfresser-Geräte vor allem Akkus verwenden. Akkus sind zwar teuer in der Anschaffung, lassen sich aber mit billigem Strom aus der Dose immer wieder aufladen. Ausnahme: Weil sich Akkus relativ schnell selber entladen - sie verlieren pro Tag bis zu 1 Prozent ihrer Kapazität -, sind sie nicht zu empfehlen, wenn ein Gerät nur wenig benutzt wird.
- Dank Spannungsmessgeräten kann der ungefähre Zustand der Batterie abgelesen werden. Einfache Geräte gibt es ab 7 Franken im Handel.
- Alte Batterien alle gleichzeitig erneuern und dabei nur die gleichen Batterietypen im selben Gerät verwenden.
- Strom aus der Steckdose ist rund tausendmal billiger. Deshalb zu Hause Geräte wenn möglich ohne Batterien betreiben.