Unfälle beim Wintersport: Haftpflicht ungelöst
Skiunfälle können für die Opfer nicht nur schmerzhaft, sondern auch sehr teuer sein. Grund: Oft zahlen die Versicherungen nicht. saldo zeigt, wie man das Problem einfach lösen könnte.
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saldo 18/2010
08.11.2010
Letzte Aktualisierung:
11.02.2011
Werner Fischer
Pro Wintersaison verunfallen gemäss der Schweizerischen Beratungsstelle für Unfallverhütung (Bfu) im Schnitt 93 000 Freitzeitsportler. Am meisten Unfälle passieren beim Skifahren (43 210), beim Snowboarden (24 460) und beim Schlitteln (10 080).
Zu den Schmerzen kommen für die Opfer häufig finanzielle Sorgen. Das gilt vor allem bei Unfällen mit Kollisionen auf Skipisten, Eisfeldern oder Schlittelwegen. Beim Skifahren, S...
Pro Wintersaison verunfallen gemäss der Schweizerischen Beratungsstelle für Unfallverhütung (Bfu) im Schnitt 93 000 Freitzeitsportler. Am meisten Unfälle passieren beim Skifahren (43 210), beim Snowboarden (24 460) und beim Schlitteln (10 080).
Zu den Schmerzen kommen für die Opfer häufig finanzielle Sorgen. Das gilt vor allem bei Unfällen mit Kollisionen auf Skipisten, Eisfeldern oder Schlittelwegen. Beim Skifahren, Snowboarden und Schlitteln sind Kinder, Hausfrauen und Selbständige meist schlecht versichert.
Werden sie von einem andern Wintersportler angefahren und verletzt, drohen grosse finanzielle Belastungen. Das Risiko ist nicht klein: Laut der Bfu sind bei je 8 Prozent der Ski- und Schlittelunfälle Dritte mitbeteiligt, beim Snowboarden sind es 3 Prozent.
Das macht zusammen knapp 5000 Fälle pro Jahr, die für die Betroffenen teuer zu stehen kommen, falls die Unfallverursacher den Schaden nicht bezahlen können. Selbst wenn diese eine Privathaftpflichtversicherung abgeschlossen haben, hilft das oft nichts. Der Grund: Die Versicherung zahlt nur dann, wenn ein Verschulden nachgewiesen ist.
Nach Kollision auf Skipiste Tetraplegikerin
Das hat der Thurgauer Arzt Bernhard Wälti erlebt. «Eine meiner Patientinnen ist nach einem Zusammenstoss auf der Skipiste jetzt Tetraplegikerin und sitzt im Rollstuhl. Bezüglich der Schuldfrage ist vieles ungeklärt.»
Der in den Unfall verwickelte Skifahrer kämpft ebenfalls mit den Folgen des tragischen Unglücks. Sein linker Arm ist bleibend gelähmt. Nach dem Zusammenprall waren beide bewusstlos, sie können sich an nichts erinnern.
Für solche Fälle gäbe es einfache Lösungen:
- Variante nationaler Garantiefonds: Kürzlich hat das Parlament die Versicherungsfrage für Velounfälle neu geregelt: Falls der schuldige Velofahrer keine Privathaftpflichtversicherung hat oder der Verursacher unbekannt ist, kommt ein nationaler Garantiefonds für den finanziellen Schaden des Opfers auf.
Der Garantiefonds könnte auch bei ungedeckten Wintersportunfällen einspringen. Der Thurgauer CVP-Ständerat Philipp Stähelin – er war Initiant für die Abschaffung der Velovignette – kann sich «auf den ersten Blick durchaus mit dieser Idee anfreunden».
- Variante Haftpflicht auf Skipass: Eine andere mögliche Lösung bestünde darin, dass in jedem Skipass und jeder Tageskarte eine Haftpflichtversicherung inbegriffen ist. Das käme nicht teuer zu stehen.
Konkret: Die Schweizer Bergbahnen kommen laut eigenen Angaben im Jahr auf 27,3 Millionen Skifahrertage. Somit würde bereits eine geringfügige Erhöhung der Tageskarte oder des Seilbahnbilletts von 50 Rappen bis 1 Franken für die Speisung eines Wintersportfonds reichen.
Pro Jahr rund hundert Invalidenfälle
«Ich als Skifahrer würde sofort einen Franken pro Tageskarte für einen solchen Fonds zahlen», sagt Arzt Wälti. Er ist überzeugt: «Gerade viele junge Skifahrer wie etwa meine volljährige Tochter oder Sportler aus dem Ausland haben keine Privathaftpflichtversicherung. Die sicherheitsbewussten Schweizer und die ausländischen Touristen würden eine solche Lösung schätzen.»
Bei einem Zusammenstoss zahlt zwar die Versicherung die Kosten für Arzt und Spital – bei Erwerbstätigen die Unfallversicherung, bei Nichterwerbstätigen die Krankenkasse. Finanziell weit einschneidender sind aber Lohnausfall, Haushalthilfen oder Versorgerschäden für Kinder bei getöteten Eltern.
Schnell machen diese Kosten einige hunderttausend Franken aus. Es betrifft aber nur wenige: Laut der Suva war bisher in nicht ganz 100 Fällen pro Jahr der Wintersportunfall so gravierend, dass eine Invalidenrente gesprochen werden musste.
Der Seilbahnverband sieht kein Problem
Peter Vollmer, Direktor des Seilbahnverbandes, findet die Idee einer im Ticket inbegriffenen Haftpflicht unnötig: «Uns sind aus der näheren Vergangenheit kaum Fälle bekannt, in denen die Regelungen eines Wintersportunfalls aus versicherungstechnischer Sicht für den Verursacher oder den Geschädigten nicht befriedigend gelöst werden konnten.»
Da irrt Vollmer. Ein nationaler Garantiefonds oder eine obligatorische Haftpflichtversicherung würde vor allem all jene besser schützen, die nur bei der Krankenkasse und nicht über den Arbeitgeber gegen Unfall versichert sind.
Der Grund: Die Berufstätigen erhalten neben den Arzt- und Spitalkosten bei Arbeitsunfähigkeit auch Taggelder und Renten. Die Krankenkasse hingegen übernimmt nur die Kosten für Arzt und Spital, alle andern, weit teureren Kosten aber nicht. Das betrifft zum Beispiel Kinder, Studenten, Hausfrauen und alle Selbständigen. Sie sind die grossen Leidtragenden der Deckungslücke.